Intelligent investieren
Verbranntes Geld

Die Steuer – der Feind Ihrer Rendite

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Wer nicht aufpasst, dem ruiniert die Kapitalertragsteuer die Investitionsrendite. Wie man den Schaden möglichst klein halten kann.

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Der US-amerikanische Ökonom, Philosoph, Historiker und Gesellschaftstheoretiker Murray N. Rothbard (1926 – 1995) brachte es auf den Punkt: Steuern sind Raub. Auch wenn man es nicht hören will, sich vielleicht schon mental gefügt hat: Dass der Staat – wie wir ihn heute kennen: als territorialer Zwangsmonopolist mit Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte innerhalb seines Gebietes – den Bürgern einen Teil ihres Eigentums abzwingt, ist unvereinbar mit dem unveräußerlichen Recht jedes Einzelnen auf Selbstbestimmung und nach allen vernünftigen Maßstäben unethisch.

Doch die staatliche Besteuerung hat mittlerweile ihre Unterstützer: die Netto-Steuerkonsumenten, die sich auf Kosten der Netto-Steuerproduzenten besserstellen. Steuern sind aber nicht nur ungerecht, gesamtwirtschaftlich gesehen richten sie viel Schaden an. Beispielsweise reduziert eine Gewinnsteuer den Anreiz zu sparen und zu investieren. Der Aufbau des Kapitalstocks schwächt sich ab, und die realen Einkommenszuwächse fallen – im Vergleich zu einer Situation, in der Gewinne nicht besteuert werden. Steuern erschweren den wirtschaftlichen Aufstieg aller.

Die Steuer trifft nicht nur Unternehmen, sondern auch jeden, der sein Geld sparen und investieren will. In Deutschland ist der Anleger verpflichtet, eine Abgeltungssteuer auf Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne zu zahlen: Das Finanzamt holt sich 25 Prozent plus 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag auf die Abgeltungssteuer, und seit Januar 2015 kommt auch noch die Kirchensteuer in Höhe acht oder neun Prozent auf die Abgeltungssteuer dazu. Nur ein klitzekleiner Freibetrag von 801 Euro kann in der Steuerberechnung geltend gemacht werden.

Zur Person

Fehler werden vom Finanzamt bestraft

Um zu zeigen, wie problematisch die Besteuerung der Kapitalerträge für Anleger ist, die ihre Altersvorsorge aufbauen wollen, betrachten wir ein einfaches Beispiel. Nehmen wir an, Sie haben 10.000 Euro und investieren sie in die Unternehmensaktie X, weil Sie zur Auffassung gelangt sind, dass Aktie X Ihnen in den kommenden Jahrzehnten eine Rendite von 15 Prozent pro Jahr einbringen wird. Erweist sich Ihre Einschätzung als richtig, haben Sie nach 20 Jahren 163.665 Euro – vor Steuern wohlgemerkt (Linie A in der Grafik).

Nehmen wir nun an, Sie würden am Ende des fünften Jahres leider feststellen, dass sich die Erfolgsaussichten für die Unternehmensaktie X verschlechtert haben; beispielsweise hat das Unternehmens-Management schlechte Investitionsentscheidungen getroffen. Sie können fortan nur noch mit einer Rendite von acht Prozent p.a. rechnen. Wenn Sie keine bessere Anlagealternative finden und investiert bleiben, beträgt Ihr Endwert nach 20 Jahren 63.804 Euro (Linie B) – deutlich weniger als die ursprünglich erhofften 163.665 Euro.

Wertentwicklung in Abhängigkeit von der Kapitalrendite und der Besteuerung von Kursgewinnen Investitionsbetrag 10.000 Euro zu Beginn des 1. Jahres. A: Rendite zu 15 Prozent p.a. B: Bis Jahr 5 Rendite 15 Prozent p.a., danach 8 Prozent p.a. C: Verkauf Ende 5. Jahr, Steuersatz 26 Prozent, Reinvestition in Aktie mit 15 Prozent p.a. ab Anfang 6. Jahr. Quelle: eigene Berechnungen (zum Vergrößern bitte anklicken)

Nehmen wir nun aber an, Sie haben am Ende des fünften Jahres das Unternehmen Y ausfindig gemacht, dessen Rendite Sie mit 15 p.a. einschätzen. Sie entschließen sich daraufhin, Aktie X zu verkaufen und mit dem Verkaufserlös Aktie Y zu kaufen. Aktie X ist am Ende des fünften Jahres 20.113,60 Euro wert. Nach Steuern – unterstellt sei eine Gesamtbelastung von 26 Prozent auf die erzielten Kursgewinne – verbleiben Ihnen 17484 Euro zur Wiederanlage. Selbst wenn die Aktie Y mit 15 Prozent p.a. steigt, beträgt Ihr Endwert im Jahr 20 nur 142.268 Euro (Linie C) – merklich weniger, als wenn Ihre ursprüngliche Investmentidee aufgegangen wäre. (Anm. d. Red.: Liebe Leser, hier hatten sich falsche Zahlen eingeschlichen, die nun korrigiert sind. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.)

Gleiche Überlegungen lassen sich mit Blick auf Dividendenzahlungen anstellen. Erzielt ein Unternehmen einen Gewinn und beschließt, ihn an die Aktionäre auszuschütten, sind diese Dividenden beim Aktionär zu versteuern. Und nur das, was dann noch übrig ist, lässt sich wiederanlegen. Für den langfristig orientierten Investor sind daher Dividenden nicht vorteilhaft. Für ihn ist es besser, das Unternehmen behält seinen Gewinn ein und reinvestiert ihn zu hohen Renditen in das eigene Geschäftsmodell oder kauft eigene Aktien zurück.

Sie haben vermutlich bereits erkannt, worum es hier geht: Die Ertragsbesteuerung verringert Ihr Anlagekapital, und schmälert die Wirkung des Zins- und Zinseszinseffektes, der aus gutem Grund für den langfristig Investor arbeiten soll.

„Lassen Sie sich nicht für dumm verkaufen“
1. Gehen Sie bewusst Risiken ein, um kontinuierliche Vermögensverluste zu vermeiden Quelle: dpa
Widerstehen Sie kurzfristigen Gewinnmitnahmen Quelle: dpa
Begrenzen Sie Ihre Verluste Quelle: dpa
4. Vergessen Sie den Einstandskurs Quelle: dpa
Vermeiden Sie es, auf vermeintlich attraktive Modethemen aufzuspringen Quelle: dpa
6. Lassen Sie sich nicht von schlechter Stimmung anstecken Quelle: dpa
Investieren Sie niemals in todsichere Tipps Quelle: obs

Angriff auf den Zins- und Zinseszinseffekt

Die Besteuerung der Kapitalerträge bestraft den Anleger auch für Fehler, die ihm bei der Einschätzung von künftigen Ertragspotenzialen unterlaufen. Und die Fehler müssen nicht einmal nur eigenverschuldet sein. Man denke nur einmal an die Folgen staatlicher Eingriffe in das Marktgeschehen.

Beispiel „Energiewende“: Ein plötzlicher politischer Kurswechsel entwertet den Kapitalstock der Energieunternehmen. Investitionen müssen abgeschrieben werden, Ausstiegskosten belasten die Bilanz und verschlechtern die künftige Gewinnlage. Angesichts verminderter Renditeaussichten entscheiden sich Aktionäre zu verkaufen und in erfolgversprechendere Aktien zu investieren. Realisieren sie dabei Kursgewinne, müssen sie darauf Steuern zahlen. Die Investitionsrendite leidet.

Übrigens: Realisiert ein Fonds Kursgewinne, sind darauf keine Steuern zu entrichten. Erst wenn der Endanleger seinen Fonds verkauft und dabei Kapitalgewinne realisiert, muss er Steuern zahlen. Der Fondsbranche wird dadurch ein Vorteil eingeräumt gegenüber dem eigenverantwortlich agierenden Anleger. Nun ist aber der Staat unersättlich, und besteuert er seit Anfang 2018 nun auch auf Fondsebene teilweise.

Deutsche Fonds mit ihren inländischen Dividenden, inländischen Mieten und Gewinnen aus dem Verkauf inländischer Immobilien sind steuerpflichtig mit einem Satz von 15 Prozent. Zwar gibt es zum Trost Teilfreistellungen von der Abgeltungssteuer. Aber dem Endanleger wird in jedem Falle auf Fondsebene im laufenden Spar- und Investmentprozess Kapital entzogen, und das geht zu Lasten seiner Investitionsrendite.

Die Fondsbranche behält allerdings ihre Steuerbevorteilung für Dividenden gegenüber der Besteuerung auf Anlegerebene. Ihr werden so viele Anleger in die Hände gespielt. Das ist problematisch. Die Fondsbranche ist hochreguliert. Der Staat nimmt zum Beispiel starken Einfluss darauf, wie das Risiko zu bemessen ist und welche Risikohöhe erlaubt ist. Für den Anleger erwachsen daraus mitunter absurde Kauf- und Verkaufsentscheidungen innerhalb der Fonds. Beispielsweise wenn Fonds aufgrund hoher Kursschwankungen Aktienpositionen abbauen müssen. Das ist mit Kosten verbunden und schmälert unnötig die Rendite des Fonds.

Was kann und sollte der umsichtige Investor tun? Er sollte mit langfristigem Horizont investieren. Dazu ist vor allem erforderlich, sich eingehend und intensiv mit den Unternehmen beziehungsweise mit den zur Wahl stehenden Fonds zu beschäftigen, bevor man investiert. Das reduziert die Gefahr, auf das falsche Pferd zu setzen, seine Entscheidung unterwegs korrigieren zu müssen und dafür mit Kapitalertragssteuer bestraft zu werden, die die Rendite verringert.

Der langfristig ausgerichtete Investor sollte sich von der vielgepriesenen Idee, in „dividendenstarke Titel“ zu investieren, verabschieden – allein schon aus steuerlichen Gründen. Für ihn ist es vorteilhafter, wenn er auf profitable Unternehmen setzt, die ihren Gewinn einbehalten, in ihre eigenen Geschäftsaktivitäten zu hohen Renditen reinvestieren können. Das spart Steuern, befördert den Aktienkurs und beflügelt die Investitionsrendite.

Zudem sollte der Anleger gegenüber „Market-Timing-Strategien“ skeptisch sein. Man muss schon recht kräftige Renditen mit kurzfristigen Kauf- und Verkaufsstrategien erzielen können, um die entstehende Steuerbelastung zu kompensieren. So mancher Fonds kann das zwar das Portfolio häufig drehen, weil er keine Steuern auf Kursgewinne zu zahlen hat. Für den Endanleger jedoch, der in Eigenregie operiert, ist das steuerlich meist nicht ratsam.

Der umsichtige Investor sollte die üblichen Jahresanfangsprognosen und den daraus abgeleiteten Empfehlungen der Finanzbranche kritisch sehen. Es ist nicht einsichtig, warum sich pünktlich am Jahresanfang die Attraktivität der Investments plötzlich verändern sollte und Umschichtungen nötig sind. Nicht selten wird Anlegern ein aktivistisches Kaufen oder Verkaufen geraten, das zwar der Finanzbranche profitable Umsätze einträgt, das jedoch auf Kosten der Anleger geht – denn die Gebühren und Steuern gehen zu ihren Lasten.

Kurzum: Von Anfang an Sorge dafür zu tragen, dass man in die richtigen Aktien investiert und langfristig investiert, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Vor allem auch wegen der Steuern gilt ganz zu Recht die Börsenweisheit: „Hin und Her macht Taschen leer!“ Eine wichtige Einsicht. Ist man nicht auf er Hut, hat man das Nachsehen: Denn der Staat ist mit seiner Besteuerung drauf und dran, die eigenverantwortliche Altersvorsorge zusehends zu verunmöglichen, aus Bürgern bedürftige Untertanen zu machen.

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