Intelligent investieren

Die Robo-Investoren kommen - Gefahr und Gewinn für alle Anleger

Seite 2/3

Maschine ist besser als Mensch?

Die fragwürdige Idee, Volatilität würde das Risiko des Investors richtig abbilden, hat eine weitere Folge. Der Robo-Advisor empfiehlt seinem Kunden in der Regel stark zu diversifizieren, also den Anlagebetrag auf viele verschiedene Vermögensarten (Aktien, Anleihen, Derivate, Rohstoffe, Immobilien, Private Equity etc.) zu streuen, und das auch weltweit (in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Europa, in Asien etc.). Heraus kommt dabei schnell eine Überdiversifikation. Das Portfolio wird rasch sehr komplex, und auch die Transaktionskosten nehmen zu. Ein komplexes Portfolio hat für den Anleger vor allem den Nachteil, dass es teurer ist als nötig und dass es schwierig(er) wird, Anlagefehler zu erkennen und aus ihnen zu lernen, um künftige Anlageentscheidungen zu verbessern.

Ein fundamentales Problem, das die Vision von der vollautomatisierten Geldanlage mit sich bringt, sollte abschließend nicht ausgespart werden: Für den unbedarften Anleger könnte allzu leicht der Eindruck entstehen, mit mathematischen Algorithmen ließe sich die Geldanlage im wahrsten Sinne des Wortes automatisch zum Erfolg führen. Nach dem Motto: Maschine ist besser als Mensch.

Dieser Gedanke ist alles andere als neu. Bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden (damals) aufwendige Mehrgleichungsmodelle („Operation Research“) entworfen, um sie beispielsweise auch zum Vorhersagen von Finanzmarktpreisen einzusetzen. Aus den 1940er Jahren stammen die „Neuronalen Netze“ als eine Form der „Künstlichen Intelligenz“, die seit den 1980er Jahren verstärkt auch von Finanzmarkt-Investoren Beachtung finden.

Doch alle Versuche, aus dem menschlichen Verhalten auf den Finanzmärkten mittels mathematisierter Handlungsvorschriften Nutzen zu schlagen, haben bislang noch keinen wirklich großen Durchbruch gebracht. Verwunderlich ist das nicht. Dazu müsste nämlich etwas gelingen, was aus erkenntnistheoretischen Gründen gar nicht möglich ist: die Mathematisierbarkeit des menschlichen Verhaltens, um künftiges Handeln zu prognostizieren. Warum? Menschliches Handeln hängt nicht nur von den Zielen und Wünschen ab, die der Handelnde hat, sondern auch vom jeweils vorhandenen Wissenstand. Wir wissen aus Erfahrung, dass wir nicht wissen, wie sich das künftige Wissen der Handelnden gegenüber dem heutigen Wissen verändern wird; und deshalb lässt sich aus der Gegenwart das künftige Handeln auch nicht systematisch vorhersagen.

Der Mensch kann lernen

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch eine logische Einsicht. Sie baut auf einem unbestreitbar wahren Satz auf: Der Mensch kann lernen. Lernfähigkeit ist keine beliebige Annahme, sondern eine logisch nicht widerlegbare Erkenntnis. (siehe oben: Diskurs zur Lernfähigkeit) Wenn man nun aber Lernfähigkeit nicht in Abrede stellen kann, folgt daraus, dass man künftige Wissenszustände nicht kennen und (auf wissenschaftlicher Basis) künftiges Handeln nicht vorhersagen kann – auch wenn das Modell noch so ausgefeilt ist und die Rechenkapazität der Computer auch noch so groß ausfällt. Wenn der Mensch lernen kann (und das lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen), dann kann es keine Verhaltenskonstanten geben nach dem Motto: eine Kursbewegung der Aktie gestern hat einen systematisch-quantifizierbaren Effekt auf den Kurs morgen. Man darf also durchaus Zweifel an der Idee anmelden, die Zukunft, das künftige Finanzmarktgeschehen, ließe sich irgendwann mathematisch-computerisiert verlässlich erschließen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%