Intelligent investieren

Was Sie über Inflation unbedingt wissen sollten

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Auf dem Weg zu mehr Inflation gibt es Gewinner und Verlierer. Letztere sind Opfer systematischen Raubes, sagt Thorsten Polleit. In unserer neuen Kolumne erklärt er, wie Anleger auf die Gewinnerseite wechseln.

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EZB sorgt für die nächste Geldschwemme. Quelle: Marcel Stahn

Wer beginnt, sich mit dem Investieren der Erfolgreichen genauer zu beschäftigen, der wird schnell merken: Aller Anfang ist nicht schwer, und das Wissen um wirtschaftliche Zusammenhänge zahlt sich aus. Das kann jeder Anleger ein- und umsetzen, entweder im Rahmen der eigenen Portfolioentscheidungen, oder indem er es nutzt, um geeignete Partner für eine Zusammenarbeit ausfindig zu machen.

In meiner 14-tägigen Kolumne „Intelligent Investieren“ möchte ich in den kommenden Monaten einige der zuweilen unausgegorenen und mitunter falschen Ideen, die in der Welt der Geldanlage beharrlich herumgeistern, enttarnen – und im Gegenzug dafür bessere Ideen aufzeigen: die zeitlosen Erkenntnisse des erfolgreichen Investierens. Zum Auftakt widme ich mich einem Thema, das insbesondere die Deutschen beschäftigt: Inflation.

Zur Person

Stellen Sie sich vor, Ihnen wird ihre Handtasche aus der Hand gerissen, und der Übeltäter macht sich damit aus dem Staub. Ein klarer Fall von Raub. Die meisten Menschen erkennen sofort, was ein Raub ist, wenn sie ihn sehen oder von ihm hören. Bei einer Sache versagt bei vielen jedoch genau diese Fähigkeit. Und das ist beim Geld.

Die meisten werden sich vermutlich freuen, wenn sie mehr Geld bekommen. Denn dann kann man sich mehr der gewünschten Dinge kaufen. Man ist reicher. Wenn aber alle mehr Geld bekommen, ist das Ergebnis ein ganz anderes. Nach dem Motto: Wenn Sie sich im Theater auf ihren Sitz stellen, können Sie besser sehen. Wenn alle auf ihren Sitzen stehen, gilt das nicht mehr.

Geld ist das allgemeine Tauschmittel, und es hat nur eine Funktion: die Tauschfunktion. Steigt die Geldmenge in der Volkswirtschaft, so tauschen die Menschen  es früher oder später gegen andere Güter, die sie höher wertschätzen, ein. Das Geld wird ausgegeben, um zum Beispiel Smartphones, Schuhe und Urlaubsreisen nachzufragen, und die Preise dieser Güter steigen.

Die höchsten Inflationen aller Zeiten
Turkmenistan, Januar 1992 - November 1993Währung: Manat Tägliche Inflationsrate: 5,71 Prozent Zeitraum, in dem sich die Preise verdoppelten: 12,7 TageQuelle: Institute for Applied Economics, John Hopkins University Baltimore Quelle: AP
Armenien, Oktober 1993 - Dezember 1994Währung: Rubel Tägliche Inflationsrate: 5,77 Prozent Zeitraum, in dem sich die Preise verdoppelten: 12,5 Tage Quelle: REUTERS
China, Oktober 1947 - Mitte Mai 1949Währung: Yuan Tägliche Inflationsrate: 14,1 Prozent Zeitraum, in dem sich die Preise verdoppelten: 5,34 Tage
Griechenland, Mai 1941 - Dezember 1945Währung: Drachme Tägliche Inflationsrate: 17,9 Prozent Zeitraum, in dem sich die Preise verdoppelten: 4,27 Tage
Deutschland, August 1922 - Dezember 1923Währung: Papiermark Tägliche Inflationsrate: 20,9 Prozent Zeitraum, in dem sich die Preise verdoppelten: 3,70 Tage
Republika Srpska, April 1992 - Januar 1994Währung: Dinar Tägliche Inflationsrate: 64,3 Prozent Zeitraum, in dem sich die Preise verdoppelten: 1,41 Tage
Jugoslawien, April 1992 - Januar 1994Währung: Dinar Tägliche Inflationsrate: 64,6 Prozent Zeitraum, in dem sich die Preise verdoppelten: 1,41 Tage Quelle: dpa

Warum steigt die Geldmenge überhaupt? Das liegt daran, dass die Zentralbanken, in enger Kooperation mit den Geschäftsbanken, die Geldmenge unablässig ausweiten. Beispielsweise ist seit Beginn der Währungsunion Anfang 1999 bis heute die Euro-Geldmenge um 152 Prozent angeschwollen – während die realen Einkommen nur knapp 25 Prozent zugenommen haben.

Falls Ihr Kontostand seit Euro-Einführung sich nicht fulminant vermehrt hat, dann wissen Sie, dass Sie nicht zu den Gewinnern der Euro-Geldmengenvermehrung zählen. Irgendjemand anders hat sich über den Geldsegen freuen können. Damit ist eine unangenehme Wahrheit ausgesprochen: Eine Geldmengenausweitung schafft immer Gewinner und Verlierer.

Steigt die Geldmenge, so sind es stets einige wenige, niemals aber alle, die das neue Geld als erste in die Hände bekommen. Sie können damit Güter zu noch unveränderten Preisen kaufen. Wenn das neue Geld von Hand zu Hand wandert, steigen die Preise. Die letzten, die das neue Geld erhalten, sind die Verlierer. Sie können die Güter nur noch zu erhöhten Preisen kaufen.

Ein Anwachsen der Geldmenge sorgt also immer für eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen. Es ist niemals „neutral“. Diejenigen, die ihr Geld lange halten – die Sparer –, werden durch die unablässige Geldmengenvermehrung der Zentralbanken im wahrsten Sinne des Wortes beraubt, werden Opfer eines systematisch angelegten Raubzuges.

Wie in Aktien investieren?

Das Phänomen, dass die Konsumgüter im Zeitablauf immer teurer werden – Äpfel, Bücher und Flugreisen und anderes mehr –, bezeichnet man landläufig als Inflation. Doch damit wird nur ein Teilaspekt der Inflation eingefangen. Die Inflation kommt nämlich noch in einem anderen Gewand daher: der Vermögenspreisinflation.

Steigen die Preise für Grundstücke, Häuser und Aktien, so zerstören das die Kaufkraft des Geldes genauso wie steigende Konsumgüterpreise. Geht der Preis für Grundstücke in die Höhe, bekommt man weniger Grundstück für sein Geld. Doch die Inflation der Bestandsgüter taucht nicht in den offiziellen Statistiken auf.

Jetzt wo auch die Zinsen auf beziehungsweise unter der Nulllinie liegen, und die Inflation der Konsum- und Vermögensgüter beginnt wieder zu steigen, geht es der Kaufkraft der Bankeinlagen – die Deutschen halten allein 3.300 Mrd. Euro davon – an den Kragen. Eine Möglichkeit dem zu entgehen, ist anstelle von längerfristigen Termin- und Spareinlagen Gold zu halten.

Wie aber lässt sich noch eine Rendite erzielen? Viele Anlageberater empfehlen ihren Kunden Aktien. Mit ihnen lassen sich – anders als bei festverzinslichen Anlagen – Renditen erzielen, die nach Abzug der Inflation noch positiv sind. Die Überlegung ist zwar grundsätzlich richtig. Die entscheidende Frage lautet aber: Wie soll man in Aktien investieren?

Man sollte nicht meinen, das Investieren in einen breiten Aktienmarktindex – etwa im Zuge des Kaufs eines Index-ETFs – schütze vor Geldentwertung. In der Vergangenheit war zu beobachten, dass in Phasen, in den die Inflation stark anzog, die Aktien kein Inflationsschutz waren: Die Kursgewinne blieben hinter den Konsumentenpreissteigerungen zurück.

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Die Alternative zum Investieren in einen breiten Aktienmarkt besteht darin, sehr wählerisch zu sein, nur in Aktien von Unternehmen zu investieren, die langfristig hohe Renditen auf das eingesetzte Kapital erzielen, die langfristig ihre Gewinne pro Aktie steigern können – und das auch in wirtschaftlich schwierigen und inflationären Phasen.

Wer so denkt, sollte mit guten "Value Investoren" zusammenarbeiten. Denn die beschäftigen sich intensiv mit der Bewertung von Unternehmen und haben daher die besten Voraussetzungen, langfristig positive reale Renditen erzielen zu können – auch in Zeiten, in denen die Zentralbanken den Geldwert noch schneller dahinschmelzen lassen als bislang.

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