WirtschaftsWoche: Meine Herren, in den vergangenen Wochen sind die Renditen von Anleihen kräftig gestiegen. Kurz darauf hat Euro-Notenbankchef Mario Draghi versprochen, die Leitzinsen unten zu halten. Sein US-Pendant Ben Bernanke will der Wirtschaft so viel Geld geben, wie sie braucht. Wo geht die Reise denn nun hin?
Flossbach: Machen wir eine einfache Rechnung. Der natürliche Zins besteht aus Wachstums- plus Inflationsrate, also 1,5 plus 1,5 Prozent für eine lang laufende Anleihe im jetzigen Umfeld. In den USA sind wir schon bei 2,5 Prozent angekommen. In Deutschland noch nicht, aber hier haben wir die Probleme der Euro-Zone.
Das bedeutet?
Flossbach: Wenn die Zinsen hier bei drei Prozent wären, würde das die Südländer killen. Deren Anleihen notieren gut drei Prozentpunkte über deutschen. Sechs Prozent wären weder für Spanien noch für Italien tragbar. Sie haben aber in der Notenbank eine starke Verbündete. Die EZB wird querbeet Anleihen aller Euro-Länder kaufen und so jeden Zinsanstieg abwürgen. Daher kann das Zinsniveau zwar leicht anziehen, wird aber sehr niedrig bleiben.
Bosomworth: Ich erwarte, dass die Zinsen nur langsam nach oben gehen. Die Wirtschaft wächst nur, wenn Produktivität und Bevölkerung zunehmen. Die Bevölkerung altert, also sehen wir niedriges Wachstum.
...und somit weiter niedrige Zinsen.
Mayer: Es ist eine Zeitenwende. In den letzten 30 Jahren war der reale Gesamtertrag von sicheren Anleihen, also nach Abzug der Inflationsrate, im Schnitt sehr positiv. Ich denke, dass dieser Ertrag jetzt deutlich schrumpft. Entweder die Nominalzinsen gehen nach oben, und die Anleihekurse fallen. Oder die Zinsen bleiben unten, und die Inflation frisst die reale Rendite. In beiden Fällen wird sich der reale Ertrag aus Anleihen deutlich verschlechtern.
Herr Bosomworth, Sie arbeiten für den größten Anleihemanager der Welt. Wohin gehen die Zinsen?
Bosomworth: Ganz langsam nach oben. Über die letzten 40 Jahre sind wir von 15 bis 18 Prozent Rendite bei Staatsanleihen runter auf ein Prozent gekommen. Jetzt dürften wir auf dem Boden sein.
Ziehen die Zinsen an, fallen die Kurse. Bleiben sie unten, frisst die Inflation die Erträge. Muss ich Anleihen verkaufen?
Bosomworth: Nicht komplett – es sei denn, Sie halten die höheren Schwankungen bei Aktien aus. Dazu aber braucht man einen sehr optimistischen Ausblick für das Wachstum der Weltwirtschaft, den ich nicht teile. Auf keinen Fall ist jetzt aber die Zeit, schlechteren Schuldnern Geld zu leihen – nur, um höhere Zinsen zu kassieren.
So kommen Staatsanleihen-Anleger durch das Zinstal
Zunächst keine Kursgefahr, neue Papiere haben niedrige Kupons, die Kurse älterer Anleihen mit höheren Kupons orientieren sich daran und bleiben stabil
Erstklassige Emittenten bieten nur Magerzinsen, obwohl selbst bei den USA (Schuldenproblem) und Deutschland (Haftung für schwache Euro-Staaten) Risiken bestehen
Anleihen mit längeren Laufzeiten wählen, aktuell sind zehnjährige Bundesanleihen und US-Staatspapiere mit derselben Laufzeit interessant, weil die einen vergleichsweise
hohen Kupon über eine längere Zeit sichern
Damit eine solche Anlage aufgeht, müssen nicht nur Preise und Zinsen noch über lange Jahre unten, sondern auch die Zahlungsfähigkeit muss erhalten bleiben
Kurse von Anleihen geben nach, denn Papiere, die schon am Markt sind, werden weniger wert, wenn neue Anleihen mit höheren Kupons angeboten werden. Als die Renditen von Mai auf Juni um einen halben Punkt stiegen, verloren solide Bundespapiere binnen sieben Wochen so viel, wie sie in drei Jahren an Gesamtrendite einspielen
Möglichst bis zur Fälligkeit der Anleihe disponieren, Kursverluste haben dann keinen Einfluss auf die Gesamtrendite
Unsolide Emittenten/Pleitekandidaten meiden, damit man nicht in Gefahr kommt, vorzeitig verkaufen zu müssen
Laufzeiten von drei oder vier Jahren bevorzugen, weil dann ein schrittweiser Wechsel in höher verzinsliche Papiere möglich ist
Das allgemeine Zinsniveau spielt logischerweise eine wichtige Rolle. Anleger sollten aber auch den Einfluss von Solvenzrisiken nicht unterschätzen, siehe derzeit etwa Portugal
Was spricht für Anleihen?
Bosomworth: Sie sind liquide, also ständig zu geringen Kosten handelbar. Und Anleihen sind keine Bankeinlagen.
Wer sie hält, muss nach einer Bankpleite nicht auf die Einlagensicherung hoffen?
Bosomworth: Genau. Was für Anleger zählt, ist Diversifikation, auch hier.
Mayer: Wer Anleihen oder Tagesgeld hält, wertet sein Vermögen heute schon ab, weil die Inflation über dem Zins liegt. Wahrscheinlich werden die Zinsen Ende des Jahres nicht viel höher sein als heute, sie werden über Jahre niedrig bleiben. Wir leben in einer zentral geplanten Geldwirtschaft. Es gibt keine Marktkräfte mehr, die die Zinsen frei bestimmen. Der US-Aufschwung trägt sich nicht selbst, er ist von der Notenbank gemacht, durch Kreditvergabe. Dreht die Fed den Geldhahn zu, fängt alles zu wackeln an. Die Realwirtschaft lässt steigende Renditen derzeit nicht zu.
Wachstum beobachten
Herr Lörper, Lebensversicherer brauchen höhere Zinsen, um die den Kunden garantierten Zinsen zu schaffen. Was tun Sie?
Lörper: Wir wollen nicht wetten. Aktuell warten wir ein bisschen, aber das darf ein Lebensversicherer nicht übertreiben. Ich kannte einen Kapitalanleger einer kleinen Gesellschaft, der war irgendwann mit einem Viertel seines Portfolios in Tagesgeld. Als die Zinsen nicht wie erwartet stiegen, hat ihn das hart getroffen.
Und langfristig bereiten Sie sich auf weiter niedrige Zinsen vor?
Lörper: Uns bleibt gar nichts anderes übrig. Deshalb haben Lebensversicherer zuletzt immer längerfristiger investiert, um höhere Zinskupons zu vereinnahmen.
So kommen Tagesgeld-Anleger durch das Zinstal
Sparer bekommen nur mickrige Zinsen, die bestenfalls die Inflation ausgleichen
Deutlich besser verzinste Angebote gibt es nur bei höherem Risiko, etwa von Banken mit exotischer Einlagensicherung
Allenfalls Angebote von Banken, die ihr Privatkundengeschäft ausbauen wollen, bieten noch einen kleinen Zinsaufschlag
Wer Geld auf der hohen Kante hat, kann langfristige Sparbriefe wählen, die noch über zwei Prozent Zins pro Jahr abwerfen
Keinesfalls auf windige Zinsangebote mit unberechenbarem Risiko reinfallen (Genussscheine, geschlossene Fonds)
Von der BaFin genehmigte Spareinrichtungen von Bau- und Wohngenossenschaften bieten noch gute Zinsen
Der Zinsrückgang wird gestoppt, Tages- und Festgeld bringen wieder mehr Ertrag
Wie bei Anleihen sind Sparer mit lang laufenden, niedrig verzinsten Sparverträgen gekniffen. Zwar sehen sie, anders als bei börsennotierten Anleihen, den Wertverlust nicht direkt. Aber im Vergleich zu den jetzt möglichen höher verzinsten Geldanlagen sind ihre Altverträge unattraktiv
Lang laufende Verträge meiden
Geld auf Tagesgeldkonten bunkern, deren Zins langsam mitsteigt. Erst wenn der Zinsanstieg abflaut, sind auch langfristige Zinsangebote wieder interessant
Niedrigzinsen sind für Sparer eine Zwickmühle. Die Devise der Stunde heißt: Kapitalerhalt. Mehr ist mit Spareinlagen nicht drin. Erst bei steigenden Zinsen hätten Sparer wieder mehr Optionen
Warum haben die Börsen so viel Angst vor dem Ende der globalen Gelddruckerei?
Kaldemorgen: Sie haben von der expansiven Geldpolitik lange sehr gut gelebt. Die Börsen hatten zwischenzeitlich korrigiert, weil Fed-Chef Ben Bernanke zugegeben hatte, dass der Kaiser keine Kleider mehr anhat und die Geldschöpfung irgendwann zu Ende sein muss. Auf der Anleiheseite haben Investoren daher vorsichtshalber ihre Positionen reduziert...
...aus Angst vor Verlusten, die bei steigenden Zinsen drohen.
Kaldemorgen: Ja, bei Anleihen ist das ein Automatismus. Aktienanleger aber sollten genau hinsehen, wie sich das Wachstum entwickelt. Gesunde Unternehmen können steigende Zinsen durch Einsparungen bei anderen Positionen und steigende Gewinne überkompensieren. In vielen Ländern treibt der Konsum das Wachstum, und der ist weniger zinsabhängig als die Nachfrage nach Investitionsgütern.
So kommen Aktien-Anleger durch das Zinstal
Niedrige Zinsen machen Aktien attraktiv im Vergleich zu anderen Anlageformen, besonders Staatsanleihen
Vor allem Aktien mit attraktiven Dividendenrenditen profitierten in den letzten Jahren von der Zinsdürre, da kapitalkräftige Großanleger wie Pensionsfonds sie gerne kaufen
Der Kapitalmarkt billigt Aktien höhere Bewertungen zu
Wer Geld längerfristig anlegen kann, sollte einen Teil davon weiterhin in Aktien stecken, je nach Risikoneigung etwa 20 bis 40 Prozent seines Geldes
Zuletzt reagierte die Börse immer weniger auf neue Zinssenkungen durch die Notenbanken; die Notenbank-Munition für die Börse bleibt zwar erhalten, nutzt sich aber in ihrer Wirkung offensichtlich ab. Wer bis jetzt überhaupt nicht in Aktien war, sollte daher nicht auf einen Schlag sehr viele Papiere kaufen
Ideal für Aktien sind die Bedingungen der letzten vier Jahre: niedrige Zinsen, viel Notenbank-Geld und leichte Inflation
Steigende Zinsen bedeuten, dass Kredite und Investitionen teurer werden
Bisher ging noch jedem Crash eine Zinswende voraus. Daher reagiert die Börse sensibel auf die Andeutungen der US-Notenbank von Mitte Juni, 2014 die Gelddruckprogramme zurückzufahren und die Zinsen anzuheben
Dividendenstarke Aktien großer Konzerne haben am meisten von den Niedrigzinsen profitiert; Großanleger kauften sie teils als Ersatz für Zinspapiere. Sie dürften es auch sein, die bei strafferer Geldpolitik am stärksten leiden, zumal sie schon sehr teuer sind
Anleger sollten Aktien generell zunächst meiden, wenn sich stärkere Zinserhöhungen andeuten; Aktien verlieren im Vergleich zu Zinspapieren heftiger
Langfristig führt an einem breit gestreuten Depot kein Weg vorbei, dazu gehören auch Aktien. Doch die Geldpolitik war nun schon sehr lange ideal – besser kann es kaum werden
Mayer: Die Märkte haben die Kreditvergabe in den USA und China als Konstante genommen. Jetzt stellen zwei der größten Gelddrucker diese Politik infrage. Natürlich fängt es dann an, zu rumpeln. Neu ist, dass die Chinesen die Ideen der österreichischen Schule der Nationalökonomie aufnehmen und sagen: Eine künstliche Kreditstimulierung führt in den Crash.
Dafür druckt Japan umso kräftiger.
Bosomworth: Dort sehen wir ein Experiment in Echtzeit.
Flossbach: Die japanische Notenbank druckt Yen im Wert von knapp 60 Milliarden Euro pro Monat. Das wäre so, wie wenn die EZB pro Jahr Anleihen für 400 Milliarden Euro aufkaufen würde. Unvorstellbar! Japan hat bereits eine Verschuldungsquote von 248 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – für das Land wird die Zinslast bei 2,0 bis 2,5 Prozent Rendite der Staatsanleihen unfinanzierbar. Ein Vertrauter der japanischen Regierung hat mir versichert, dass Japan die Renditen von Staatsanleihen künftig stabil unter einem Prozent halten will. Schaffen die das nicht, muss die Zentralbank noch mehr aufkaufen, um zu verhindern, dass die Anleiherenditen in Richtung des Todeszonen-Niveaus von 2,5 Prozent steigen. Das süße Gift der niedrigen Zinsen und des billigen Geldes hat nicht nur Aktien-Investoren abhängig gemacht...
...Sparer könnten gut darauf verzichten...
Flossbach: ...ja, aber die verschuldeten Staaten nicht. Die Verschuldung in Japan ist schon heute nicht mehr zurückzuführen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Sache außer Kontrolle gerät – wie bei einem Spiel mit dem Chemiebaukasten.
Was bedeutet das für die Welt?
Flossbach: Crasht Japan, wertet der Yen massiv ab. Japanische Produkte werden dann im Ausland noch viel billiger.
Kaldemorgen: Aber von diesem Crash sind wir noch weit entfernt.
Mayer: In Japan gäbe es einen Sprung der Inflationsrate. Oder Schuldenschnitt.
Inflation sickert auf die Gütermärkte
Kann der Punkt kommen, an dem die Notenbanken die Renditen nicht mehr im Griff haben; dass diese anziehen, obwohl die Notenbanken Anleihen kaufen?
Mayer: Natürlich – und zwar dann, wenn Inflationserwartungen aufkommen. Wir sind noch weit davon entfernt, aber wenn sie aufkommen und die Zentralbanken nicht mehr in der Lage sind, diese Erwartungen zu stabilisieren, sind ihnen die Hände gebunden. Sie können die Zinsen nicht anheben, weil sie Angst haben, dass das Gebäude der Vermögenspreise, das auf diesen niedrigen Zinsen steht, ins Wanken kommt – dann sehen die Leute, dass die Zentralbanken Kaiser ohne Kleider sind.
Flossbach: Die meisten Leute lachen doch, wenn Sie ihnen erzählen, es gebe keine Inflation. Ich habe zuletzt in Berlin ein halbes Dutzend Taxifahrer ausgehorcht. Für die ist das Thema Mietsteigerungen omnipräsent. Der größte Teil ihrer Ausgaben entfällt auf die Miete. Einer zahlt für seine Wohnung 750 Euro, der neue Nachbar für die gleiche Wohnung darüber schon 1150. Das sehen wir in allen Großstädten.
Kaldemorgen: Die Nebenkosten schlagen zu. Rüsselsheim hat von heute auf morgen die Grundsteuer verdoppelt. Das trifft Mieter, weil die Steuer umlagefähig ist. Und ich möchte nicht wissen, was 2014 mit der Stromrechnung auf uns zukommt.
Mayer: Es ist erstaunlich, was passiert, wenn man ein bisschen an den offiziellen Statistiken kratzt. Die Mietstatistik von Bulwien Gesa etwa erfasst sowohl Neu- als auch Altmieten. Das Statistische Bundesamt dagegen fragt immer nur seine Stichproben ab. Sind da Leute drin, die seit zehn Jahren in ihrer Wohnung wohnen, melden die jedes Mal null Steigerung. Die Neumieter aber gehen dem Amt durch die Lappen.
Lörper: Ich würde denen so viel handwerkliches Geschick zutrauen, dass die repräsentative Querschnitte haben.
Bosomworth: Letztendlich sickert die Inflation langsam von den Finanzmärkten über Sachwerte auf die Gütermärkte.
So kommen Baukredit-Anleger durch das Zinstal
Kredite bleiben günstig.
Das Kreditangebot ist groß, da auch Lebensversicherer ihr Geld aus Mangel an Anlagealternativen gern den Immobilienkäufern leihen
Gegen geringe Aufschläge Niedrigzinsen 15 bis 20 Jahre sichern
Käufer sollten eine hohe Tilgung wählen (mehr als anfängliche zwei Prozent), um Kredite zügig abzuzahlen
Eigentümer mit lang laufender, teurer Finanzierung sollten nach zehn Jahren ihr gesetzliches Kündigungsrecht nutzen und auf einen günstigeren Kredit umsatteln
Kredite werden teurer
Möglichst früh Kredit mit langer Zinsbindung wählen
Läuft der Kredit von Eigentümern bald aus, können sie einen Anschlusskredit festzurren (Forward-Darlehen). Für wenige Monate geht das ohne Zinsaufschlag
Für längere Zeiträume kostet der Service. Forwards für mehr als drei Jahre im Voraus sind auch bei steigenden Zinsen zu teuer
Kreditnehmer sollten sich die aktuell niedrigen Zinsen langfristig sichern. Das kostet derzeit nur geringe Zinsaufschläge und bringt Planungssicherheit
Herr Lörper, welchen Einfluss haben die Notenbanken auf die Anlageentscheidungen Ihrer Lebensversicherung?
Lörper: Wir haben durch die Notenbanken niedrige Zinsen – aber ehrlich, mir ist egal, woher das Problem kommt. Wir müssen uns damit arrangieren. Im klassischen Geschäft mit vertraglich garantiertem Zins sind unsere Optionen begrenzt. Wir können nicht stärker in Aktien investieren.
Mayer: Sie dürfen ja nicht.
Lörper: Regulatorisch würde es gehen. Wir dürften theoretisch 30 Prozent in Aktien stecken. Faktisch haben wir vielleicht zwei Prozent in Aktien. Lebensversicherer können Kursschwankungen an der Börse nicht gebrauchen, denn wir dürfen in keinem Jahr Verlust machen. Deshalb kommen wir aus den Zinsmärkten nicht heraus.
Wenn die Zinsen unter der Inflation bleiben, werde ich mit meiner Police real verlieren. Warum soll ich unterschreiben?
Lörper: Die klassische Lebensversicherung ist ein sehr sicheres Produkt. Der reale Ertrag wird jedoch nicht mehr so hoch sein wie in den vergangenen Jahrzehnten. Aber heißt das, dass die Leute nicht mehr für ihr Alter vorsorgen sollten? Es ist kein guter Plan, wenn ich sage, ich bekomme keine Zinsen, und deswegen spare ich nicht mehr. Wir wollen Kunden die Chance geben, wieder stärker an Kursgewinnen teilzuhaben. Daher bieten wir nun auch Policen ohne Garantiezins an. Die Chance auf mehr Ertrag bekommt der Kunde natürlich nicht ganz umsonst. Die Höhe der jährlichen Rückkaufwerte ist nicht garantiert.
Gelder managen lassen
Der Kunde bekommt nur garantiert, dass er seine eingezahlten Beiträge zurückbekommt. Das ist schön für die Versicherung. Das Risiko, ob er überhaupt etwas verdient, trägt der Kunde.
Lörper: Im Moment liegt der garantierte Zins für klassische Verträge bei 1,75 Prozent. Den Zins garantieren Lebensversicherer auf den Sparbeitrag, der nach Abzug der Kosten angelegt wird. Diese Kosten müssen wir mit unserer Kapitalanlage erst mal zurückverdienen. Bei 1,75 Prozent schaffen wir das nach 15 Jahren. Unsere Garantie ist durchaus wettbewerbsfähig.
Erst nach 15 Jahren würde ich, trotz Garantiezins, meine eingezahlten Beiträge zurückbekommen?
Lörper: Ja. In den ersten 15 Jahren der Vertragslaufzeit schneiden Kunden bei unseren neuen Produkten mit einer garantierten Rückzahlung besser ab als mit dem klassischen Garantiezins. Über einen längeren Zeitraum kann der garantierte Rückzahlungsbetrag geringer sein als das, was im klassischen Modell herauskommt.
So kommen Lebensversicherungs-Anleger durch das Zinstal
Lebensversicherer legen langfristig an: Niedrigzinsen machen sich so erst nach Jahren bemerkbar, wenn gut verzinste Bonds auslaufen und der Versicherer mehr schlecht verzinste gekauft hat
Je länger Zinsen unten bleiben, desto stärker sinkt die Überschussbeteiligung, die über den Garantiezins hinausgeht
Versicherer legen Geld nun länger an, das bringt höhere Zinsen. Doch so bleiben die Niedrigzinsen noch länger im Portfolio und schmälern die Rendite über Jahre
Fallen die Zinsen, können sich mehr Interessenten
Prüfen Sie, welchen Garantiezins Ihnen Ihr Versicherer vertraglich zugesagt hat, den muss er auf die Beiträge abzüglich Kosten mindestens zahlen – das Risiko niedrigerer Zinsen trägt dann der Versicherer. Alte Verträge mit bis zu vier Prozent Garantiezins sollte man daher in der Regel nicht kündigen
Wer seinen Vertrag vor 2005 abgeschlossen hat, hat höhere Steuervorteile als die Inhaber später unterschriebener Verträge; wer über eine Kündigung nachdenkt, sollte dies beachten
Kunden bleiben Niedrigzinsen lange erhalten: Da Versicherer langfristig anlegen, können sie schlecht verzinste Anleihen nach einer Zinswende nur sehr langsam gegen besser verzinste austauschen
Steigen die Zinsen, fallen die Anleihekurse, Kursverluste verschlechtern Ergebnisse der Lebenspolicen zumindest zeitweise
Erst nach einer sehr nachhaltigen Zinswende profitieren Versicherte wieder von dann deutlich höheren Zinskupons
Wer kündigt, riskiert hohe Verluste alleine schon deswegen, weil Versicherer nach einer Kündigung einen hohen Abschlag auf die eingezahlten Beiträge berechnen. Kosten für den Vertrieb werden in den ersten fünf Jahren abgezogen. Dieses Geld sehen Kunden nach einer Kündigung nicht wieder. Es kann sich daher lohnen, die Versicherung als langfristige Vorsorge zu sehen, die über die lange Laufzeit hohe und niedrige Zinsen ausgleicht
Je höher Garantiezins und Steuervorteile, desto sinnvoller ist es, am Altvertrag festzuhalten. Neu abschließen sollte nur, wer Kapital nominal erhalten und sich nicht mit Geldanlage beschäftigen will. Reale Verluste (nach Inflation) muss er dann hinnehmen
Vielleicht ist die Lebensversicherung nicht mehr das richtige Instrument...
Lörper: Ein derart hohes Sicherheitsniveau und eine lebenslange Rente bekommen Sie woanders nicht.
Flossbach: Ich würde es anders machen. Erstens kaufe ich eine Risikolebensversicherung, um meine Familie abzusichern. Zweitens baue ich mir ein Portfolio aus Anleihen. Ein Zehntel zehnjährige, ein Zehntel neunjährige, ein Zehntel achtjährige Anleihen und so weiter. So mache ich das, was die Lebensversicherer ohnehin tun, spare aber immense Kosten.
Lörper: Es ist aber ein Irrglaube, dass viele Menschen dazu in der Lage sind. Wer nicht gerade Volkswirt ist und Ahnung von den Märkten hat, sollte sein Geld managen lassen. Wir übernehmen das. Menschen wollen sich meist nicht damit beschäftigen.
Flossbach: Das ist ignorant.
Lörper: So würde ich das nicht sagen.
Flossbach: Viele Menschen sind finanziell gesehen ungebildet!
Lörper: So schon eher.
Was Anleger jetzt beachten sollten
Die seit Jahrzehnten fallenden Zinsen haben ihren Tiefpunkt erreicht
Die Zinswende wird, wenn überhaupt, aber nur sehr verhalten ausfallen
Weil die verschuldeten Staaten keine hohen Zinszahlungen stemmen können, werden die Notenbanken die Zinsen noch lange weit unten halten
Sehr sichere Anleihen, Tages- und Festgeld bringen weniger als die Inflationsrate, real schmilzt hier Vermögen
Solide Anleihen sind dennoch oft besser als Geld auf dem Konto, das Risiko, dass die Bank pleitegeht, fällt weg
Dividendenstarke Aktien von Weltkonzernen sind attraktiver als sichere Anleihen und auf Sicht von zehn Jahren auch nicht riskanter
Der US-Dollar wertet zum Euro auf, das spricht für US-Aktien
Die Gelddruckorgien der Notenbanken gefährden das Papierwährungssystem. Anleger sichern sich mit Gold ab
Nach dem Crash ist Gold langsam, aber sicher wieder kaufenswert für Anleger, die noch keines besitzen
Für Lebensversicherungen spricht nicht die Rendite, sondern nur noch, dass sie für Anleger bequem sind und ihnen den Kapitalerhalt garantieren
Herr Kaldemorgen, was mache ich, wenn ich keine Lebensversicherung haben will?
Kaldemorgen: Interessant sind Dividendenaktien. Historisch kann man belegen, dass fast die Hälfte des Aktienertrags aus der Ausschüttung kommt. Die hat man dann jedes Jahr sicher. Die Option auf Kursgewinne kommt dazu. Auf der Zinsseite kommt man auch gut mit Unternehmensanleihen hin, die einem je nach Qualität das Doppelte bis Dreifache von Bundesanleihen bieten.
Bosomworth: Für das Dreifache muss man aber lange suchen und in der Bonität sehr weit runtergehen.
Mayer: Es ist eine Illusion, zu glauben, man könne mit sicheren Anlagen schöne Renditen erzielen. Wenn ich nicht ins Risiko gehe und nach höheren Renditen suche, sehe ich mein Vermögen jetzt ganz langsam abschmelzen, wie einen Gletscher.
Herr Flossbach, wie hält der Vermögensverwalter den Gletscher groß?
Flossbach: Mit einem Portfolio aus Aktien solider Unternehmen und Dividendenrenditen von drei Prozent. Bei dem Portfolio muss schon extrem viel passieren, dass ich in zehn Jahren schlechter abschneide als mit Anleihen. Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Kurse so stark fallen, dass der Renditeunterschied, den Aktien gegenüber Anleihen haben, mehr als aufgezehrt wird.
Lörper: Warum hat dann der Dax inklusive Dividenden nach zwölf Jahren den Stand von 2001 gerade mal überschritten? Irgendwie hat das doch nicht funktioniert!
Sparer könnten die Dummen bleiben
Flossbach: Sie leben zu sehr im Dax. Das liegt vielleicht daran, dass man als deutscher Versicherer sehr stark heimatbezogen ist – insofern teilen Sie das Denken und das Schicksal des deutschen Privatinvestors. Sie finden im Dax relativ wenige dieser dividendenstarken und konjunkturresistenten Aktien. Deshalb kaufen wir mehr in den USA, in der Schweiz und in England. Die Schweizer Nestlé bringt 3,4 Prozent Dividendenrendite, der Bund derzeit 1,7 Prozent Rendite. Rechnen Sie den Unterschied mal über zehn Jahre, dann brauchen Sie sich keine Sorgen machen, dass Sie mit Aktien schlechter abschneiden als mit Anleihen. Aber Sie müssen zehn Jahre durchhalten – da haben Versicherer einen Nachteil.
Kaldemorgen: Nimmt man den Dax von 1993 bis heute, liegt er inklusive Dividendenrendite ziemlich genau bei acht Prozent Rendite pro Jahr.
Mayer: Die Deutschen haben leider wenig aus ihren Ersparnissen gemacht. Der Deutsche scheut die Aktie und hat keine Immobilie. Im Gegensatz zu Italienern und Spaniern, die über Jahre ihre Immobilienvermögen real haben wachsen sehen.
Bosomworth: Das ist doch nur eine Verteilungsfrage. In jedem Land gibt es einen Immobilienbestand, weil jeder Mensch irgendwo wohnt. Irgendjemandem müssen die Immobilien gehören.
Mayer: Die Vermögensverteilung bei Immobilien ist äußerst ungleich. Und die Mehrheit an den Dax-Unternehmen gehört Ausländern. Der durchschnittliche Deutsche kriegt also nichts mit von der schönen Wertsteigerung, weil er über die Jahre falsch investiert hat.
Kaldemorgen: Na ja, schauen Sie mal, wie viel die Leute allein mit der T-Aktie verloren haben. In Deutschland ist das Aktienthema dumm gelaufen.
Lörper: Die Menschen wollen eben nicht ins Risiko gehen.
Flossbach: Aber ist das Sparbuch eine Alternative? Da werde ich nie hohe Zinsen bekommen. Sollte es da mal drei Prozent geben, wo stehen dann Bundesanleihen? Und spanische Staatsanleihen? Bei acht Prozent? Dann ist Game over!
So kommen Anleger in Hochzins-Unternehmensanleihen durch das Zinstal
Hochzinspapiere sind relativ attraktiv, da finanzstarke Emittenten nur extrem niedrige Zinsen zahlen
Gerade schwach beleumundete Schuldner sind auf steigende Preise für ihre Produkte angewiesen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Signalisieren die Niedrigzinsen gar eine Phase fallender Preise (Deflation), steigt das Pleiterisiko erheblich
Unternehmensanleihen im Rahmen der Streuung des Depots beimischen
Deutet sich eine Phase fallender Güterpreise an, sollten Anleger ihre Hochzinsanleihen verkaufen und keine Neuengagements eingehen
Bei steigenden Zinsen bieten Hochzinspapiere und Schrottbonds etwas Schutz vor sehr hohen Kursverlusten, weil sie einen relativ hohen Kupon bieten
Allerdings kommen lang laufende Papiere spätestens dann unter Druck, wenn sich neue Papiere gut beleumundeter Schuldner im Zins den Kupons alter Schrottbonds deutlich annähern
Papiere mit einer Bonität knapp unterhalb der Investitionsklasse mit einer Laufzeit bis zu rund vier Jahren sind attraktiv
Allgemeine Konjunktur- und Branchenprobleme oder individuelle Fehlgriffe des Managements bedrohen Hochzinsbonds generell
In Phasen halbwegs erträglicher Konjunktur und fallender Zinsen sind Hochzinsbonds perfekt. Diese Kombination dürfte es aber in den kommenden Jahren selten geben, wenn überhaupt
Wenn man Sie so hört, stecken Sparer ganz schön in der Klemme.
Flossbach: Genau!
Ist Geld ausgeben eine Alternative?
Kaldemorgen: Wer spart, könnte am Ende der Dumme sein. Die Zeit wird kommen, in der die Politik wieder der Umverteilung das Wort redet; von denen, die gespart haben, zu den anderen. Sparer unterliegen einer enormen Vermögensillusion, denn was sie 20 Jahre gespart haben, wird irgendwann besteuert. Das ist gefährlich.
Wenn alle ihr Geld ausgeben, wächst immerhin die Wirtschaft.
Flossbach: Das nennt man Crack-up-Boom. In Japan ist das bei Luxustaschen längst passiert. Weil der Yen zum Dollar abwertete, war klar, dass importierte Louis-Vuitton-Taschen teurer werden. Alle kauften sie, dann kam die Preiserhöhung. Langlebige Güter zu kaufen – Auto, Waschmaschine, Möbel – ist nicht so dumm.
Mayer: Wenn wir Sparer entmutigen, sie über finanzielle Repression und Steuern schröpfen, kann die Wirtschaft nicht wachsen. Ersparnis finanziert Investitionen. Wir dürfen den Sparer nicht kaputt machen.
Wie sollen vorsichtige Anleger sparen?
Mayer: Ich überlege mir, was ich später brauche. Dann baue ich mir eine Leiter aus Anleihen. In zehn Jahren muss ich meine Rente um so und so viel aufstocken, also brauche ich eben eine Anleihe, die dann ausbezahlt wird. So kann ich das bis zum Lebensende aufbauen.
Flossbach: Da müssen Sie aber auf die richtigen Schuldner setzen!
Lörper: Und woher kennen Sie Ihr Lebensende? Nur die Lebensversicherung zahlt Ihnen auf unbegrenzte Zeit Ihre Rente.
Mayer: Meine laufenden Verpflichtungen kann ich so decken. Und den Rest, von dem ich nicht weiß, wann ich ihn brauche, packe ich in Aktien. Am Anfang des Erwerbslebens hat man relativ viele Aktien. Später werden es weniger.
Geldanlage mit vielen Säulen
Herr Kaldemorgen, wie legen Sie an?
Kaldemorgen: Ich möchte Schwankungen möglichst gering halten. Das begrenzt den Aktienanteil. Wenn ich Aktien kaufe, lege ich Wert auf hohe Dividendenrendite, mir kommt es weniger auf die Kursentwicklung an. Ein Großteil meines Vermögens steckt in Unternehmensanleihen. Die haben den Vorteil, dass ich nicht jeden Tag den Kurs bewerten muss. Ich weiß, wann der Kupon bezahlt wird. Immobilien spielen eine Rolle, aber das ist eine Frage der Diversifikation. Je weniger Sie anzulegen haben, desto schwieriger sind Immobilien. Die machen auch eine Menge Arbeit.
Wie häufig überdenken Sie bei Ihren Einzelaktien die Auswahl?
Kaldemorgen: Da ich als Fondsmanager strengen Regeln unterliege, verbietet es sich von selbst, groß umzuschichten. Ab und zu schaue ich, ob das Investment strukturell noch in Ordnung ist.
Bosomworth: Meine private Geldanlage besteht aus vier Säulen. Liquidität steckt in europäischen Anleihefonds. Mein Aktienanteil ist sehr überschaubar. Ich habe auch Immobilien. Und dann habe ich eine inflationsgeschützte Lebensversicherungspolice, vor mehr als 20 Jahren abgeschlossen.
So kommen Immobilien-Anleger durch das Zinstal
Fallen die Zinsen, können sich mehr Interessenten eine Immobilienfinanzierung leisten
Die Rendite vermieteter Immobilien wird im Vergleich zu Zinsanlagen attraktiver, das steigert die Nachfrage
Es gibt immer weniger Verkäufer, denn auf dem Tagesgeldkonto brächte ihnen der Verkaufserlös kaum Ertrag. Auch das treibt die Preise
Immobilieneigentümer können sich über Wertsteigerungen freuen
Kaufwillige können in Ruhe nach dem richtigen Objekt suchen, ohne steigende Kreditzinsen fürchten zu müssen (siehe Baukredite)
Lange Laufzeit (15 Jahre oder mehr) vereinbaren und Zinsersparnis für höhere Tilgung nutzen
Anfangs drängen noch Käufer in den Markt, die kaufen wollen, bevor die Kreditraten für sie nicht mehr zu stemmen sind
Nach diesem kurzen Schlussverkauf sinkt die Nachfrage. Das Angebot steigt, weil vermietete Immobilien im Vergleich zu Zinsanlagen weniger attraktiv werden. Sinkende
Nachfrage bei steigendem Angebot lässt die Immobilienpreise fallen
Kaufwillige, die Kredit brauchen, sollten sich sputen
Steigende Zinsen sind aber kein Grund, überteuerte Immobilien zu kaufen
Immobilieninvestoren, die ohne Kredit auskommen, sollten den ersten Schlussverkauf abwarten
Eigentümer können sich im Voraus niedrige Zinsen für den Anschlusskredit sichern (siehe Baukredite)
Eigentümer profitieren von fallenden Zinsen, die preistreibend wirken. Käufer haben weniger Vorteile, da steigende Kaufpreise die niedrigen Kreditraten teilweise ausgleichen. Steigende Zinsen belasten den Markt generell
Herr Lörper, wie viele Lebensversicherungen haben Sie?
Lörper: Einige, und ich werde jetzt auch noch eine kaufen. Ansonsten bin ich sehr simpel unterwegs. Ich mische und streue. Aber ich bin bei uns ja nicht der Kapitalanleger, sondern der Versicherungsmathematiker. Ich kümmere mich also hinterher wenig um meine Investments, sondern vertraue darauf, dass die Idee des Liegenlassens nicht so schlecht ist.
Wie investieren Sie, Herr Flossbach?
Flossbach: Ich wäre ein schlechter Manager, wenn ich mein Geld nicht in meine eigenen Fonds stecken würde. Schwerpunktmäßig steckt es in Aktienfonds. Ich habe ein Haus und ein Auto, aber die betrachte ich nicht als Investition.
Und Gold?
Flossbach: Natürlich, und zwar in Barren.
Der Preis ist stark gefallen. Kaufen Sie?
Flossbach: Ja, ich habe beim Preis von 1200 Dollar pro Unze zum ersten Mal in dieser Korrekturphase nachgekauft. Für mich ist Gold aber kein Investment, sondern eine Absicherung. Eigentlich ist es mir zuwider: Es schüttet nichts aus, es ist destruktiv, es aus dem Boden zu holen und gleich in den Tresor zu legen. Aber heute macht Gold mehr Sinn denn je. Man sollte nie 50 Prozent seines Vermögens reinpacken, aber es gibt Szenarien – und möglicherweise wird eins davon in den nächsten zwei bis fünf Jahren Realität –, in denen Sie froh sein werden, Gold zu haben.
Was ist mit börsengehandelten Goldfonds, die mit Gold gedeckt sind?
Flossbach: Die Fonds sind Mitauslöser der Korrektur gewesen. Sie sind in den Händen von Finanzinvestoren, die sie nicht aus Sicherheitsgründen kaufen, sondern weil sie Kursgewinne wollen. Weil sie plötzlich mehr Chancen bei Aktien sahen, haben sie umgeschichtet, und die Fonds haben gigantische Mengen verkauft. Deshalb ist der Goldpreis so stark gefallen. Börsengehandelte Fonds sind gut, um schnell von einer Goldpreissteigerung zu profitieren. Allerdings: Kommt es zum Schwur, muss man überzeugt sein, dass die tatsächlich alle so viel Gold liefern können, wie versprochen.
Welche Fonds empfehlen Sie?
Flossbach: In Europa gibt es den ZKB ETF auf Gold. In Amerika den SPDR.
Mayer: Xetra Gold.
Bosomworth: Ist das steuerpflichtig?
Flossbach: Doch, doch. Durch Gold gedeckte Fonds sind steuerpflichtig, physisches Gold nur im ersten Jahr nach dem Kauf. Wer kaufen will, für den ist jetzt eine gute Zeit gekommen. Alles, was man braucht, um so ein Tief auszuloten, ist erfüllt, inklusive eines überbordenden Pessimismus. Wir sehen eine Bodenbildung.
Nicht manipulierbares Gold
Herr Lörper, haben Sie auch Gold?
Lörper: Nein. Aber die Argumente klangen gut, ich werde noch mal darüber nachdenken.
Flossbach: Mit Gold kann Ihnen nicht passieren, was mit einer Lebensversicherung passiert wäre im letzten Jahrhundert – dass Teile des Vermögens plötzlich einen massiven Kaufkraftverlust erleiden.
Lörper: Das weiß ich nicht. Jemand muss mir das erklären. Ich habe ein Material, das zu relativ wenig nütze ist. Das in Tresoren lagert. Das ist doch total künstlich, Leute!
Kaldemorgen: Geld ist auch künstlich!
Mayer: Gold ist Geld.
So kommen Gold-Anleger durch das Zinstal
Gold bringt keine Zinsen, je niedriger der Realzins, desto attraktiver, weil Anleger mit Alternativanlagen zu Gold auch nichts verdienen
Gold als Versicherung für schwierige (Währungs-)Phasen beimischen
Gold wird, gemessen an Alternativanlagen (insbesondere Zinsanlagen), weniger attraktiv
Versicherungsfunktion wird auch in Zeiten steigender Zinsen benötigt
Physisches Gold halten, möglicherweise in Übergangsphasen, um Nerven zu schonen, mit Zertifikaten absichern
Bei starkem Zinsanstieg zu Spekulationszwecken gehaltene Goldfonds und -zertifikate verkaufen
Bietet Schutz vor Turbulenzen des Währungssystems, etwas physisches Gold sollte in jedem Zinsszenario gehalten werden
Kaldemorgen: Es ist nicht manipulierbar.
Lörper: Es hat aber keinen Gebrauchswert.
Kaldemorgen: Die Menge von Gold auf dem Planeten ist fix. Und es kann keine Notenbank sagen, wir drucken morgen mal ein bisschen mehr Gold.
Flossbach: Ich habe Gold sogar im Mund. Der Gebrauchswert von Gold ist höher als der des Fetzens Baumwolle, der in Form von Bargeld in meinem Portemonnaie steckt. Das ist nichts wert, es ist nur ein Abkommen. Und in digitaler Form ist Geld nur eine Forderung – wie die Kollegen in Zypern unlängst erkennen mussten. Das und seine mehrere Tausend Jahre alte Historie sprechen für Gold. Es ist ein Wunder, dass Menschen diese unglaubliche Affinität zu Nominalwerten haben, die die Deutschen zweimal in den Ruin getrieben hat.
Mayer: Ich sehe Gold als Geld. Nach dem Mittelalter hat es sich durchgesetzt. Es gab den Goldstandard. Erst seit 1971 haben wir das System des künstlichen Geldes, des aus dem Nichts geschaffenen Geldes! Jahrhunderte vorher war das Geld entweder Gold oder an Gold gebunden. Seit 1971 war das künstlich geschaffene Geld schon einige Male in der Krise. Da würde ich doch sagen, dass ich von diesem Geld, das sich in der Vergangenheit bewährt hat, mal ein bisschen was halten sollte.
Flossbach: Relativ zu anderen Anlagen, auch zu Aktien, ist Gold im Moment nicht teuer. Gold kann man auch gut in Öl messen. Im Schnitt der letzten 40 Jahre konnte man 17 Barrel Öl pro Unze Gold kaufen. Ein Barrel kostet heute rund 100 US-Dollar, 17 mal 100 ist 1700. Aber eine Unze Gold steht bei 1250 Dollar.
Herr Bosomworth, haben Sie kein Gold?
Bosomworth: Ich habe es verkauft.
Wann?
Bosomworth: Zu früh. Charttechnisch dürfte Gold bei 900 Dollar interessant sein.
Herr Mayer, wenn wir Sie richtig verstanden haben, kaufen Sie privat auch Gold.
Mayer: Für mich ist Gold eine Versicherung dagegen, dass dieses künstliche Geldsystem aus dem Ruder läuft. Die Zentralbanken werden nicht mehr in der Lage sein, Geld stabil zu halten. Sie kommen aus dieser Falle nicht raus. Ihr Mantra ist: Wir halten die Inflationserwartung stabil. Aber das würde bedeuten, sie müssten die Zinsen hochnehmen. Können sie das noch? Das ist jetzt der Test. Ich traue es den amtierenden Leuten nicht zu, das Geldsystem zu verteidigen.