Katharina Sachse Was den perfekten Anleger ausmacht

Erfolgreich investieren, das kann nicht jeder. Wirtschaftspsychologin Katharina Sachse weiß, welche Persönlichkeit hilfreich ist – und wie sich ungünstige Charaktereigenschaften kompensieren lassen.

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Psyche: Geldanlage ist Kopfsache. Quelle: Getty Images

WirtschaftsWoche: Frau Sachse, welche Eigenschaften sollten erfolgreiche Anleger mitbringen?
Katharina Sachse: Menschen mit einer hohen Gewissenhaftigkeit treffen bessere Anlageentscheidungen. Sie gehen eher analytisch vor und sind der Überzeugung, dass sie die Kontrolle über ihre finanziellen Geschicke haben. Außerdem sind sie weniger anfällig, kurzfristige Gewinne mitzunehmen, da sie geduldiger sind und Belohnung aufschieben können. Deshalb sorgen sie auch besser für das Alter vor. Extrovertierte Menschen sind im Vergleich zu eher introvertierten risikofreudiger bei ihren Anlageentscheidungen. Introvertierte suchen hingegen nach Sicherheit und scheuen riskantere Anlageformen. Das ist in heutigen Niedrigzinszeiten sehr nachteilig.

Katharina Sachse Quelle: Tom Schulte, FOM

Welche Persönlichkeitseigenschaften sind hinderlich?
Neurotizismus ist problematisch.

Was fällt alles darunter?
Neurotizismus ist der Begriff für emotionale Labilität. Menschen, bei denen diese Charaktereigenschaft stark ausgeprägt ist, neigen zur Nervosität, sind ängstlich, unsicher und launenhaft. Außerdem reagieren sie sensibel auf Stress und tendieren dazu, dauerhaft unzufrieden zu sein.

Wie verhalten sich Neurotiker als Anleger?
Sie gehen nicht analytisch vor. Sie sind davon überzeugt keinen Einfluss auf den Lauf der Dinge zu haben, sondern den Geschehnissen ausgeliefert zu sein. Außerdem sind sie eher ängstlich und nehmen daher Gewinne zu schnell mit, da sie befürchten, es könnte wieder bergab gehen. Im Gegenzug sitzen sie Verluste lange, oft zu lange, aus. Vermutlich, weil sie sich scheuen, die Verluste zu realisieren und damit dem negativen Ausgang ins Auge zu blicken.

Zur Person

Wie können hinderliche Eigenschaften ausgeglichen werden?
Durch finanzielle Bildung: Menschen mit besserem Finanzwissen und mehr Anlageerfahrung sind aktiver bei der Informationsnutzung und treffen eher Anlageentscheidungen, die langfristig erfolgsversprechender sind. Neurotischen Anlegern könnte man empfehlen, ihre Vermögensverwaltung in professionelle Hände zu geben oder nur in sichere Anlageformen zu investieren.

Gibt es überhaupt den perfekten Anleger?
Was genau verstehen wir denn unter einem „perfekten Anleger“? Ist es jemand, der kurzfristig seinen Gewinn optimiert? Jemand, der rationale Entscheidungen trifft? Jemand, der einfach Glück hat und dadurch hohe Renditen erwirtschaftet? Oder jemand, der jede Empfehlung seines Anlageberaters umsetzt? Wissen über die Ausprägung der Persönlichkeit reicht allein jedenfalls nicht aus, um Anleger zu beurteilen oder ihr Verhalten vorherzusagen. Weitere Aspekte sind hier die finanzielle Bildung, das Vermögen beziehungsweise die finanzielle Situation sowie die Rahmenbedingungen, zum Beispiel die Kapitalmarktsituation oder die Rentenpolitik.

„Manche Menschen brauchen Nervenkitzel, um sich wohlzufühlen“

Macht es Menschen glücklich, Aktien zu halten?
Manche Menschen brauchen Aufregung und Nervenkitzel, um sich wohlzufühlen. Diese könnten durchaus psychisch davon profitieren, in riskante Anlageformen zu investieren. Einen großen Einfluss hat aber sicher auch das Interesse und die Motivation, sich mit Aktienhandel zu beschäftigen. Sehe ich es als notwendiges Übel an, das mir Zeit für Dinge raubt, die ich eigentlich viel lieber tun würde, beispielsweise Zeit mit der Familie zu verbringen -  dann macht es sicher nicht glücklich. Finde ich es aber spannend und tue ich es freiwillig, dann kann die Beschäftigung mit Aktien durchaus der Bedürfnisbefriedigung und damit dem Wohlbefinden dienen. Auch Anleger, die seltener nach ihrem Portfolio schauen, „leiden“ weniger als diejenigen, die häufig schauen. Wenn ich täglich die Wertentwicklung verfolge, sehe ich viel mehr Ups und Downs. Da die Downs subjektiv schwerer wiegen als die Ups, bleibt in der Summe eine negative Empfindung, selbst wenn sich der eigentliche Wert gar nicht verändert.

Wie kann man lernen finanzielle Verluste zu ertragen?
Es gibt zwei grundsätzliche Bewältigungsstrategien: die problemorientierte und die emotionsorientierte  Strategie. Bei der problemorientierten Strategie wird versucht, das Übel an der Wurzel zu packen und das Problem zu beseitigen. Der Anleger würde hier beispielsweise sein Portfolio umschichten. Bei der emotionsorientierten Strategie wird hingegen versucht, die mit dem Verlust verbundenen negativen Gefühle zu reduzieren. Hier würde der Anleger die Verluste aussitzen und nicht mehr hinschauen, oder er redet sich ein, dass alles gar nicht so schlimm ist.

Was klappt besser?
Das hängt zum einen von der Situation ab: Kann ich das Problem beseitigen oder nicht? Zum anderen aber auch von der Persönlichkeit. Hier zeigt die Forschung, dass gewissenhafte Menschen eher problemorientiert vorgehen, während Menschen mit einer hohen Ausprägung des Neurotizismus eher emotionsorientiert handeln. Beide Strategien reduzieren das Unwohlsein bei Verlusten. Die problemorientierte Bewältigungsstrategie ist jedoch erfolgsversprechender wenn es darum geht, künftige Verluste zu minimieren. Diese Strategie kann erlernt werden. In Unternehmen werden Stressmanagementkurse angeboten, bei denen Mitarbeiter den Umgang mit belastenden Situationen erlernen können. Ähnliches könnte man sich auch für Anleger vorstellen.

Warum können manche Menschen besser mit finanziellen Verlusten umgehen als andere?
Auch hier machen sich Persönlichkeitsunterschiede bemerkbar. Manche Menschen verharren emotional und gedanklich bei dem Verlust. Andere Anleger sind hingegen eher handlungsorientiert und suchen bei Misserfolgen nach Lösungen und Handlungsalternativen. Sie gehen somit aktiv mit der Situation um. Dadurch haken sie Verluste schneller ab.

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