Carsten Rodbertus, weißes Hemd, braune Samtjacke, helle Jeans, das lange Haar zu einem Zopf geflochten, kaut Kaugummi. Ein zartes Lächeln umspielt seine Lippen, als er von der Menge vor dem Saal des Wiesbadener Hotels Dorint Pallas aufgesogen wird. Andächtig lauschen die Fans seinen Worten zur Energiewende. Dreimal versucht ein Mitarbeiter, ihn aus der Menge herauszubugsieren. „Sie müssen jetzt wirklich rein, Herr Rodbertus.“ Der drückt sich kurz in eine Ecke, lässt sein Kaugummi verschwinden. Die Show kann beginnen.
Um die 300 Fans, viele über 60, waren zu dieser Werbeveranstaltung des Windpark-Betreibers Prokon gekommen. Hunderte Präsentationen hat es in den vergangenen Jahren gegeben, stets nach dem gleichen Muster: Prokon-Chef Rodbertus erklärt in zwei Stunden, wie er mit Windkraft, Pflanzenöl und Paletten jedes Jahr sechs bis acht Prozent Zinsen für Anleger heraushole – und warum eine Investition in Prokon eine sichere Sache sei.
Sätze wie: „Ein Windpark kann kein wirtschaftliches Risiko entwickeln“ oder „bei dem Geschäft kann man so viel nicht falsch machen“ fallen. Viele gutgläubige Ökoidealisten im Publikum nicken – und werfen Rodbertus willig ihr Geld hinterher.
Nun ist die Show vorbei. Alle, die vor zwei Jahren noch eifrig genickt haben, bangen heute um ihr Geld.
Schon lange ist klar: Prokon hat Probleme, schüttet seit Jahren viel mehr Zinsen aus, als Rodbertus mit Windparks verdient. Ein Verlust von 171 Millionen Euro im Jahr 2012, den Prokon kürzlich bekannt gab, ließ viele Inhaber von Genussrechten panisch ihre Verträge kündigen. Weil zu viele Anleger das Weite suchten, setzte Prokon den Inhabern von Genussrechten Mitte Januar die Pistole auf die Brust. Wenn nicht 95 Prozent der Anleger ihr Geld im Unternehmen beließen, drohe die Pleite. Laut Prokon sollen Anleger aber bereits Genussrechte im Wert von fast 105 Millionen Euro gekündigt haben (Stand: 21.01.2014, 15 Uhr). Bei einem Gesamtvolumen von 1,4 Milliarden Euro wären das rund 7,5 Prozent, also mehr als die fünf Prozent, die maximal gekündigt werden dürften.
Nicht nur Prokon-Anleger bangen. Der graue Kapitalmarkt, auf dem skrupellose Finanzvertriebe Anleger in Produkte treiben, für die kaum staatliche Vorschriften existieren, steht vor dem Kollaps. Die Immobilienfonds von S&K (100 Millionen Euro; 10.000 Anleger), Töchter des Dresdner Finanzdienstleisters Infinus (400 Millionen Euro, 25.000 Anleger) sowie der Schiffs- und Immobilienfondsbetreiber Wölbern Invest (620 Millionen Euro; 40.000 Anleger) sind pleite. Investoren realisieren unter Schmerzen, dass außerbörsliche Beteiligungen tatsächlich die „wohl schlechteste Geldanlage der Welt“ sind. Seit Beginn der Finanzkrise zahlen Anleger immer weniger ein (siehe Grafik). Derzeit liegen noch 200 Milliarden Euro in den geschlossenen Fonds. Hinzu kommen Milliarden in Genussscheinen und anderen Vehikeln, die zunehmend die verrufenen Fonds ersetzen.
Und es gibt weitere Kandidaten, die eine Menge Fragen aufwerfen.