Zinsen sind nicht halal, also nicht erlaubt. Ebensowenig Geschäfte im Zusammenhang mit Alkohol, Schweinefleisch, Glückspiel, Pornografie oder Prostition. Nicht einmal spekulative Bankgeschäfte sind in den Augen gläubiger Muslime gestattet. Und trotzdem wollen an den Gesetzen des Islam – an der Scharia – orientierte Banken keine Wohlfahrtsorganisationen sein, sondern auch Gewinne erzielen. Wie das geht, will nun die erste islamische Bank Deutschlands, die Kuveyt Türk Bank (KT Bank), beweisen - und damit auch christliche Kundschaft gewinnen.
Zweieinhalb Jahre hat es gedauert, bis die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der KT-Bank die Vollbanklizenz erteilte. Kemal Ozan, Vorstandsvorsitzernder der KT Bank, führt das darauf zurück, dass beim Thema Islam-Bank Neuland betreten werde. "Das Management der KT Bank und der Kuveyt Türk handelt und plant langfristig und nachhaltig. Nur so ist eine Pionierleistung dieser Art möglich. Die Länge des Verfahrens ist der Natur der Sache geschuldet, da es hier ein bisher unbekanntes Geschäftsmodell einzuführen galt", sagte Ozan unserer Redaktion.
Die Schwerpunkte des „islamic banking“ liegen in Europa in London, global sind die meisten islamischen Banken in Malaysia und Bahrain angesiedelt. Bislang ist die KT Bank noch nicht in den christlich geprägten Ländern Europas präsent, obwohl die Mutter mit einer Bilanzsumme von 31 Milliarden Euro zu den größten Banken der Türkei gehört. "Die KT Bank hat sich nach gründlichen Recherchen bewusst für Deutschland entschieden", erklärt Ozan. "Nach einer Etablierungsphase ist geplant, auch in anderen Ländern in Kontinentaleuropa Islamic Banking Produkte und Dienstleistungen anzubieten."
Trotz der rund 4,5 Millionen in Deutschland lebenden Muslime war bislang "islamic banking" nur über Auslandsbanken möglich. In ihrer Zweigstelle in Mannheim bietet die Kuveyt Türk Katilim Bankasi seit 2010 leidglich das sogenannte Drittstaateneinlagenvermittlungsgeschäft an. Über die Zweigstelle konnten Kunden so ein Konto bei der türkischen Stammbank eröffnen. Gleichzeitig ermöglichte die Zweigstelle der Koran-konformen Bank damit den Markteintritt in Deutschland und die Beantragung der Vollbanklizenz.
Filiale in Köln soll folgen
Mit Erteilung der Lizenz wird das bisherige Geschäft in Mannheim in das neue Firmen- und Privatkundengeschäft der KT Bank integriert und das volle Produktspektrum über Firmen- und Privatkunden angeboten. Hauptsitz ist Frankfurt, Niederlassungen in Mannheim und Berlin sind in Vorbereitung, ein Kölner Standort soll später folgen.
In punkto Sicherheit bietet die deutsche Vollbanklizenz Kunden die Gewissheit, dass hinsichtlich der Eigenkapitalregeln, der Kontrollmechanismen und der Sicherheit die deutschen Mindestanforderungen erfüllt sein müssen. Die KT Bank nimmt als deutsches Geldinstitut somit auch am System der Einlagensicherung deutscher Banken teil.
Produkte und Dienstleistungen unterscheiden sich dabei im Ergebnis kaum von den Angeboten der Sparkasse um die Ecke. Allerdings ist der Weg oft ein anderer. Wer etwa ein Haus finanzieren möchte, aber im Sinne des Islam keine Zinsen zahlen darf, braucht eine Bank, die als Käufer der Immobilie fungiert.
Mit einem Aufschlag verkauft die Bank dann das Haus an den Kunden weiter und gestattet eine Ratenzahlung. Am Ende zahlt der Kunde wie bei einem Baukredit eine monatliche Rate, bis die Immobilie abbezahlt ist. Laut Koran erlaubt Allah zwar den Handel und damit auch eine Händlermarge, verbietet aber Zinsen für Geldverleiher.
Zinslose Bankgewinne
Doch wie kommt der Sparer zu einer Rendite und die Bank zu Überschüssen, wenn Zinsen keine Rolle spielen? Der Generalbevollmächtigte der Bank mit 70 Mitarbeitern, Ugurlu Soylu, betont: „Wir haben ein unverkrampftes Verhältnis zum Profit.“
Allerdings wirtschafte eine islamische Bank nicht mit virtuellen Anlagemöglichkeiten: „Jede unserer Transaktionen basiert auf dem Kauf eines realen Gutes, etwa eines Autos oder eines Hauses. Wir haben ein engeres Geschäftsfeld als konventionelle Banken, aber ein breiteres als die bisher in Deutschland aktiven ethischen Banken.“
Für das "islamic banking" gibt es daher eine Reihe speziell entwickelter Anlageinstrumente, die trotz religiöser Beschränkungen den Sparern eine Rendite ermöglichen.
Islam-konforme Finanzinstrumente
Takaful ist ein Konzept für islamische Versicherungen, bei dem das Gemeinwohl betont wird und das an Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit erinnert. Alle Versicherten zahlen in einen Topf, die Versicherung selbst erhält nur eine Bearbeitungsgebühr. Überschüsse werden zu gleichen Teilen an die Versicherungsnehmer ausgezahlt, bei Verlusten muss jeder Versicherte Geld nachschießen. Damit entsprechen Takaful dem islamischen Gebot der Risikoteilung. Takaful dienen der Absicherung von Risiken und der Vorsorge.
Sukuk sind anleiheähnliche Papiere, bei denen anstelle eines Zinscoupons eine Gewinnbeteiligung gezahlt wird. Wer einen Sukuk kauft, erwirbt damit eine Beteiligung - und hält sich so an das Zinsverbot des Islam. Sukuks gibt es in verschiedenen Varianten, häufig richten sie sich primär an Großinvestoren und sind daher nur ab hohen Mindestanlagesummen erhältlich.
Auch Murabaha ist eine islam-konforme Finanzierungsform und steht wörtlich für Gewinnaufschlag. Hierbei agiert die Bank als Zwischenhändler zwischen Käufer und Verkäufer. Sie erwirbt im Auftrag des Käufers das Objekt, zum Beispiel eine Immobilie, und verkauft dieses an den Käufer weiter. Dabei erhebt die Bank einen Preisaufschlag, der Kosten und Bankgewinn beinhaltet. Da es ein Handelsgeschäft und kein Geldgeschäft ist, entspricht diese Variante der Scharia.
Muscharaka bedeutet so viel wie Beteiligung und wird im Islamic Banking oftmals für Unternehmensgründungen, Projektfinanzierungen oder die Immobilienfinanzierung eingesetzt. Für eine größere Investition wird dazu ein Partner benötigt, der sich ebenfalls beteiligt und die Finanzierung so bestreitet. Dann wird der beteiligte Partner per Ratenzahlung ausbezahlt und bekommt darüber hinaus für die Nutzung seines Anteils eine Nutzungsgebühr. Somit können Hauskäufer und Finanzierungpartner das Zinsverbot einhalten.
Eine Art der Beteiligungsfinanzierung, vergleichbar mit der stillen Gesellschaft. Das ist ein Vertrag zwischen dem Kapitalgeber (z. B. Bank) und einem Unternehmen. Das Kapital kann sowohl in Form von Sachwerten als auch als Geld eingebracht werden. Der Unternehmer wird für seine islamkonforme Geschäftsführung erfolgsorientiert entlohnt, der Kapitalgeber erhält seinen Anteil am Gewinn. Der Kapitalgeber darf keinen Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen. Eine detaillierte Bewertung der Investition muss zwingend im Vorfeld erfolgen.
Eine Art Leasing-Finanzierung im Islamic Banking. Dabei wird der finanzierte Gegenstand gegen eine Nutzungsgebühr überlassen, bleibt aber auch im Eigentum des Geldgebers. Der Unterschied zum direkten Kauf ist, dass der Leasingnehmer nicht Eigentümer des Gegenstandes wird, sondern lediglich Nutzer.
Qard bezeichnet die islamkonforme Geldverleihung, ohne dass Gebühren oder Zinsen anfallen. Diese Leihgabe kann auch Basis für ein Girokonto sein, wird aber kaum angeboten. Dann könnte die Bank mit dem Geld Gewinne erzielen und so ihre Kosten erwirtschaften. Qard dient auch in Notlagen, um Zahlungsengpässe zu überbrücken. Dann ist die Leihgabe eher mildtätig.
Die Kreditvergabe erfolgt aus den Einlagen der Sparer. Der einzelne Sparer wird dafür an der durchschnittlichen Rendite aller Kreditgeschäfte beteiligt. Die Bankkunden werden damit zu Teilhabern der Bank, weshalb islamische Banken in der Türkei auch Beteiligungsbanken genannt werden.
Weisheit der religiösen Vorgaben
Im Unterschied zu konventionellen Häusern ginge es nicht um Zinsen, die an die konkrete Einlage des Sparers gekoppelt sind, sondern um einen Anteil an den Handels- und Beteiligungsgewinnen der Bank. Durch den zwischengeschalteten Einlagenpool würden die Risiken gleichmäßiger verteilt und Totalausfälle ausgeschlossen, erklärt Soylu. Das sei die Weisheit der religiösen Vorgaben. Der Stuttgarter Experte Hans-Peter Burghof sieht das „islamic banking“ vor allem im Kontrast zu börsennotierten US-Banken: „Der Gemeinschaftsgedanke steht dabei im Vordergrund.“
Auch aus Sicht von Matthias Casper vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster haben solche mehrstufigen Kaufverträge den Charakter eines westlichen Darlehensgeschäfts. Allerdings wirkt sich nach Überzeugung von Soylu ein solches Banking volkswirtschaftlich positiv aus: „Das stärkt die Realwirtschaft.“
Auch Rechtswissenschaftler Casper sieht beim „islamic banking“ das Risiko einer Spekulationsblase geringer als beim westlichen Banking. „Aber dass es gar keine Blasenbildung gibt, hat der Fall Dubai widerlegt“, sagt er mit Blick auf die Überhitzung der Immobilienpreise in dem Wüstenemirat. Ebenso wie Casper bringt Burghof dem Konzept Sympathie entgegen: „Das macht das Bankensystem vielfältiger und reicher.“
Über die Einhaltung der Scharia bei Transaktionen und Produkten wacht bei der KT Bank ein Ethikrat, dem Menschen mit islamwissenschaftlicher und wirtschaftlicher Qualifikation angehören. Anders als andere ethische Banken hat die KT Bank aber keine Positivliste wie etwa die Umweltbank.