Lebensversicherung Die populären Irrtümer der Versicherungskunden

Die niedrigen Zinsen setzen Lebensversicherer stark unter Druck. Kunden sollten sich aber vor Kurzschlussreaktionen hüten. Welche Klischees Versicherte hinterfragen sollten.

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Standmitteilung zu einer Lebensversicherung Quelle: dpa

Die niedrigen Zinsen greifen nicht nur das Geschäftsmodell von Banken an. Auch die traditionelle Form der in Deutschland überaus beliebten Lebensversicherung wird durch die faktische Abschaffung des Zinses zum Auslaufmodell. Doch langsam: Sparer sollten in dieser Situation nicht den Fehler machen, populären Irrtümern aufzusitzen. Aus bereits abgeschlossenen Lebensversicherungen sollte sich selbst wegen der hartnäckig niedrigen Zinsen niemand herausquatschen lassen. Genauso falsch ist es aber auch, sich auf die Gesetzgebungskompetenz der Regierung zur Rettung der Lebensversicherung zu verlassen.

Diese Versicherer bieten die höchsten Ablaufrenditen (Laufzeit: 20 Jahre)

Denn etwa die Ausschüttungssperre zum Schutz der Kundenansprüche läuft bei manchen Anbietern ins Leere. Und selbst bei einer Rückkehr zu normalen Zinsen würde sich die Finanzlage der Versicherungen nicht entspannen. Verbraucher sollten daher folgende Klischees und Halbwahrheiten rund um das Thema Lebensversicherung kritisch hinterfragen.

Lohnen sich Lebensversicherungen nicht mehr?

Mit diesem Argument gehen einige windige Anlageberater auf die Jagd nach Kunden. Sie überreden Verbraucher zur Kündigung ihrer bestehenden Lebensversicherung, weil diese wegen der sinkenden Garantiezinsen immer weniger Rendite abwerfen. Stattdessen sollen Anleger das Geld in Edelmetalle oder Aktien stecken, lautet der perfide Ratschlag. Bei einer solchen Umschichtung von Vermögen werden allerdings horrende Gebühren und Transaktionskosten fällig, die selbst Traumrenditen kaum wieder einspielen können.

Besonders ältere Kunden sollten sich vor solchen Finanzrochaden hüten. Sie bringen sich damit um die sichere Ablaufleistung ihrer Versicherungsverträge und gehen ein neues Risiko ein, dass sich, wenn überhaupt, erst nach fünfzehn oder zwanzig Jahren auszahlt. Freuen darüber kann sich höchstens der Anlageberater, der ein hohes Kopfgeld kassiert oder die Versicherung, weil sie jahrelang Beiträge eingezogen hat und ihr jetzt der ansonsten sicher bevorstehende Schadensfall erspart bleibt.

Wer also einen lukrativen Altvertrag besitzt, sollte erst mal nichts ändern. Denn die Versicherer müssen sich an ihre in der Vergangenheit abgegebenen Zusagen halten. Für Neuverträge dagegen hat der Staat den Garantiezins auf 1,25 Prozent gesenkt. Trotzdem zahlen viele Versicherer noch deutlich mehr als diesen Mindestanteil.

Diese Versicherer bieten die niedrigsten Ablaufrenditen (Laufzeit: 20 Jahre)

Helfen Ausschüttungssperren den Kunden?

Das Gesetz zur Reform der Lebensversicherung von 2014 sollte eigentlich verhindern, dass Versicherungen Dividenden an ihre Aktionäre zahlen, statt Versicherte an den Überschüssen zu beteiligen. Zu diesem Zweck wurde eine Ausschüttungssperre eingeführt. Diese greift jedoch nicht, wenn Versicherungstöchter großer Konzerne Gewinne vertraglich an ihre Mutterunternehmen abführen. Laut Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank haben 21 von 86 Lebensversicherungen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. „Das ursprüngliche Ziel der Ausschüttungssperre wird damit im Einzelfall konterkariert“, schreiben die Finanzstabilitätswächter. Das kritisiert auch der Finanzpolitiker Gerhard Schick (Grüne): „Die Finanzaufsicht müsste dafür sorgen, dass die Gewinne in den Unternehmen gehalten werden, um die schwache Kapitalausstattung zu korrigieren.“

Wäre ein Zinsanstieg die Rettung?

Wenn die niedrigen Zinsen das traditionelle Geschäftsmodell der Versicherungen in die Klemme bringen, müsste auf den ersten Blick alles wieder in Ordnung sein, wenn die Zinsen steigen. Tatsächlich würden die Kunden von den steigenden Zinsen profitieren, aber genau das wäre ein Problem für die Versicherer. Denn die Bundesbank befürchtet in einem solchen Szenario eine Kündigungswelle.

Der Grund: Während die festverzinslichen Papiere im Portfolio der Versicherer bei einem Anstieg der Marktzinsen an Wert verlieren, bleiben die den Kunden garantierten Rückkaufwerte der Verträge konstant. Das würde die Finanzlage der Versicherer weiter destabilisieren.

Sollten Lebensversicherungen weiter konservativ anlegen?

Vorbei sind die Zeiten, in denen Bundesanleihen oder andere festverzinsliche Schuldpapiere von Emittenten bester Bonität auskömmliche Renditen lieferten. Auch die Lebensversicherer haben daher ihr Anlageverhalten deutlich geändert und gehen höhere Risiken ein. So stieg der Aktienanteil in den Portfolien laut Bundesbank von 3,4 Prozent in 2013 auf 4,2 Prozent in 2015.

Auch der Anteil an Unternehmensbonds hat im gleichen Zeitraum von 6,2 Prozent auf 8,2 Prozent zugelegt. Das ist der einzige Ausweg, um noch genug Überschüsse zu erwirtschaften, aus denen die Ansprüche der Versicherten gedeckt werden können. Ein Verharren in sicheren Anlageformen würde die Renditelücke vergrößern und die Stabilität der Versicherungen weiter gefährden.

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