Sie sind jung, gut ausgebildet und die Hoffnungsträger der Wirtschaft: Young Professionals. Mit ihrem vergleichsweise hohen Einkommen gehören sie auch zu den Lieblingskunden der Bankberater. Denn die ersten Gehälter wollen angelegt werden, für die Zukunft muss vorgesorgt werden. Die Vermutung liegt nahe, dass Young Professionals aufgrund ihrer guten Ausbildung die Maschen der Finanzberater durchschauen und ihr Geld ausschließlich in transparente Anlageprodukte investieren. Das Gegenteil ist der Fall.
Eine Studie zeigt, dass auch gut ausgebildete Berufseinsteiger oft auf provisionslastige, intransparente Anlageprodukte zurückgreifen. Dies hat das Deutsche Institut für Portfolio-Strategie (dips) der FOM Hochschule im Rahmen einer Umfrage ermittelt. "Selbst Young Professionals durchschauen nicht, bei welchen Produkten Provisionen für die Berater fällig werden und bei welchen nicht", sagt Julius Reiter, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Leiter der Untersuchung. Dabei glaubt rund 80 Prozent der Befragten, sich in Sachen Finanzen gut auszukennen.
Unbekannter Renditekiller
"Provisionen sind besonders in einer Niedrigzinsphase wie der jetzigen ein absoluter Renditekiller", sagt Reiter. Doch das sei den Kunden nicht bewusst. Die Umfrage hätte gezeigt, dass auch junge Bankkunden nicht zwischen Produkten mit und ohne Provision unterscheiden. Mehr als 35 Prozent der Befragten hatte Geld in einen Bausparvertrag investiert, immerhin knapp 20 Prozent hat eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen - beides Anlageprodukte, bei denen die fällig werdende Verkäufer-Provision die Rendite schnell zu Nichte machen kann.
Dabei wird gerade Anlegern mit einer kaufmännischen Ausbildung, etwa einem BWL-Studium, oft unterstellt, sie müssten die komplexen Finanzprodukte durchschauen. "Klagen Anleger vor Gericht, wird ihnen oft das entsprechende Wissen unterstellt", sagt Anwalt Reiter. Die Ergebnisse der Studie zeigten aber, dass Finanzwissen nicht mit Kenntnissen über komplizierte Finanzprodukte gleichzusetzen seien. Angesichts der Tatsache, dass Young Professionals im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen über überdurchschnittlich hohe Kenntnisse im Finanzbereich verfügten, habe die Studie klaren Handlungsbedarf aufgezeigt. "Finanzprodukte brauchen einen Warnhinweis", sagt Reiter. Es müsse genau ersichtlich sein, wie hoch die Kosten des Produkts seien. Vor allem müssten Anleger erkennen können, wie viel von dem Geld tatsächlich investiert wird. Denkbar wäre also eine Art Ampel, wie sie auch für Lebensmittel geplant ist.
Beratungsprotokolle wirkungslos
Dabei sollten Beratungsprotokolle schon längst für mehr Transparenz beim Bankkunden sorgen. Seit Januar 2010 sind Bankberater dazu verpflichtet, das Gespräch mit dem Kunden zu dokumentieren. Die Position des Kunden sollte damit gestärkt werden, im Falle einer Falschberatung sollte das Protokoll die Klage erleichtern. Beispielsweise darf ein Bankberater seinem Kunden nicht mehr so einfach einzelne Aktien empfehlen. Erst wenn er entsprechende Empfehlungen der Aktienresearch-Abteilung eingeholt hat und das im Protokoll vermerkt, darf er auf lukrative Einzeltitel hinweisen.
Die Ergebnisse der Studie zeigten allerdings, dass das Protokoll seine Wirkung bisher verfehlt hat. "Das Beratungsdokument wird von den Young Professionals lediglich als bürokratischer Aufwand wahrgenommen", sagt Studienleiter Reiter. Es diene eher den Banken, die sich im Falle einer Verhandlung darauf berufen könnten. Der Kunde werde jedoch in die Erstellung des Protokolls nicht eingebunden und weiß auch nicht, welche Gestaltungsmöglichkeiten es für ihn gebe. "Das Protokoll hat bisher nicht für Transparenz gesorgt, es ist gescheitert, da der Kunde in der Praxis schlechter gestellt wird", sagt Reiter. Mehr als 40 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Protokollpflicht sich nicht positiv auf die Qualität der Beratung ausgewirkt hat. Lediglich rund 34 Prozent sehen einen positiven Effekt.
Was muss im Protokoll drinstehen?
Seit dem 1. Januar 2010 muss die Bank ein Protokoll über jede Anlageberatung erstellen. Darin muss stehen, wer um die Beratung gebeten hat. Wollte der Kunde einen Termin, hat der Berater ein Gespräch vorgeschlagen? Auch ob der Berater auf Wunsch seines Arbeitgebers bestimmte Produkte ansprechen soll, muss unter diesem Punkt aufgeführt sein.
Der Berater muss vermerken, wie lange das Gespräch gedauert hat.
Im Protokoll muss stehen, wie groß das Vermögen des potenziellen Kunden ist, ob er Schulden hat und falls ja, wie hoch sie sind. Außerdem gehört hinein, wie hoch das Einkommen ist.
Damit dem risikoaversen Investor nicht hochspekulative Papiere angedreht werden und es nachher heißt, man hätte von nichts gewusst, gehören die Kundenwünsche ins Protokoll: Welche Risikoneigung hat der Investor, wie viel Rendite will er – und: wie hat der Berater die Entscheidung beeinflusst. Wer wenig Risiko und wenig Rendite will und abschließend ein Pendant der Lehman-Zertifikate kauft, wurde höchstwahrscheinlich falsch beraten.
Alle Produkte, die ein Banker empfiehlt, müssen im Protokoll aufgeführt sein, auch wenn der Investor sich dagegen entscheidet. Außerdem müssen die Gründe, die laut Berater für ein Produkt sprechen, aufgelistet werden.
Die Initiatoren der Studie fordern daher, dass die Beweislast bei einer Anlegerklage beim Berater liegt. Dieser müsste dann beweisen, dass er bei der Beratung des Kunden dessen persönliche Anlageziele berücksichtigt hat, so die Autoren der Studie. Außerdem solle der Verkauf von Produkten mit Provision grundsätzlich nicht mehr unter dem Label "Beratung" erfolgen.
Keine Empfehlung für die Berater
Bemerkenswert ist auch, dass nur 53 Prozent der Studien-Teilnehmer ihren eigenen Finanzberater weiterempfehlen würde. Vertrauen sieht anders aus. Einer der Befragten sagte: "Ich habe selber als Berater bei der Commerzbank gearbeitet und weiß daher, dass die Bank ausschließlich auf eigene Interessen abzielt." Dabei beschreiben die Probanden ihr Verhältnis zum Berater insgesamt als vertrauensvoll, persönlich und rational.
Allerdings schließen einige Kunden zu schnell vom persönlichen Geburtstagsgruß des Beraters auf dessen Loyalität dem Kunden gegenüber. Vor allem durch soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter wissen Finanzberater heute teilweise deutlich mehr aus dem Privatleben ihrer Kunden als früher. Anleger sollten mit der Freigabe persönlicher Daten gegenüber dem Berater also vorsichtig sein. Insgesamt zeigt die Studie deutlich, in Puncto Transparenz in der Finanzberatung noch viel Luft nach oben ist.