Max Otte "Man darf Anlage-Gurus nicht unkritisch folgen"

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"Gold ist sowieso nicht zu teuer."

Welchem Einzelhändler trauen Sie denn zu, gegen Amazon zu bestehen?
Wir haben zum Beispiel Aktien wie Bed, Bath & Beyond, einen Händler für Haushaltswaren mit mehreren 1000 Filialen. Die haben ein Kurs-Cashflow-Verhältnis von fünf, das ist lächerlich niedrig. Die Aktie von Bed, Bath & Beyond ist einfach – ganz nach Benjamin Graham – gerade schwach. Der Kurs muss durch das Tief tauchen und kann dann wieder steigen. Als Investor kann man sich dann nach 100 Prozent plus oder mehr wieder davon trennen. Amazon ist hingegen eher Warren Buffett: nicht mehr billig, aber mit glänzenden Zukunftsaussichten. Beides geht.

Sie sehen zwar keine konkrete Crash-Gefahr, sprechen aber davon, dass Sie mit einem Abschmelzen der Vermögen rechnen.
Ja, aber der Geldvermögen, also der Kontoguthaben, Anleihen, etc. Das liegt an den Negativzinsen, der Bargeldverdrängung und der Aussicht, dass die Notenbanken vielleicht irgendwann ein paar Posten aus ihren Bilanzen streichen. Die Verschuldung der Staaten hat sich weiter verschärft - so wie es Ihr Kolumnist Daniel Stelter beschreibt. Seiner Logik kann ich weitestgehend zustimmen.

2017 schwankten die Devisenkurse deutlich. Sollten sich Anleger 2018 nicht gegen Währungsverluste absichern?
Selbst wir als Anlageprofis sichern die Wechselkursrisiken nicht extra ab. Nehmen Sie etwa die BMW-Aktie. BMW macht ein Drittel seines Umsatzes in den USA, die Hälfte in Europa und ein Fünftel im Rest der Welt. Mit der BMW-Aktie haben sie also schon einen globalen Währungskorb. Wir versuchen deshalb, über Aktien eine einigermaßen gute Streuung hinzubekommen. Als Value-Investor wetten wir nicht auf bestimmte Marktbewegungen.

Einstellung der Deutschen zu verschiedenen Anlageformen

Wenn die Crash-Gefahr nicht so groß ist: Brauchen Anleger überhaupt noch Gold-Investments?
Wenn die Volatilität steigt und es an den Börsen unsicherer wird, sollte der Goldpreis auch wieder anspringen, als Metall ist Gold sowieso nicht zu teuer. Wir haben eher auf Goldminenaktien gesetzt. Am Jahresanfang sind die gut gestiegen, aktuell aber wieder stärker im Rückwärtsgang. Wir nutzen die Gelegenheit, um ein bisschen aufzustocken, wenn die Preise weiter fallen. Zwar haben wir nicht mehr viele, trotzdem haben sie den Vorteil, dass sie nicht mit dem Rest korrelieren. Für den Fall, dass es an der Börse rappelt, haben wir etwa Aktien des Goldförderkonzerns Barrick Gold. Das ist übrigens viel besser als eine Währungsabsicherung mit Optionen, denn sie kostet quasi nichts extra und bringt sogar noch eine Dividende.

Im Dax gab es 2017 mit mehr als 30 Milliarden einen neuen Rekord bei der Dividendensumme. Glauben Sie, die Ausschüttungen steigen weiter an?
Die Dividenden sind zwar schon sehr hoch, aber das kann ich mir dennoch gut vorstellen. Vielleicht entdecken ja die deutschen oder die europäischen Unternehmen auch langsam mal das Instrument des Aktienrückkaufs, das die Amerikaner schon seit zehn Jahren forcieren. Wenn eigene Aktien aus dem Cashflow gekauft werden, könnte das die Ausschüttungen drücken. Es wäre aber für die Kurse gut.

Viele Unternehmen machen Schulden, um Aktienrückkäufe zu finanzieren.
Das ist rational, wenn ich weiß, dass dieses Währungssystem sowieso irgendwann vor die Wand fährt. Da sind die Deutschen etwas ängstlich – und haben dadurch einen Nachteil. Wenn ein US-Unternehmen durch Aktienrückkäufe höhere Bewertungen erreicht, kann es mittels Aktientausch hiesige Unternehmen übernehmen. Dieses Spiel läuft momentan zugunsten der Angelsachsen. Das kann man kritisieren, aber das Nachsehen haben die europäischen Unternehmen trotzdem, wenn sie nicht mitmachen. Ich würde mir für Dax-Unternehmen wünschen, dass sie mit eigenen Rückkaufprogrammen öfter dagegenhalten.

Womit rechnen Sie bei den Zinsen im kommenden Jahr? Zieht die EZB nach und erhöht wie die US-Notenbank Fed jetzt die Leitzinsen?
Nein, das schaffen die nicht. Die Fed hat angekündigt, die Bilanzsumme zurückzufahren. Yellen-Nachfolger Jerome Powell wird das versuchen. Aber er gilt als "moderat". Bei den ersten Krisenanzeichen werden die Amerikaner in den Gelddruckmodus zurückkehren. Und EZB-Chef Draghi hat lediglich angekündigt, die milliardenschweren Anleihenkäufe vielleicht bis Ende 2018 zurückzufahren, wenn es die Situation erlaubt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Europa mit höheren Zinsen leben soll. Das gilt insbesondere für den Süden. Deshalb halte ich das alles für Lippenbekenntnisse und glaube an eine Zinserhöhung erst, wenn ich sie sehe. Ich denke jedenfalls nicht, dass es 2018 so weit ist.

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