Max Otte "Man darf Anlage-Gurus nicht unkritisch folgen"

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"Ich bin in Ungnade gefallen"

Wenn sie für die Euro-Zone nicht mit Zinserhöhungen rechnen, glauben Sie vermutlich auch nicht an einen Anstieg der Inflationsrate.
Wir haben nach wie vor eine deflationäre Situation im Euro-Raum: zu viele Schulden, schwaches Wachstum. Höhere Preise können Unternehmen nur in speziellen Sektoren durchsetzen. Das ist wirklich eine seltsame Gemengelage mit zehn Jahren Niedrigzinsen, Planwirtschaft, Zwangseingriffen, Staatsanleihenkäufen und Euro-Rettung. Die Mittelschicht schrumpft, die Globalisierung hat ihr geschadet. Das ist eine Tatsache.

Apropos schrumpfende Mittelschicht, Euroskepsis und Globalisierungskritik: Ihr Bekenntnis zur AfD vor der Bundestagswahl hat große Wellen geschlagen. Nicht nur der Ex-AfDler Olaf Henkel hat ihnen vorgeworfen, sich bei der Partei zu irren und radikale Strömungen in ihr zu unterschätzen .Hat Ihnen die Kritik geschadet?

Ich bin bei privaten Fernsehsendern in Ungnade gefallen, mit denen ich 15 Jahre zusammengearbeitet habe. Sie haben sofort alle geplanten Interviews abgesagt. Mit diesen Konsequenzen musste ich rechnen. Aber ich habe es als meine Bürgerpflicht angesehen, meine Position zu vertreten. Ich konzentriere mich jetzt wieder mehr auf meine Fonds – und das läuft gut.

Haben nach der AfD-Debatte Anleger ihr Geld aus Ihren Fonds abgezogen?
Die Mittelzu- und -abflüsse hielten sich die Waage. Es gab unter meinen Anlegern nur ganz wenige Empörte, aber eben auch ein paar Begeisterte. Im Ergebnis war das neutral.
Mein Job ist Fondsmanager. Und für den werde ich bezahlt, nicht für meine als Privatperson gemachten Äußerungen.

Gelten die Gründe für ihr Stimmkreuz bei der AfD noch, oder haben Sie Ihre Entscheidung schon mal bereut?
Was man merkt, ist die Ausgrenzung und Diffamierung dieser Partei. Das verunsichert den einen oder anderen Geschäftspartner. Die fragen sich, ob Otte jetzt zum Risiko geworden ist. Bin ich nicht. Ich bin derselbe wie vorher. Und egal, wie absurd das klingt, ich bleibe auch CDU-Mitglied. Über mein Outing habe ich sogar Gleichgesinnte in der WerteUnion kennengelernt, einer CDU-Gruppierung, die für einen Rückzug Merkels und eine grundsätzliche Änderung der Politik streitet.

CDU, CSU und SPD ringen noch immer miteinander. Könnte die schleppende Regierungsbildung in Berlin für die Börse zum Risiko werden?
In der jetzigen Situation ist eine Große Koalition die konsequente Fortsetzung einer katastrophalen Politik. Sollen doch jene selbst auslöffeln, was sie vorher angerichtet haben.
Für die Wirtschaft sind die Risiken eher gering, der geht es ja trotz allem ganz gut. Für meine Börsenanlagen erwarte ich kaum Konsequenzen.

Ist Donald Trump der Wirtschaft auch egal? Sie waren vor der US-Präsidentschaftswahl immerhin noch einer der wenigen prominenten Befürworter.
"Befürworter" ist etwas viel gesagt. Ich habe in diversen Talk-Shows entgegen der Einheitsmeinung der Medien die Position vertreten, dass Trump der gewählte Präsident ist und dass man ihm eine Chance geben sollte. Tatsächlich sind viele Teile in Trumps Wahlprogramm, die mir gefallen haben, inzwischen tot. Das waren das leichte Zurückdrehen der Globalisierung durch Importsteuern, Infrastrukturprogramme und die Förderung der Binnenwirtschaft. Das war die Aussöhnung mit Russland. Aber Trumps Infrastrukturprogramme kommen nicht in Gang, ebenso wenig der Aufbau der Innenstädte und die Bekämpfung von Kriminalität. Letzten Endes ist er zurück bei „standard republican voodoo economics“, also Steuern senken, Gesetze streichen, Umweltauflagen weg und dann wird Amerika wieder great. Das ist natürlich Quatsch, könnte aber für kurzfristige Impulse sorgen. Trump ist kein politischer Stratege, er ist ein Selbstdarsteller. Aber er ist wie die AfD hierzulande ein klares Zeichen, dass etwas im Umbruch ist.

Stabiles Wirtschaftswachstum, niedrige Zinsen und steigende Unternehmensgewinne sind ein gutes Basisszenario für die Börsen. Dennoch, angesichts des erreichten Kursniveaus könnte es 2018 hektisch werden.
von Anton Riedl
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