Sehen Sie darin das drohende Endspiel?
Die Börse ist auf die ständige Geldzufuhr durch die Notenbanken angewiesen. Aber das kann nicht ewig so weitergehen – und keiner weiß, was alles passiert, wenn die Notenbanken weiter Geld drucken. Im schlimmsten Fall ist dann Geld nichts mehr wert und die Wirtschaft kommt zum Erliegen. Ebenso könnten die Konflikte in der Welt zu einem größeren Krieg eskalieren. Wir stecken immer noch in einer echten Weltwirtschaftskrise, auch wenn die Zwangsmaßnahmen und die Staatswirtschaft der Notenbanken das zu vertuschen versuchen. Dafür gibt es kein Drehbuch, man kann sich das kaum vorstellen. Aber wenn so etwas passiert, dürfte es einen kompletten Neustart des Wirtschaftssystems erforderlich machen.
Das klingt nach Tauschwirtschaft, Hyperinflation und Währungsreform. Haben Sie einen Bunker und Regale voller Konserven?
Einen Bunker habe ich nicht. Aber einige Vorräte lagern schon im Keller. Und etwas Edelmetall ist auch nicht schlecht. Eine große deutsche Tageszeitung schrieb vor Jahren, dass ich „kein raunender Apokalyptiker“ sei. Bin ich auch nicht. Aber die Risiken sind gestiegen. Es wäre sträflich, das komplett zu ignorieren. Wenn es wirklich kracht, kommt man nicht so ohne weiteres an sein Geld, vielleicht ist sogar eine Währungsreform nötig. In meinen Augen ist der Euro eine Fehlkonstruktion. Dass Schuldenstaaten wie Griechenland mit allen Mitteln in der Euro-Gruppe gehalten werden, macht die Konstruktion des Euro noch riskanter.
Bedeutet die Zinswende in Amerika-, während die EZB immer mehr Geld in die Märkte pumpt – einen zusätzlichen Vorteil für die USA?
Dadurch wird noch mehr Kapital aus Europa und den Schwellenländern in die USA fließen. Der schwächere Euro hilft zwar unseren exportorientierten Unternehmen, macht aber auch Aktien und Unternehmen aus Europa für Amerikaner billiger. US-Unternehmen wird es damit noch leichter fallen, europäische Märkte zu erobern und vor allem europäische Unternehmen zu schlucken. Die USA verfolgen eine konsequente und rücksichtlose Industriepolitik, um ihre eigenen Unternehmen zu fördern. Der VW-Skandal zeigt dies, aber auch der Umgang mit Siemens, den schweizerischen Banken und der Deutschen Bank fallen in diese Kategorie. Wäre Europa genauso streng bei der Einhaltung der europäischen Datenschutzbestimmungen, müssten viele US-Unternehmen, allen voran die großen IT-Konzerne, Geschäftsverbote oder satte Bußen bekommen.
Dabei zeigen Europa und die USA auf politischer Ebene wieder mehr gemeinsame Interessen – vor allem im Hinblick auf Russland.
Die völlig destruktiven Sanktionen gegen Russland werden vor allem von Deutschland und Österreich und einigen anderen EU-Staaten bezahlt. Viele unserer Unternehmen leiden unter diesen Sanktionen. Ein neuer Riss durch Europa wird hier bewusst herbeigeführt. Und für die US-Konzerne ist diese Situation potenziell vorteilhaft. Selbst europäische Konzerne investieren vermehrt in den USA. Dazu passt auch das amerikanische Interesse am Handelsabkommen TTIP.
Als Aktieninvestor müsste TTIP doch eigentlich in Ihrem Interesse sein?
Nein, ich bin seit langem dagegen. Und ich sage das nicht als notorischer USA-Gegner. Ich kenne die USA sehr gut, schätze vieles an den USA und bin selbst seit mittlerweile zehn Jahren auch amerikanischer Staatsbürger. Ich sorge mich aber um die Zukunft der europäischen Wirtschaft, wenn Großkonzerne und ihre Lobbyisten das Sagen haben. TTIP ist ein großer Schritt in Richtung einer Wirtschaftsordnung der Reichen und Superreichen, die Kapitalseite wird gestärkt. Staaten können nun von Konzernen auf Vermögensschaden verklagt werden. Zum Beispiel wurde der Staat Michigan vom Betreiber einer Brücke verklagt, weil dieser seine Zolleinnahmen gefährdet sah, wenn die neue Brücke zwischen Detroit und Kanada gebaut wird. Das wurde im Ernst lange verhandelt, am Ende sah sich das Gericht nicht zuständig. Aber auch ohne Urteilt zeigt das, wie TTIP die Handlungsfähigkeit der Staaten in Bezug auf Infrastruktur- oder Sozialpolitik beschneidet. Wenn TTIP kommt, bedeutet das das endgültige Aus Europas und den kompletten ökonomischen Anschluss Europas an die USA.
Was ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA bringt
Die Zölle zwischen den USA und den EU sind bereits niedrig. Sie liegen im Schnitt zwischen fünf und sieben Prozent, sagt der deutsche Außenhandelsverband BGA. Da jedoch jährlich Waren im Wert von mehr als einer halben Billion Euro über den Atlantik hin- und herbewegt werden, kann die Wirtschaft Milliarden sparen. Europäische Chemieunternehmen haben 2010 für Exporte in die Vereinigten Staaten fast 700 Millionen Euro in die US-Staatskasse gezahlt. Umgekehrt führten die USA gut eine Milliarde Euro nach Brüssel ab. Wirtschaftsverbände erwarten durch den Fall der Zollschranken weniger Bürokratie für mittelständische Unternehmen und mehr Geld für Investitionen, etwa in Forschung und Entwicklung.
Die deutsche Wirtschaft verspricht sich Impulse in Milliardenhöhe. "Das Freihandelsabkommen könnte unsere Exporte in die Vereinigten Staaten um jährlich drei bis fünf Milliarden Euro erhöhen", sagt der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. Die Amerikanische Handelskammer in Deutschland (AmCham) rechnet mit einem zusätzlichen Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 1,5 Prozent. Viele Unternehmen hoffen zudem darauf, einen besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen in den USA zu bekommen.
Fast unlösbar scheinen die unterschiedlichen Auffassungen zwischen den USA und der EU in Fragen der Landwirtschaft. "Für die Amerikaner sind Hormonfleisch und Genmais kein Problem, für Europäer ist das dagegen ein 'No-Go'", sagt der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes BGA, Jens Nagel. "Da kann man sich auch nicht in der Mitte treffen." Die Handelskammer AmCham empfiehlt daher, dass Thema außen vor zu lassen. "Das Thema Agrar würde die Gespräche nur belasten", sagt AmCham-Ehren-Präsident Fred Irwin. "Deshalb wäre es gut, das beiseite zu schieben."
Bei der Angleichung technischer Standards. "Das fängt bei der Länge der Stoßstangen an und hört beim Krümmungswinkel des Rückspiegels auf", sagt BGA-Experte Nagel. "Hier gibt es seit Jahrzehnten unterschiedliche Standards, die sich nicht in wenigen Jahren angleichen lassen." Die Chemieindustrie fordert, vor allem Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz stärker aufeinander abzustimmen.
Die deutschen Exporteure warnen davor, aus dem Freihandelsabkommen eine Art Wirtschafts-Nato zulasten anderer Handelspartner zu schmieden. "Uns stört das Gerede um eine Wirtschafts-Nato", sagte der Geschäftsführer des Außenhandelsverbandes BGA, Jens Nagel. "Ein Freihandelsabkommen ist nicht dazu da, sich gegen Dritte abzuschotten nach dem Motto 'Jetzt verbünden wir uns gegen die bösen Chinesen'." In der Politik wird das zum Teil genau andersherum gesehen. "Es bleibt nur noch wenig Zeit, gemeinsam mit den USA Standards zu prägen, bevor Wachstumsmärkte wie China und Indien den Takt angeben", sagte der Geschäftsführer des CDU-Wirtschaftsrats, Thomas Raabe.
Sie können Produkte billiger einkaufen, verspricht beispielsweise der Verband der Automobilindustrie (VDA). "Das würde auch die Kosten eines Autos für den Verbraucher senken", sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. Auch andere Branchen können mit einer Kostensenkung rechnen. Ob sie den Vorteil an ihre Kunden weitergeben oder den eigenen Gewinn damit steigern, bleibt ihnen überlassen. Produkte können außerdem schneller erhältlich sein, wenn sie einheitlich zugelassen werden - etwa wenn die US-Aufsicht FDA ein neues Medikament freigibt, das damit automatischen die Zulassung in den EU erhält. (Quelle: Reuters)
Wie gefährlich sind die Flüchtlingskrise, der Konflikt in der Ukraine und der Kampf gegen den IS-Terror in Syrien für Anleger und Sparer?
Weil sich die EU-Staaten über ein gemeinsames Vorgehen in Syrien nicht verständigen können, hat Putin selbst die Initiative ergriffen und unterstützt Syriens Staatschef Assad im Kampf gegen den IS. Er tut das wohlüberlegt, beschwört damit jedoch auch Streit mit anderen Staaten herauf, die den IS ohne Assad bekämpfen und die Ukraine unterstützen wollen. Noch gab es keine Eskalation in der Weltpolitik, aber das kann jederzeit passieren. Als die Türkei den russischen Kampfjet an der syrischen Grenze abgeschossen hat, dachte ich schon, jetzt ist es soweit. Immerhin ist die Türkei ein NATO-Land. Zum Glück sind alle noch ruhig geblieben. Ich kann nur die Besonnenheit und Ruhe von Putin loben. Die Lage ist jedoch hochexplosiv und toxisch für die Märkte.