Metalle, Erdgas, Kaffee Wo die Krise am Rohstoffmarkt Chancen bietet

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Kakao und Kaffee

Pro und Contra zu Rohstoff-Spekulationen
Die Frankfurter Skyline ist hinter einem Rapsfeld in Eschborn zu sehen: Die öffentliche Meinung ist eindeutig. Geht es nach einer Forsa-Umfrage vom Ende vergangenen Jahres, dann sind nur elf Prozent der Bevölkerung in Deutschland dafür, dass es Anlageprodukte auf Agrarrohstoffe überhaupt gibt. 84 Prozent sind dagegen. Trotzdem finden sich genügend Experten, die Spekulationen auf Agrarrohstoffe befürworten. Hier eine Auswahl: Quelle: dpa
Professor Harald von Witzke, Agrarökonom an der Humboldt-Universität in Berlin, sagt: „Nur Scharlatane glauben, dass Wetten an den Terminbörsen die Lebensmittelpreise dauerhaft nach oben treiben. Landwirte und Agrarhändler können sich nur gegen Preisrisiken absichern, wenn Finanzinvestoren auf der Gegenseite in die andere Richtung wetten.“ Quelle: obs
Sein Kollege George Rapsomanikis, Ökonom bei den Vereinten Nationen, verweist auf die gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Märkte: "Wenn der Ölpreis steigt, dann steigt auch die Nachfrage nach Ethanol und damit die Nachfrage nach Mais. All diese Märkte sind eng miteinander verknüpft, weshalb wir bei jedem Ölschock auch eine Nahrungsmittelkrise erwarten." Steigende Rohstoffpreise hängen seiner Ansicht nach in erster Linie auch mit der zunehmenden Industrialisierung in den Schwellenländern sowie mit der veränderten Nutzung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zusammen. Werden die vermehrt als Energieträger genutzt, dann führt die steigende Nachfrage auf dem Energiemarkt jedes Mal zu einem Preisanstieg auf dem Rohstoffmarkt. Quelle: Pressebild
Der Gießener Agrarökonom Michael Schmitz sieht vor allem die Entwicklungsländer selbst in der Verantwortung: "Der Hunger ist vor allem ein hausgemachtes Problem in den Entwicklungsländern. Die Preisschwankungen waren Anfang der 70er-Jahre ähnlich hoch wie heute - ohne große Zuflüsse an Kapital", sagt der Professor. 2006 bis 2008 gab es zudem massive Ernteausfälle. Das war seiner Ansicht nach der Grund, warum damals die Preise deutlich anzogen. Außerdem waren die Lagerbestände infolge der Knappheit abgebaut worden, was die Märkte besonders nervös werden ließ. Und dann kam infolgedessen die Politik ins Spiel. Viele Importländer verstärkten ihre Importe, und die Exportländer drosselten ihre Exporte, was den Engpass und somit den Preisauftrieb noch verstärkte. Zudem: 74 Studien zum Thema, wie Rohstoffspekulationen Preise und Hunger treiben, hat sich der Experte angesehen. Nur eine stand in einem qualitätsgeprüften Journal. Quelle: Pressebild
Es ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die sich aus ethisch-moralischen Gründen gegen das Spekulieren auf landwirtschaftliche Produkte ausspricht. Kern aller Argumente ist dabei stets, dass sich hinter der Vielzahl von Kontrakten, die an den Terminbörsen abgeschlossen werden, nur selten Absicherungsgeschäfte für Landwirte und Agrarhändler befinden. In den meisten Fällen wollen Spekulanten vom Auf und Ab der Preise profitieren. Quelle: dpa
"Wir erleben derzeit eine Achterbahnfahrt auf den Weltmärkten für Agrarrohstoffe. Dadurch drohen Grundnahrungsmittel für immer mehr Menschen gerade in den Entwicklungsländern unbezahlbar zu werden", äußerte sich beispielsweise kürzlich Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner. Die Politik hat dabei das große Ganze im Auge: Geht die Preistreiberei weiter, dann könnte es irgendwann Krieg um Grundnahrungsmittel geben. Erste Auswirkungen sah man bereits im vergangenen Jahr in Südostasien, als der Reispreis massiv angezogen hatte und die Menschen auf die Straße gingen. Quelle: dpa
Auch an den Börsen sieht man dieses Treiben zunehmend kritisch. „Es gibt volkswirtschaftlich gesehen überhaupt keinen Grund, warum man Investoren erlaubt, Lebensmittel aus dem Markt zu nehmen und zu horten, nur um von Preissteigerungen zu profitieren“, sagt etwa der als „Mister Dax“ bekanntgewordene Börsenmakler Dirk Müller. Immer wieder gab es Berichte, wonach in großen Lagerhäusern Lebensmittel bewusst zu Spekulationszwecken zurückgehalten wurden, um das Angebot gering zu halten. Quelle: dpa

Dank ausreichend Regen und Wärme stehen derzeit die Weizen- und Maisfelder in Nordamerika voll im Saft. Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums USDA befinden sich 64 Prozent der Anbaufläche für Mais (Weizen: 68 Prozent) in einem guten oder exzellenten Zustand. US-Farmer erwarten eine gute Ernte. Entsprechend stark stehen Weizen und Mais an den Terminmärkten unter Druck. Wetten auf fallende Weizenpreise versprechen aber nur noch geringe Renditechancen. "Die USDA unterschätzt den weltweiten Bedarf an Weizen, etwa aus China, Nordafrika und Brasilien", sagt Hennig Beck, Agrarexperte bei Lupus Alpha in Frankfurt.

Mais dagegen könnte weiter fallen, er kostet deutlich mehr als im langjährigen Schnitt. Hedgefonds haben ihre Wetten auf einen fallenden Maispreis auf den höchsten Stand seit 2006 geschraubt.

Kakao und Kaffee: Ohne Boden

Bei Kakao ist der Turn-around schon in vollem Gange. Seit Mitte Juni legte der Kakaopreis etwa 17 Prozent zu. Zuletzt stieg er nach Spekulationen über Trockenheit in Westafrika und eine stärkere Nachfrage aus den USA. Nach Ende des Bürgerkriegs an der Elfenbeinküste sind die politischen Unwägbarkeiten im Kakaohandel keinesfalls beendet. "Händler aus Europa können sich zwar über Online-Auktionen eindecken, damit erwerben sie aber nur eine Option, Kakao kaufen zu können", sagt Rohstoffhändler Steep. In der Praxis lassen die afrikanischen Verkäufer öfter einen Deal platzen, wenn ihnen später der Preis zu niedrig erscheint.

Wem Kakao zu riskant ist, der könnte auf Kaffee ausweichen. Allerdings müssen sich Anleger noch in Geduld üben, denn die Bohnen könnten noch etwas billiger werden: Brasilien wird nach Ansicht der Experten den Markt mit einer Rekordernte fluten. "Zudem gibt es weltweit immer noch hohe Lagerbestände für die Sorte Arabica, es ist daher fraglich, ob der Boden schon erreicht ist", sagt Fondsmanager Gerlach.

So meldete die Terminbörse ICE die größten Kaffeevorräte seit März 2010. Die Nachfrage ist schwächer, weil die Einkäufer auf weiter nachgebende Preise warten. Das Rohstoffgeschäft ist noch nicht über den Berg.

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