Krachend schneidet die Kupferschere Heizungsrohre und Kessel in kleine Portionen. Laufbänder und Schaufellader schaffen den geschredderten Kupferschrott zu den Schmelzöfen des Rohstoffkonzerns Aurubis im westfälischen Lünen. Das Altmetall wird geschmolzen und zu Platten gegossen. Die kommen in die Elektrolysebecken. Gold, Silber und Palladium setzen sich am Boden der Becken ab, das Kupfer bleibt an einer Metallplatte hängen. Die Elektrolytlösung ist 65 Grad warm und heizt die Luft über den Elektrolysebecken auf. Arbeiter, die in weißen Schutzanzügen und Atemmasken Teile der Anlage sanieren, kommen ins Schwitzen. Hat sich nach einer Woche an der Metallplatte eine dicke Kupferschicht gebildet, zieht sie ein Kran aus dem Becken. Die 60 Kilo schweren und zu 99,99 Prozent reinen Kupferplatten sind noch warm, wenn sie vor der Halle auf Paletten gestapelt werden.
Jährlich laufen 400.000 Tonnen Schrott durch das weltgrößte Recyclingwerk für Kupfer - etwa 16.000 Lkw-Ladungen. Momentan fahren weniger Brummis in Lünen vor. "Die Schrotthändler liefern weniger Altkupfer, weil sie auf höhere Preise warten", sagt Thomas Hölandt, Chefeinkäufer bei Aurubis. Derzeit kostet die Tonne Kupfer etwa 7.300 Dollar, ein Viertel weniger als noch vor zwei Jahren.
Auch andere Rohstoffe schwächeln auf Zwei-Jahres-Sicht: minus 25 Prozent bei Aluminium, minus 35 Prozent bei Nickel. In diesem Jahr erwischte es vor allem die Agrarrohstoffe: Weizen verbilligte sich um 14 Prozent, Mais sogar um 32 Prozent.
Anleger glauben nicht an eine schnelle Wende: Allein im zweiten Quartal zogen sie weltweit 49 Milliarden Dollar aus Rohstofffonds ab. Für sinkende Preise und schlechte Stimmung gibt es gleich mehrere Gründe. China, das etwa die Hälfte aller weltweit gehandelten Rohstoffe einkauft, meldete zuletzt geringere Wachstumsraten. Zudem gibt es ein Überangebot bei Industriemetallen, etwa Kupfer, Nickel oder Zink, verursacht durch neue Minen, die noch auf dem Höhepunkt des Rohstoffbooms 2007 und 2008 geplant wurden. Jetzt sind sie eigentlich überflüssig. Sie zu schließen wäre aber zu teuer.
Hinzu kommt ein massiver Vertrauensverlust in die Rohstoffmärkte. Hochfrequenzhändler Michael Coscia soll den Ölmarkt manipuliert haben. Investmentbanken, die große Rohstofflager unterhalten, sind ins Visier der US-Börsenaufsicht geraten, weil sie den Alubörsenpreis nach oben getrieben haben sollen. Dass die einzige große deutsche Rohstoffaktie K+S um zeitweise 44 Prozent abstürzte, nachdem der russische Düngemittelhersteller Uralkali seinen Ausstieg aus dem globalen Kalikartell und fallende Preise ankündigte, hat das Vertrauen der Anleger auch nicht unbedingt gestärkt. Die deutsche Aufsicht BaFin untersucht den Fall, der einmal mehr das Vorurteil bestätigt, Rohstoffmärkte seien intransparent und manipulationsanfällig.
Chance auf Zeit
In dieser Rohstoffdepression könnte auch ein Fünkchen Hoffnung liegen, meint Eugen Weinberg, leitender Rohstoffanalyst der Commerzbank: "Tiefer können die Erwartungen nicht mehr sinken." Frei nach der Devise: Kaufen, wenn die Kanonen donnern.
Anleger sollten aber nur kurz laufende Wetten abschließen. Bei lang laufenden Zertifikaten können hohe Nebenkosten entstehen, weil die Bank Terminkontrakte zur Absicherung der Zertifikate an der Börse regelmäßig durch neue und teurere ersetzen muss. Wer Aktien hält, sollte zudem wissen, dass Rohstoffpreise oft parallel zu Aktienkursen fallen, weil beide eng an der Konjunktur hängen. Nach einer Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat sich die Korrelation seit Beginn der Finanzkrise sogar verstärkt. Durch die Aufnahme von Rohstoffen in ein Portfolio verbessere sich nicht das Risiko-Ertrags-Verhältnis, so die Autoren der Studie. Mit Rohstoffen ließen sich aber zeitweise Zusatzerträge erzielen - wenn das Timing stimmt. Doch wo lohnt sich ein Kauf?
Kupfer: Alles hängt an China
Aurubis-Manager Hölandt sieht den Kupferpreis kurzfristig weiter unter Druck, sieht aber auch erste Zeichen für eine leichte Entspannung. Die Angst vor einer Schwäche Chinas hält er für übertrieben – zumindest was die Nachfrage nach Kupfer betrifft: Die chinesische Agentur Antaike erwarte für das zweite Halbjahr einen Anstieg von 3,9 auf 4,2 Millionen Tonnen. Auch die weltweiten Kupfervorräte, die zuletzt auf Rekordniveau lagen, bauten sich langsam ab, so Hölandt. Die letzten Zahlen aus Chinas Industrie sind jedenfalls ermutigend: So wuchs die Produktion im Juli um 9,7 Prozent. Sollte China tatsächlich schwächeln, hätten Kupferproduzenten auch bei sinkenden Preisen keinen Anreiz, die Produktion einzuschränken. "Noch liegt der Kupferpreis mit 7.300 Dollar je Tonne deutlich über den Produktionskosten von 5.000 bis 5.500 Dollar je Tonne. Es ist also noch reichlich Luft nach unten", sagt Christoph Eibl, Vorstandschef des Schweizer Vermögensverwalters Tiberius.
Aluminium: Wende vertagt
Anders sieht es bei Aluminium aus. 40 Prozent der Hütten produzieren bereits mit Verlust. Für eine Wende bei Aluminium, so der britische Rohstoffbroker Sucden Financial, sei es noch zu früh. Ein Anstieg über 2.000 Dollar je Tonne sei unwahrscheinlich. Derzeit kostet die Tonne etwa 1.860 Dollar. Der Angebotsüberhang, so Sucden, habe sich im Sommer noch verstärkt. Zudem könnten die Investmentbanken ihre Rohstofflager auf staatlichen Druck hin leeren müssen. Das zusätzliche Angebot könnte den Aluminiumpreis weiter drücken.
Unter dem Strich ist es noch zu früh, um kurzfristig auf ein Comeback der Industriemetalle zu wetten. Klare Trends sind noch nicht absehbar.
Öl: Vor dem Preisrutsch?
Der Ölpreis ist erstaunlich robust. "Es gibt Probleme auf der Angebotsseite. Das gilt sowohl für Syrien und den Iran, als auch für die nordafrikanischen Staaten. Gleichzeitig bleibt die Nachfrage aus Asien stabil", sagt Christian Gerlach, Rohstofffondsmanager bei Swiss & Global. Libyen beispielsweise fördert derzeit nur noch halb so viel Öl pro Tag wie noch im Juli.
Öl, Erdgas, Mais
Entsprechend optimistisch sind die Anleger. "Aus den Finanzvehikeln, die in Öl investieren, ist deutlich weniger abgeflossen als aus anderen Rohstoffinvestments, beispielsweise Industriemetallen", sagt Vermögensverwalter Eibl. Er halte den Optimismus für übertrieben: "Öl ist überteuert, es gibt keine Knappheit", sagt Eibl. Auch die Entwicklung auf den Terminmärkten sei verdächtig, so Eibl. Kurzfristige Kontrakte seien teurer als solche für Öllieferungen im kommenden Jahr. Eine solche Struktur der Terminkurve sei normalerweise nur dann zu beobachten, wenn Öl auf kurze Sicht knapp sei. Das signalisiert, dass Ölproduzenten sinkende Preise fürchten, gegen die sie sich an den Börsen absichern.
Momentan spricht vieles eher für einen stabilen bis leicht sinkenden als für einen steigenden Ölpreis. Vor allem die USA und Kanada bringen immer mehr Öl aus Sand- und Schiefervorkommen auf den Markt. Die OPEC, die Organisation der Erdöl produzierenden Länder, rechnet für das kommende Jahr mit einem Plus von zwei Prozent für Öl aus unkonventionellen Quellen. Gleichzeitig solle die Nachfrage nach OPEC-Öl um 2,6 Prozent zurückgehen. Der Ölverbrauch insgesamt werde dagegen nur um 1,2 Prozent steigen. Entsprechend vorsichtig sind die Schätzungen der US-Energieagentur EIA: Für 2014 geht sie im Schnitt von etwa 100 Dollar für das Fass Brent aus.
Erdgas: Hedgefonds kaufen
Anders als Öl steht Erdgas bereits jetzt unter Preisdruck. Die US-Regierung meldete kürzlich, dass die Gasvorräte über dem Schnitt der vergangenen fünf Jahre liegen.
Ein weiterer Preisverfall ist aber unwahrscheinlich, weil die US-Stromerzeuger zunehmend von Kohle auf das billigere Gas umsteigen. "Hinzu kommt die wachsende Nachfrage nach Flüssiggas, beispielsweise aus Japan", sagt Daniel Höchle, Rohstoffexperte des britischen Vermögensverwalters Man. Japan und andere Industriestaaten suchten nach Alternativen zur Atomkraft, so Höchle.
Nach Angaben der CTFC haben Spekulanten in den vergangenen Wochen ihre Wetten auf steigende Gaspreise massiv ausgebaut. Mutige Anleger können sich mit Longzertifikaten den Profis anschließen.
Welche Grundgüter Deutschland importiert
Der wichtigste Rohstoff, den Deutschland importiert, ist Erdöl. Sein Anteil an den Grundgüter-Einfuhren beziffert sich auf 36,4 Prozent.
Der zweitwichtigste Rohstoff für Deutschland ist Erdgas mit einem Anteil von 21,6 Prozent.
Auf dem dritten Platz der wichtigsten Grundgüterimporte rangieren Nichteisen-Metalle mit einem Anteil von 14,9 Prozent. Dazu zählen etwa Kupfer, Aluminium, Zink, Bronze oder Messing.
Immerhin 13 Prozent der Rohstoff-Einfuhren entfallen auf Energierohstoffe abseits von Öl, Gas oder Kohle. Dazu zählen etwa Kernbrennstoffe wie Uran oder Brennmaterialien für Erneuerbare Energien.
Immerhin den fünften Platz der wichtigsten Einfuhren nach Deutschland nehmen Edelmetalle wie Gold, Silber oder Platin ein. Diese werden nicht nur als Schmuck, sondern auch in der Elektroindustrie, der Medizintechnik oder der Autozuliefer-Branche benötigt. Der Anteil von Gold & Co. erreicht 8,5 Prozent der Einfuhren.
Eisen- und Stahlimporte erreichen einen Anteil von 5,9 Prozent der Einfuhren.
Stahlveredler wie Chrom, Cobalt, Mangan oder Molybdän und Wolfram machen 5,2 Prozent der deutschen Rohstoffimporte aus.
Eine relativ geringe Bedeutung bei den Rohstoffimporten nimmt Kohle ein. Auf den Rohstoff entfallen 4,3 Prozent der Einfuhren.
Auf sogenannte Nichtmetalle entfallen 1,9 Prozent der Rohstoffimporte Deutschlands. Dazu zählen etwa Schwefel, Phosphor oder Edelgase sowie Sauerstoff und Stickstoff.
Deutschland importierte im Jahr 2010 Grundgüter im Wert von 109,3 Milliarden Euro. Diese teilen sich auf die einzelnen Rohstoffe wie folgendermaßen auf:
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)/Deutsche Rohstoffagentur (DERA)
Mais: Voll im Saft
70 bis 80 Prozent des Ernteertrags hängen vom Wetter ab, das erschwert Preisprognosen für Agrargüter. Landwirte, Agrarhändler und Lebensmittelkonzerne müssen sich daher an der Börse absichern. "Als Verarbeiter von Ölsaaten, etwa Raps, sichern wir uns beim Einkauf über Futures an der europäischen Agrarbörse Matif ab. Beim Verkauf nutzen wir den außerbörslichen Terminhandel, um Preisschwankungen bei Rapsöl oder Rapsschrot abzufedern", sagt Hermann Steep, Deutschland-Geschäftsführer des Agrarriesen Cargill. Als Gegengewicht benötigen die Profis aus der Agrarbranche auch Finanzinvestoren, die in die andere Richtung wetten. "Ohne die Gegenseite könnten wir uns nicht ausreichend absichern, Ertragsausfälle und stärker schwankende Preise wären die Folge", sagt Cargill-Manager Steep.
Kakao und Kaffee
Dank ausreichend Regen und Wärme stehen derzeit die Weizen- und Maisfelder in Nordamerika voll im Saft. Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums USDA befinden sich 64 Prozent der Anbaufläche für Mais (Weizen: 68 Prozent) in einem guten oder exzellenten Zustand. US-Farmer erwarten eine gute Ernte. Entsprechend stark stehen Weizen und Mais an den Terminmärkten unter Druck. Wetten auf fallende Weizenpreise versprechen aber nur noch geringe Renditechancen. "Die USDA unterschätzt den weltweiten Bedarf an Weizen, etwa aus China, Nordafrika und Brasilien", sagt Hennig Beck, Agrarexperte bei Lupus Alpha in Frankfurt.
Mais dagegen könnte weiter fallen, er kostet deutlich mehr als im langjährigen Schnitt. Hedgefonds haben ihre Wetten auf einen fallenden Maispreis auf den höchsten Stand seit 2006 geschraubt.
Kakao und Kaffee: Ohne Boden
Bei Kakao ist der Turn-around schon in vollem Gange. Seit Mitte Juni legte der Kakaopreis etwa 17 Prozent zu. Zuletzt stieg er nach Spekulationen über Trockenheit in Westafrika und eine stärkere Nachfrage aus den USA. Nach Ende des Bürgerkriegs an der Elfenbeinküste sind die politischen Unwägbarkeiten im Kakaohandel keinesfalls beendet. "Händler aus Europa können sich zwar über Online-Auktionen eindecken, damit erwerben sie aber nur eine Option, Kakao kaufen zu können", sagt Rohstoffhändler Steep. In der Praxis lassen die afrikanischen Verkäufer öfter einen Deal platzen, wenn ihnen später der Preis zu niedrig erscheint.
Wem Kakao zu riskant ist, der könnte auf Kaffee ausweichen. Allerdings müssen sich Anleger noch in Geduld üben, denn die Bohnen könnten noch etwas billiger werden: Brasilien wird nach Ansicht der Experten den Markt mit einer Rekordernte fluten. "Zudem gibt es weltweit immer noch hohe Lagerbestände für die Sorte Arabica, es ist daher fraglich, ob der Boden schon erreicht ist", sagt Fondsmanager Gerlach.
So meldete die Terminbörse ICE die größten Kaffeevorräte seit März 2010. Die Nachfrage ist schwächer, weil die Einkäufer auf weiter nachgebende Preise warten. Das Rohstoffgeschäft ist noch nicht über den Berg.