Mittelstandsanleihen Wo Anleger mit Verlusten rechnen müssen

Nach der Pleite des Brennstoffherstellers German Pellets steht der Markt für Mittelstandsanleihen unter Druck: Investoren streiken, Refinanzierungen stehen auf dem Spiel – droht dem Markt für Minibonds das Aus?

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Wer am schnellsten zum Milliardär wurde
Alan SugarDer britische Business-Tycoon Alan Sugar hatte recht früh seine erste Million auf dem Konto, brauchte aber am längsten, um sein Vermögen in eine Milliarde zu verwandeln. Millionär: 24 JahreMilliardär: 68 JahreAktuelles Vermögen: zwei Milliarden Dollar Quelle: REUTERS
Martha StewartWie kaum eine andere Frau steht Martha Stewart für die Fähigkeit von Gründern, sich zu wandeln. Sie startete ganz klein mit ihrem eigenen Gastronomie-Geschäft. Da war sie Mitte 30. 15 Jahre dauerte es bis zur ersten Million. Bis sie die erste Milliarde in der Tasche hatte, sollten weitere 14 Jahre vergehen. Diese verdiente sie durch den Börsengang ihrer Firma „Martha Steward Living Omnimedia”, welche die Markenrechte an ihren inzwischen erfolgreichen Büchern und Kochshows hielt. Damit war sie die erste amerikanische Milliardärin überhaupt. Als die Dotcom-Blase platzte musste sich Stewart allerdings von ihrem Status als Milliardärin verabschieden.Millionärin: 45 JahreMilliardärin: 58 JahreAktuelles Vermögen: rund 220 Millionen Dollar Quelle: AP
Warren BuffettBuffett ist einer der berühmteste Großinvestoren und Mäzen der Welt: Mit 30 Jahren machte er seine erste Million, Milliardär wurde Buffett aber „erst“ 26 Jahre später. Millionär: 30 JahreMilliardär: 56 JahreAktuelles Vermögen: 60,7 Milliarden Dollar Quelle: REUTERS
George LucasMöge die Macht mit seinen Milliarden sein. Auch der 71-Jährige „Star Wars“-Erfinder George Lucas ist im Ranking aufgeführt. Auch er hat etwas Zeit gebraucht, um so richtig reich zu werden.Millionär: 34 JahreMilliardär: 52 JahreAktuelles Vermögen: 4,9 Milliarden Dollar Quelle: AP
Oprah WinfreyDie berühmte US-Talkshowmoderatorin Oprah Winfrey gehört ebenfalls zu den reichsten Menschen der Welt.Millionärin: 32 JahreMilliardärin: 49 JahreAktuelles Vermögen: 3,1 Milliarden Dollar Quelle: AP
Richard BransonBesser gesagt: Sir Richard Branson, der Oligarch des Virgin-Unternehmens, zu dem unter anderem eine Fluglinie gehört. 17 Jahre hat er für seine erste Milliarde gebraucht.Millionär: 24 JahreMilliardär: 41 JahreAktuelles Vermögen: 4,7 Milliarden Dollar Quelle: dpa
Bill GatesDieser Mann war lange Zeit der berühmteste Reiche der Welt: Microsoft-Gründer Bill Gates. Verglichen mit den Jungmilliardären von heute hat er sich aber beim Vermögensaufbau Zeit gelassen.Millionär: 26 JahreMilliardär: 31 JahreAktuelles Vermögen: 77,6 Milliarden Dollar Quelle: REUTERS

Die Mitteilung war ungewöhnlich: Der Werkzeugmaschinenbauer MAG IAS tat kund, dass er Anlegern Anleiheschulden zurückzahlen werde – 50 Millionen Euro plus Zinsen. Ungewöhnlich ist nicht, dass ein mittelständisches Unternehmen es für nötig hält, etwas an sich Selbstverständliches zu verkünden: Schulden werden zurückgezahlt. Nein, ungewöhnlich ist in diesen Zeiten, dass ein mittelständisches Unternehmen tatsächlich seine Anleihegläubiger bedient. Längst nicht alle Mittelständler mit Anleihe haben dies getan – und noch weniger werden es künftig tun. Laut der Ratingagentur Scope haben sich kleinere Unternehmen seit 2010 über mehr als 200 Anleihen gut 7,8 Milliarden Euro bei Anlegern gepumpt. Versprochen haben sie Anlegern bis zu 11,5 Prozent Zinsen pro Jahr. So viel aber können immer mehr nicht erwirtschaften; von Rückzahlung der Schulden ganz zu schweigen. Bis Ende 2018 werden 116 Mittelstandsanleihen fällig, im Volumen von 4,3 Milliarden Euro.

Minibonds: Diese Anleihen sollten Anleger im Auge behalten

Unternehmen mit Anleihen, die einst über 1,8 Milliarden Euro wert waren, sind entweder insolvent oder werkeln daran, Schulden zu restrukturieren. So wollen sich der Maschinenbauer Singulus, Schrottrecycler Scholz und die Modemarke Laurèl um einen Teil ihrer Kredite erleichtern; Anleger sollen außerhalb einer Insolvenz freiwillig auf Geld verzichten. Ein Drittel des Anleihevolumens aus dem Mittelstandssegment BondM der Börse Stuttgart ist von Insolvenz oder Restrukturierung betroffen; an der Deutschen Börse ist es ein Viertel.

Doch das ist erst der Anfang. Zu viele Mittelständler haben sich Geld geliehen, das sie operativ nicht verdienen. Banken werden selten in die Bresche springen – viele sind froh, dass Unternehmen ihre Bankkredite zurückzahlen konnten, dank der Anlegergelder aus den Anleiheemissionen. Die meisten Unternehmen müssten neue Anleihen ausgeben, um die alten zu tilgen. Allein: Auf dem Markt für Mittelstandsanleihen brechen wichtige Käufer weg.

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  • Fonds. Ralf Meinerzag zum Beispiel. Der Manager des Fonds Steubing German Mittelstand Fund I kauft, dem Fondsnamen zum Trotz, keine Mittelstandsanleihen mehr. Bis auf zwei hat er alle verkauft. Er kauft nun europäische Hochzinsanleihen, demnächst wird sein Fonds umbenannt.
  • Auch Vermögensverwalter fassen die Papiere nicht mehr an: „Im Moment kaufen wir keine Mittelstandsanleihen“, sagt Norbert Hagen, Vorstand beim Vermögensverwalter ICM. „Die Renditen haben parallel zur Qualität der Anleihen abgenommen – wir haben bis auf eine Ausnahme alles verkauft“, sagt Lutz Hering, Geschäftsführer der Damm Rumpf Hering Vermögensverwaltung. Zu viele Unternehmen würden ihre Schulden über eine Insolvenz in eigener Verwaltung „entsorgen“, sagt Martin Wilhelm vom Vermögensverwalter IfK: „Der Markt für Mittelstandsanleihen ist tot und kann nicht wiederbelebt werden, das Vertrauen ist zerschossen.“ Christian Gritzka von der Knapp Voith Vermögensverwaltung bescheinigt dem Markt einen „Konstruktionsfehler“. Zu viele Unternehmen, die nirgendwo mehr Kredit bekamen, haben Anleger erfolgreich angepumpt.

Aufgeschreckt haben viele jüngst zwei Fälle, zum einen der Insolvenzantrag des Brennstoffherstellers German Pellets, zum anderen Pläne von Scholz. Der Schrottrecycler ist nicht insolvent, will aber, dass Anleger verzichten. Die Holding, die Anlegern 183 Millionen Euro schuldet, hat den Sitz nach London verlegt. Dort will Scholz die Finanzen restrukturieren. In England kann man sich außerhalb der Insolvenz mit großen Kreditgebern einigen und Anleger überstimmen.

German Pellets ändert das Spiel

Insider betrachten die Fälle Scholz und German Pellets jetzt als „Game Changer“ – die Wende für den Mittelstandsanleihemarkt, die den totalen Zusammenbruch einleiten könnte. Besonders weil beide Unternehmen vergleichsweise hohe Volumina ausstehen haben. German Pellets schuldet Anleihegläubigern über 224 Millionen Euro.

Banker, die früher Minibonds an die Börse brachten, suchen sich neue Jobs. Investoren, die das Geld von Privatanlegern oder Stiftungen investieren, haben signalisiert, dass sie keine weiteren Minibonds kaufen dürfen. Der Absatzkanal für neue Anleihen trocknet aus. „Kleinere Finanzierungen bis zu 50 Millionen Euro werden bis auf absehbare Zeit unmöglich sein“, bestätigt Johannes Eismann, Vorstand bei der Quirinbank.

Auch die Börsen wollen das Segment nicht mehr pushen – zwei Börsen haben das Wort Mittelstand bereits gestrichen. Die Düsseldorfer haben ihren „Mittelstandsmarkt“ dichtgemacht, Anleihen notieren nun im Primärmarkt oder dem Freiverkehr. Die Stuttgarter, einst Vorreiter im Markt, haben BondM für neue Anleihen geschlossen.

Allein die Deutsche Börse in Frankfurt, die Mittelstandsanleihen im Segment Entry Standard handeln lässt, hält noch still. Dabei hatte der dafür verantwortliche Manager Cord Gebhardt, Leiter des Primärmarktgeschäfts, im April 2014 eine steile These gewagt: Sollte die Ausfallrate über den Daumen gepeilt bei 25 Prozent liegen, müsse sich die Börse „Gedanken über eine Neuordnung“ machen. Das Anleihevolumen, das in Frankfurt von Insolvenz oder Restrukturierung betroffen ist, liegt etwa bei der damals skizzierten Quote. Doch: „Wir können die Unternehmen nicht einfach vom Markt ausschließen“, sagt Gebhardt. Die Börse verfolge aber, was sich bei den Unternehmen tue, wie die Zahlungslage sei und „wie die Unternehmen gedenken, aus den finanziellen Schwierigkeiten raus zu kommen“.

Raus aus dem Schlamassel?

Bei einigen deutet sich bereits an, dass der Schlamassel eher größer wird. Die Anleihe des Onlinereiseportalbetreibers Travel24 etwa ist unter Wasser, ebenso viele Papiere von Unternehmen aus der Modeindustrie. Nach der Pleite von Strenesse und wetterbedingt schwachen Umsätzen – es war zu mild – haben Anleger Angst vor einem weiteren Ausfall in der Branche.

Eine Herausforderung dürfte die Refinanzierung einer 210-Millionen-Euro-Anleihe sein, die KTG Agrar im Juni 2017 zurückzahlen muss. Der Agrarkonzern ist mit mehr als dem Doppelten seines Umsatzes verschuldet. Immerhin, die KTG-Aktie ist börsennotiert, das Unternehmen könnte sich über eine Kapitalerhöhung Geld von Aktionären besorgen. Zuletzt kaufte die chinesische Fosun-Gruppe neun Prozent der Anteile. Außerdem kann KTG Reserven heben, etwa durch Verkauf von Aktien der Energietochter oder Ackerflächen. „KTG wird weitere Investoren gewinnen, die Profitabilität steigern, das Eigenkapital stärken und Schulden senken“, sagt Julian Voss, stellvertretender Vorsitzender des KTG-Aufsichtsrats. Spätestens im Herbst solle der Plan zur Rückzahlung der Anleihe vorliegen.

Das wäre deutlich mehr, als viele in dem zusammenbrechenden Markt zu bieten haben.

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