Moderne Zahlsysteme Wie bargeldlos ist unsere Zukunft?

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Kontaktlos, aber nicht kostenlos bezahlen

Das Smartphone als Einkaufsbegleiter
Wo das Smartphone beim Einkauf zum Einsatz kommtVirtueller SupermarktDie Schweizer Handelskette Coop betreibt in Zürich den ersten virtuellen Supermarkt. Passanten können im Vorbeigehen auf der bunten Plakatwand das gewünschte Produkt via Smartphone einscannen und bezahlen, und erhalten den Einkauf wenige Stunden später nach Hause geliefert. Quelle: Pressebild
Produkt-ScannerDas Berliner Startup Barcoo hat eine gleichnamige App veröffentlicht, die dem Benutzer, neben den gängigen Packungsangaben, zusätzliche Informationen zu Produkten liefert. Scannt der Benutzen den Barcode eines Artikels ein, gibt die App Auskunft über Testberichte, CO²-Bilanzen, Allergenen sowie Herkunft der Inhaltsstoffe, und findet dank Preisvergleich zudem den günstigsten Anbieter. Quelle: Pressebild
Drive-in-EinkaufIn einem Real-Markt in Köln-Porz entfällt künftig auch das Schleppen der Einkäufe. Die gewünschten Produkte werden per Smartphone eingescannt, anschließend wird der Einkauf bequem an einem Drive-In-Schalter bezahlt. Supermarkt-Helfer bringen daraufhin den Einkauf bis ans Auto. Quelle: Pressebild
Mobile BestellungBei der US-Imbisskette The Melt entfällt künftig das Warten an der Theke. Per App lässt sich das gewünschte Mittagessen vorbestellen und bezahlen, der Kunde braucht es anschließend nur noch im Lokal abzuholen.
Virtueller KleidertauschMit der App der Modekette Debenhams kann man sich den Gang in die Umkleidekabine sparen. Das Sortiment des Geschäfts lässt sich bequem auf dem Smartphone oder Tablet durchstöbern - und sogar anprobieren. Quelle: Pressebild
Der AufbauhelferKünftig hilft das Smartphone auch bei der Montage von Möbeln. Wirft die handelsübliche Bauanleitung eines Möbelstücks mehr Fragen auf , als sie klärt, reicht ein kurzes Berühren des Papiers mit dem Handy, und ein Montagevideo wird abgespielt. Quelle: Pressebild

Am Samstagabend möchten wir zum Italiener. Bei der Restaurantkette Vapiano bekomme ich als Gast schon am Eingang eine Chipkarte, auf der meine Bestellungen eingehen. Hier muss ich mich an Selbstbedienungstheken anstellen, Köche bereiten die Nudeln vor meinen Augen zu. Was mich meine Bestellung kostet, erkenne ich nach jeder Bestellung in einem Display, wenn meine Karte gescannt wird. Zum Bezahlen wird sie an der Kasse nach dem Essen ausgelesen. Und dort erkenne ich gleich: ein NFC-Terminal. Fantastisch! Da zeigt sie sich endlich, die bargeldlose Zukunft. Denn mit der sogenannten Near Field Communication könnte ich mein Abendessen jetzt über das Smartphone bezahlen. Einfach, indem ich das Telefon im Umkreis von etwa zehn Zentimetern an das Lesegerät lege oder darüber halte. Abgebucht wird kontaktlos. Leider bin ich von der bargeldlosen Zukunft ausgeschlossen, weder mein Handy noch meine Kreditkarte sind für NFC-Zahlungen gerüstet. Also muss ich dann doch meine Kreditkarte einlesen lassen und die PIN eingeben. Die Kassiererin tröstet mich: „Seit unserer Eröffnung vor etwa zwei Jahren hat bei mir bisher nur ein einziger Kunde kontaktlos bezahlt.“

Dass Geld bereitgehalten, gewechselt, transportiert, gesichert und bewacht werden muss und dass dies alles kostet, leuchtet ein. Doch auch bargeldlose Abwicklungen kosten Geld. „Zahlungen können nicht kostenlos sein, das müssen die Leute verstehen“, sagt Ruttenberg von der EZB. Nur seien diese Kosten eben im System versteckt. Händler zahlen in Deutschland durchschnittlich 1,25 Prozent der Transaktionssummen an Banken und Kreditkartenanbieter. Diese werden natürlich meist an die Kunden weitergegeben. Die Europäische Kommission arbeitet deshalb gerade an einer Richtlinie, alle Kreditkartengebühren für Händler auf 0,3 Prozent zu reduzieren. Kommt die, bekämen Karten einen neuen Schub.

Unter dem Strich, für bare und bargeldlose Zahlungen zusammen, kosten Zahlungen in der EU etwa 130 Milliarden Euro, schätzt Ruttenberg – ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Vom Bargeld abrücken möchte er deshalb aber nicht. Vielmehr sollten die bisherigen Infrastrukturen, wie Debit- und Kreditkarten, effizienter genutzt werden. „Die bargeldlose Gesellschaft ist etwa so wahrscheinlich wie das papierlose Büro“, sagt Ruttenberg. Sein eigener Schreibtisch wirkt zwar aufgeräumt, aber dort stapeln sich Papierbögen, keine Frage.

Sonntagvormittag, Sonnenschein und blauer Himmel. Wir fahren zum Kloster Weltenburg an die Donau. Das Kloster ist für Besucher nur zu Fuß erreichbar, also biegen wir auf einen Parkplatz ab, 500 Meter vor dem Kloster. Eine junge Frau in Warnweste verteilt Parkscheine – und will Bargeld sehen. Ich frage nicht einmal nach Kartenzahlung, sie wird kaum ein mobiles Kartenterminal in ihrer Weste versteckt halten. Auch einen Kassenautomat mit Kartenschlitz suche ich vergebens. Ich drücke die Münzen ab und überlege, den Selbstversuch abzubrechen.

Nach einem Spaziergang an der Donau kehren wir im Kloster ein. Es gibt Haxe, Knödel und Kraut. Neben uns spachteln auch Amerikaner und Spanier. Da es so international zugeht, verlange ich selbstbewusst nach Kartenzahlung . Die Bedienung schüttelt den Kopf. Gut, dass ich am Bankautomaten war.

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