Moderne Zahlsysteme Wie bargeldlos ist unsere Zukunft?

Bargeld verursacht enorme Kosten. Banken und Handel würden es gern abschaffen, die Konsumenten lieber nicht. Welche Zahlsysteme kommen, was schon funktioniert – und ein ernüchternder Selbstversuch.

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Bargeldlos Quelle: dpa

Ginge es nach Jan Deepen, würden wir schon längst keine Münzen und Scheine mehr mit uns herumschleppen. Der Mitgründer von SumUp, einem mobilen Bezahldienst, arbeitet daran, Cash überflüssig zu machen. Klingt alles ganz einfach: Der Kunde installiert eine App auf seinem Smartphone. Bei SumUp hinterlegt er seine Bankdaten und ein Foto. Geht er dann in das Geschäft eines teilnehmenden Händlers, bekommt der über das Internet auf sein Kassensystem automatisch die Meldung eingespielt, wer gerade bei ihm einkauft.

Will der Kunde bezahlen, nennt er seinen Namen, der Händler muss nur noch prüfen, ob die Person vor ihm mit der auf dem hinterlegten Foto identisch ist. Passt alles, wird das Geld abgebucht. Der Kunde selbst macht keinen Finger krumm. „Es ist ganz offensichtlich, wir steuern auf eine bargeldlose Gesellschaft zu“, sagt Deepen zufrieden.

Die Zahlfunktion, an der SumUp arbeitet, ist eine der fortschrittlichsten und hätte die größten Auswirkungen darauf, wie wir künftig einkaufen. Marktführer PayPal testet ähnliche Konzepte. Die Deutschen lieben zwar ihr Bargeld, aber Kartenzahlung und bargeldlose Transaktionen im Internet nehmen stetig zu. Ohne dass wir uns bewusst dafür entscheiden, verschwindet das Bargeld langsam aus unserem Alltag.

Der Praxistest

Bargeldlos bezahlen, immer und überall? Um zu testen, ob das in Deutschland wirklich so einfach funktioniert, wie Deepen hofft, starte ich einen Selbstversuch: ein Wochenende ohne Bargeld. Es geht nach Bayern, ein Ausflug an die Donau steht an, mit Freundin. Vor der Abfahrt am Freitagabend wollen die Kollegen in der Redaktion mir direkt meine Geldbörse abnehmen. Ich wehre mich, behalte die Börse mit EC- und Kreditkarte und stecke noch 20 Euro ein, für den absoluten Notfall.

Los geht die bargeldlose Zukunft auf der Internet-Seite der Bahn. Meine Tickets zahle ich dort schon lange per PayPal, wähle aus, ob ich Kreditkarte oder Girokonto belaste. Das Ticket kann ich dann ausdrucken oder über die Smartphone-App als QR-Code auf dem Handy speichern. Alles simpel.

Vor der Abfahrt möchte ich am Düsseldorfer Hauptbahnhof noch schnell einen Snack für die Fahrt kaufen. Rein zum Billigbäcker mit Selbstbedienung. Ich lege ein Croissant aufs Tablett und reihe mich ein in die Schlange der Bahnpendler. Das gibt mir etwas Zeit, um die Registrierkasse zu begutachten. Mir fällt auf: kein Kartenlesegerät. Als ich an der Reihe bin, frage ich die Kassiererin, ob ich mein Hörnchen mit Karte bezahlen kann. „Nein“, lautet die klare Antwort. „Kreditkarte, EC-Karte, Sie akzeptieren gar nichts?“ „Nein.“ Dass ich meinen Notgroschen so früh anbrechen muss, hätte ich nicht erwartet.

Nächster Laden, nächster Versuch: eine Flasche Wasser für unterwegs. Nun probiere ich den Drogeriemarkt im Bahnhofsgebäude. Die Schlange reicht auch hier bis mitten in den Laden hinein; Wochenendpendler. Von Weitem erkenne ich: Die nehmen alle gängigen Karten, auch meine Kreditkarte. An der Kasse angekommen, knicke ich aber ein: mein Zug kommt gleich, ich muss zum Gleis. Außerdem drängelt die Schlange hinter mir, und das Wechselgeld aus der Backstube klimpert noch in meiner Hosentasche. Schnell zücke ich eine Euromünze und zahle mein Wasser bar. Das dauert wenige Sekunden. Keine Unterschrift, keine PIN-Eingabe. Bargeldloses Wochenende? Der Start ist verschoben.

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