Nachhaltige Geldanlage Finanzbranche verspürt Druck zu mehr grünen Investments

Beispiel Kohlekraftwerk: Die Finanzbranche fühlt sich zu nachhaltigen Investments gedrängt, von der Politik aber allein gelassen. Quelle: dpa

Die Finanzbranche gerät unter Druck, sich stärker für Nachhaltigkeit zu engagieren. Aber Umweltbewusstsein kann nicht bei der Geldanlage anfangen und Versäumnisse der Politik können Investoren nicht wettmachen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Klimawandel und Luftverschmutzung stehen immer wieder auf der Politik-Agenda ganz oben. Aber viel passiert ist nicht. In Deutschland müssen Autofahrer mit Diesel-Fahrverboten rechnen, weil in Städten EU-Grenzwerte bei der Schadstoffbelastung der Luft überschritten werden. Noch immer dürfen Autobauer Dreckschleudern verkaufen. Der Ausstieg aus dem Atomstrom setzt Deutschland unter Druck, weil zahlreiche Kohlekraftwerke angefahren werden, die als Luftverpester gelten.

Jetzt wollen die EU-Finanzminister ausloten, was Investoren tun können. Mal wieder muss die Finanzbranche offenbar eine weitere Reform fürchten. Sie soll nach den Wünschen der Politik stärker auf grüne und nachhaltige Investments setzen, damit Klimaziele der EU erreicht werden können und möglichst auch noch der Kohlendioxid-Ausstoß verringert wird.

Die von der EU-Kommission eingerichtete High-Level Expert Group on sustainable finance, der 20 Finanzexperten angehören, hat kürzlich einen hundertseitigen Bericht mit manchen Empfehlungen an die EU vorgelegt. Aus Deutschland war unter den 20 Teilnehmern mit Michael Schmidt, Geschäftsführer bei Deka Investment, nur ein Vertreter. Und er hat sich in einem Interview mit der WirtschaftsWoche vor einigen Monaten besorgt darüber geäußert, dass sich Deutschland bei Nachhaltigkeitsthemen sehr zurückhalte. Auch von der künftigen Bunderegierung ist bei diesem Thema kaum ein Akzent zu erwarten.

Welche Auswirkungen der Klimawandel jetzt schon hat
Geht die Erwärmung der Erde ungebremst weiter, werden extreme Unwetter mit schweren Stürmen und Überschwemmungen häufiger auftreten, warnen Klimaforscher Quelle: dpa
Auf Klimaveränderungen reagieren Tiere, Pflanzen und Menschen empfindlich. Quelle: dpa
Pollen: Menschen, die ein Leben lang beschwerdefrei waren, bekommen vermehrt Allergien. Quelle: AP
Die Erderwärmung lässt Gletscher und das Eis der Pole schmelzen Quelle: dpa
Die Meereisdecken an den Polen waren im März so klein wie nie in einem solchen Monat seit Beginn der Messungen 1981. Quelle: dpa
Das weltgrößte Korallenriff, das Great Barrier Reef, vor Australien ist nach Expertenmeinung massiv vom Klimawandel betroffen. Quelle: REUTERS
Wegen der wärmeren Wassertemperaturen siedeln sich zum Beispiel in der Nordsee mittlerweile Sardinen, Anchovis und Pazifische Austern an. Quelle: dpa

Da trifft sich einerseits gut, dass längst viele Großanleger wie Fondsgesellschaften, Stiftungen und kirchliche Organisationen auf Nachhaltigkeit bei der Geldanlage achten und der Politik einen Schritt voraus sind. Kaum ein Trend hat in den vergangenen Jahren so viele neue Anhänger gefunden. Aber das machen die Investoren nicht, um der Politik zu gefallen, sondern aus reinem Eigennutz: Sie alle wollen damit langfristig Risiken aus ihren Depots verbannen, indem sie bei der Auswahl von Aktien oder Anleihen Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. „Die unternehmerische Glaubwürdigkeit und die positive Wirkung der Kapitalanlage spielen eine wichtige Rolle“, so etwa Wolfram Gerdes, Vorstand für Kapitalanlagen bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen.

Doch bislang ist alles Bemühen freiwillig. Seit Jahren schon verbannen manche Großanleger Kohle- und Ölproduzenten aus ihren Depots, weil sie befürchten, dass deren Aktienkurse auf Dauer unter dem politischen und gesellschaftlichen Druck und dem Klimaschutz leiden werden. Stiftungen oder Altersvorsorge-Institutionen etwa, die ihre Gelder an Fondsgesellschaften zur Anlage übergeben, achten vermehrt darauf, dass die Geldmanager sich auf Nachhaltigkeit verpflichtet haben.

Mit mehr Einmischung der EU aber riskiert die Finanzbranche einen Zwang zur Nachhaltigkeit. Das wollen viele nicht, denn wer sein Geld anlegt und damit über sein Eigentum verfüge, müsse die Freiheit haben, es so anzulegen, wie es ihm gefällt.

Die Ideen der Expertenrunde an die EU-Kommission richten sich vor allem an die Transparenz. Noch ist es sehr unscharf, was eigentlich grüne oder nachhaltige Geldanlagen ausmache.

- Bei der Geldanlage soll stärker auf eine langfristige Ausrichtung geachtet werden. Damit sollen die Geldverwalter verpflichtet werden auch stärker den langfristigen Anlagehorizont ihrer Kunden zu berücksichtigen. Somit zahle sich ein Fokus auf Nachhaltigkeitskriterien auch mehr aus.

- Die EU müsse stärker auf Veröffentlichung von Klimarisiken drängen. Bei Finanzanlagen kann das etwa bedeuten, dass der Kohlendioxid-Fußabdruck von Investitionen gemessen wird oder etwa der Wasserverbrauch.

- Die EU soll den Markt für nachhaltige Anleihen, so genannte Green Bonds, stärker standardisieren. Bislang gibt es in dem wachstumsstarken Markt keine allgemeinverbindlichen Standards.

- Bei Infrastrukturprojekten solle ebenfalls ein Standard zur Messung von Nachhaltigkeit eingeführt werden.

- Innerhalb der Finanzbranche muss sich der Nachhaltigkeitsgedanke noch stärker durchsetzen. Dieses Thema müsse zu den Pflichten der Verantwortlichen gehören.

- Altersvorsorgeeinrichten sollten zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet werden.

Die Finanzbranche, das ist allen klar, kann nicht das ausbaden, was die Politik versäumt hat. Sie hat teilweise unrealistische Abgasnormen für Automobilhersteller vorgeschrieben, sie hat keine Sanktionen gegen Spritschlucker ergriffen und dem Trend zu SUVs nichts entgegengesetzt. Sauber und vernünftig – das kann nicht bei der Geldanlage anfangen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%