Der Immobilienmarkt in kleineren Städten ist jetzt durch das große Überangebot besonders anfällig. Auf Städte auf Bezirks- und Präfekturebene (Tier-3- und Tier-4-Städte) entfielen 2013 gut zwei Drittel der Bauaktivitäten, in 43 Prozent dieser Städte fallen die Immobilienpreise bereits. „Der Immobilienzyklus in China dreht nach unten“, sagt Yao Wie, Volkswirt der französischen Société Générale.
Eine Analyse von Nomura zeigt, dass die Hälfte der Finanzierungsvehikel der lokalen Regierungen nicht genügend Cash-Flow produziert, um Schulden zu tilgen oder auch nur Zinsen zu bezahlen. Das gilt auch für immer mehr Unternehmen und die chinesische Volkswirtschaft insgesamt. Allein 9,2 Prozent der Wirtschaftsleistung gehen für Zinszahlungen drauf, eine höhere Quote als in den USA vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrisen 1929 und 2008. Der gesamte Schuldendienst zehrt inzwischen 38,6 Prozent der Wirtschaftsleistung auf. Chinas Minsky-Moment, der nach dem US-Ökonomen Hyman P. Minsky bezeichnete Übergang vom Kreditboom zum Absturz, rückt näher.
Neben der großzügigen Kreditvergabe chinesischer Banken und Schattenbanken haben auch Spekulanten über den Yuan-Carry-Trade die Blasen an den Immobilienmärkten aufgepumpt. Zinsgünstige Dollar- oder Yen-Kredite wurden in höher rentierende Anlagen in Yuan umgesetzt. Die chinesische Notenbank hat die Bandbreite, innerhalb derer der Yuan gegenüber dem Dollar fluktuieren darf, nun verbreitert, um den Yuan etwas abzuschwächen. Der Yuan sei um 15 bis 25 Prozent überbewertet, meint Diana Choyleva vom unabhängigen Researchhaus Lombard Street.
Kommt es zu einer massiven Auflösung des Yuan-Carry-Trades, droht Kapital aus China abzufließen. Wird der Wechselkurs von 6,20 Yuan pro Dollar überschritten, geraten viele Derivate-Geschäfte in die Verlustzone und könnten aufgelöst werden. Bricht die chinesische Kreditpyramide zusammen, wird Peking für die dann fällige Rekapitalisierung des Bankensystems auf seine aktuell 3821 Milliarden Dollar schweren Währungsreserven zurückgreifen. Ein Großteil davon aber wird in US-Staatsanleihen gehalten. Dass China aber lautlos und marktschonend aus US-Bonds herauskommt, ist eher unwahrscheinlich, zumal sich die US-Notenbank gerade als Käufer von Staatsanleihen zurückzieht. Es drohen also Kurseinbrüche von Bonds und damit steigende Zinsen in den USA.
In der Sonderwirtschaftszone Hongkong haben klamme Festlandchinesen bereits damit begonnen, ihre Luxuswohnungen zu verkaufen. Dabei nehmen sie Preiszugeständnisse von bis zu 20 Prozent in Kauf. Für Neubauten gibt es für Käufer Preisnachlässe von rund zwölf Prozent. Das sei nur der Auftakt gewesen, warnen die Analysten der Großbank Barclays. Gegenwärtig stehen die Immobilienpreise beim 13,3-Fachen des durchschnittlichen Jahreseinkommens, gegenüber einem historischen Durchschnitt von 8,7. Bis Ende 2015 würden die Preise um 30 Prozent fallen.
Zeitweise ging in Hongkong fast jede zweite zum Verkauf stehende Luxuswohnung an Festlandchinesen. Wenn diese Chinesen jetzt in Hongkong verkaufen, werden sie das bei anhaltender Kreditverknappung auch auf anderen Immobilienmärkten machen, wo sie in den vergangenen Jahren stark mitgemischt haben – etwa in Australien, Kanada oder Singapur. Dann droht die gegenwärtige Krise in Schwellenländern mit schwacher Leistungsbilanz auf Länder mit großen Kreditblasen überzuspringen – und auf Deutschland. Schließlich haben deutsche Konzerne das große Geld zuletzt in China gemacht. „Wenn dieser Markt ausfällt, dann ist das sehr negativ für den Dax“, sagt die Schweizer Investmentlegende Marc Faber.