Negativzins Handeln statt Jammern!

Die Verzinsung zehnjähriger Bundesanleihen ist negativ, Anleger verlieren damit Geld. Das Problem dürfte sich nicht einfach beseitigen lassen - jedenfalls nicht ohne Blessuren für Wirtschaft und Verbraucher.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Quelle: dpa

Heute ist ein historischer Tag. Zum ersten Mal in der Geschichte zahlen wir dem Staat Geld dafür, dass er sich bei uns für 10 Jahre verschuldet. Wer eine Bundesanleihe mit einer Laufzeit von zehn Jahren heute kauft, bekommt garantiert über die Laufzeit der zehn Jahre weniger zurück, als er heute an den Staat überweist. Was bisher schon für Anleihen mit kürzerer Laufzeit gilt, gilt nun auch für diese Kategorie von Anleihen. Damit folgt Deutschland der Schweiz und Japan immer mehr in die terra incognita des Negativzinses. Niemand weiß, wie die Reise enden wird. Gut wohl eher nicht.

Von null auf hundert und zurück
Negativ verzinste deutsche Staatspapiere: Quelle: dpa
Mario Draghi Quelle: REUTERS
Zentralbankzins für Einlagen unter null Quelle: dpa
Der Bund verdient Geld mit Anleihen. Quelle: dpa
16. Januar 2015Die Schweiz schreibt Geschichte am Anleihemarkt: Erstmals sinkt in einem Land  die Rendite einer Anleihe mit der Laufzeit von zehn Jahren unter null Prozent. Grund dafür war die überraschende Entscheidung der Schweizer Notenbank vom Vortag, den Euro-Mindestkurs zum Franken aufzuheben. Die Folge: Der Franken wertet drastisch auf, die Aktienkurse brechen ein – und Anleger fliehen in Anleihen. Am 9. April profitieren die Schweizer Steuerzahler von den Minuszinsen. Die Schweiz stockt die die zehnjährige Anleihe, die einen Zinsschein von 1,5 Prozent hat, zu einem Kurs von 116 Prozent auf. Daraus errechnet sich bei der Auktion eine negative Rendite von minus 0,055 Prozent. Anleger versuchen damit, den Strafzins von 0,75 Prozent zu umgehen, den die Schweizer Notenbank für kurzfristige Einlagen von Banken  festgelegt hat. Quelle: dpa
Die EZB macht Ernst. Quelle: dpa
Der Bund verdient jetzt Geld mit einer Fünfjahres-Anleihe Quelle: dpa

Die Notenbanken der Welt, nicht nur die EZB haben beschlossen, den Sparer zu enteignen, im verzweifelten Versuch die Weltwirtschaft aus der Stagnation zu befreien, den Euro zu retten und die Finanzkrise zu überwinden. Dabei sind die Notenbanken die Hauptverantwortlichen für die Überschuldung der westlichen Welt, deren Folgen wir immer mehr zu spüren bekommen. Mit ihrer jahrzehntelangen zu laxen Geldpolitik haben sie eine Abwärtsspirale der Zinsen ausgelöst, die selbstverstärkend wirkt. Tiefe Zinsen heute machen noch tiefere Zinsen morgen erforderlich, um den Schuldenturm vor dem Einsturz zu bewahren.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnt seit Jahren vor den Folgen dieser Politik, die bei jeder Krise die Geldschleusen geöffnet, danach jedoch niemals wieder richtig geschlossen hat. Vergeblich. Denn die Abwärtsspirale in der die Notenbanken gefangen sind, können sie nicht selber überwinden. Die Voraussetzung dafür ist so einfach gesagt wie schwer realisiert: die faulen Schulden müssen aus der Welt geschaffen werden.

Zur Person

Höhere Zinsen führen zur Pleitewelle

Die Welt ist so verschuldet wie nie zuvor. Die Gesamtverschuldung von Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten lag 2015 bei 350 Prozent vom BIP in China, 370 Prozent in den USA, 457 Prozent in Europa und 615 Prozent in Japan. In allen Regionen sind die Schulden erneut deutlich schneller gewachsen als die Wirtschaftsleistung. Jedes Gerede vom Sparen ist eben nur Gerede. Aus der Überschuldung kann man sich nicht heraussparen. Es bleiben nur Pleiten, Schuldenrestrukturierung, Besteuerung und Monetarisierung über die Notenbankbilanzen um das Schuldenmonster in den Griff zu bekommen. Keine dieser Alternativen ist politisch attraktiv.

Doch solange sich die Politik darum drückt, die Antwort auf die alles entscheidende Frage zu geben, wie wir die faulen Schulden und damit auch die Forderungen/Vermögen die diesen entgegen stehen aus der Welt schaffen, bleibt den Notenbanken keine andere Wahl als mit immer mehr billigem Geld und dem Aufkaufen fauler Schulden die Illusion aufrecht zu erhalten, wir seien nicht pleite. Wir sind es aber.

Zinserhöhungen sind deshalb völlig unrealistisch. Denn was wäre die Folge? Eine Pleitewelle in den Krisenländern der Eurozone und zwar von Staaten, privaten Haushalten, Unternehmen und Banken. Ein scharfer Einbruch der deutschen Exporte bedingt durch eine deutliche Aufwertung des Euro und einer heftigen Rezession in der Eurozone. Und vor allem ein erheblicher Vermögensverlust für uns Deutsche, sind wir doch die Hauptgläubiger der Eurozone.

Fundamentale Verschiebung in der Weltwirtschaft

Damit würden die Notenbanken entscheiden, auf welchem Weg die Bereinigung der faulen Schulden erfolgt. Nämlich auf dem brutalsten und auch für die Gläubiger teuersten Weg. Wie bei einer Unternehmensinsolvenz ist es auch bei der Insolvenz eines ganzen Landes aus Sicht der Gläubiger besser, einen geordneten Prozess durchzuführen, statt eines chaotischen. Deshalb halten die Notenbanken das System am Laufen und verhindern den Zusammenbruch des Schuldenturms in dem sie mit billigem Geld quasi Zement in das Fundament spritzen. Dumm nur, dass wir zeitgleich immer neue Stockwerke auf den Turm drauf setzen.

Schuldenschnitt und Reformen für höhere Zinsen

Wenn wir es ernst meinen mit dem Wunsch nach höheren Zinsen, müssen zwei fundamentale Dinge geschehen: Zunächst sind die faulen Schulden in einem geordneten Prozess aus der Welt schaffen, was übrigens für die deutschen Steuerzahler nicht billig wird. Gute eine Billion Euro dürfte es uns kosten, die Folgen der verfehlten Euroeinführung und der Euro-„Rettungs-Politik“ zu bewältigen. Wie dies zu machen wäre, habe ich hier erklärt.

Dies dem Volk zu sagen, dürfte sich wohl jede Partei in Deutschland verweigern und stattdessen lieber die EZB weiter machen lassen wie bisher.

Geldpolitik der EZB: Belastungen durch Niedrigzinsen

Doch selbst wenn sich die Politik dazu durchringen würde, das Notwendige mit Blick auf die Schulden zu tun, so genügt das nicht. Die Zinsen sind nicht nur wegen der Politik der EZB so tief. Sie wiederspiegeln auch eine fundamentale Verschiebung in der Weltwirtschaft: Die Erwerbsbevölkerung stagniert bzw. beginnt zu schrumpfen und die Produktivitätszuwächse sind seit Jahren rückläufig. Diese beiden Faktoren sind es jedoch, die das langfristige Wirtschaftswachstum und damit den Zins beeinflussen. Gesellschaften die schrumpfen haben keine hohen Zinsen.

Die Antwort wäre ein Reformprogramm für Deutschland und Europa um das langfristige Wachstum zu stärken. Mehr Erwerbsbeteiligung von Frauen und Alten, mehr Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur. Kurz gesagt: Weniger staatlicher Konsum und mehr Investition. Gerade die Älteren müssten möglichst lange arbeiten und wir werden nicht darum herum kommen, die Leistungen für die ältere Gesellschaft zu senken.

Geldpolitik der EZB: Entlastungen durch Niedrigzinsen

Doch was macht die Politik? Mütterrente, Lebensleistungsrente, jetzt Grundrente. Alles geht in Richtung Konsum und weniger Erwerbsbeteiligung. Und damit in Richtung tiefer Zinsen.

Wer wieder höhere Zinsen will, muss und kann handeln. Da ist es doch viel einfacher, die Schuld bei der EZB zu suchen. Die hat uns zwar in die Krise geführt. Beenden kann sie sie jedoch nicht!

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%