WirtschaftsWoche: Herr Friedrich, Herr Weik, Sie vertreten die Position, dass aufgrund des bevorstehenden Crashs des Finanzsystems Geldanlagen zu vermeiden und ausschließlich in Sachanlagen zu investieren sei.
Friedrich: Die Zeit der Papierwerte ist vorbei. Was früher funktioniert hat, also Anleihen, Fonds, Bausparverträge oder Lebensversicherungen, bringt keine vernünftigen Renditen mehr, ist riskant und verliert an Wert. Sachwerte haben sich seit Hunderten von Jahren bewährt.
Was bedeutet das konkret?
Friedrich: Sie dienen ihrem Eigentümer direkt, ohne dass jemand ständig mitverdient. Bei Papierwerten kassiert die Finanzbranche mit, über Depotgebühren, Provisionen, Managementgebühren oder Ausgabeaufschläge. Wenn Sie noch die Inflation einrechnen, müssen Sie oftmals zehn Prozent erwirtschaften, um ihren Einstandspreis zu erreichen.
Was sind für Sie attraktive Sachwerte?
Weik: Gold, Silber, Wald, Äcker, ein selbst genutztes Haus, direkte Unternehmensbeteiligungen oder Genussrechte von Unternehmen.
Auch deren Marktpreise können unter Einstandspreis fallen. Außerdem sind sie oft schlechter handelbar.
Weik: Sachwerte können aber nicht wertlos werden, Papierwerte hingegen schon. Das ist der wichtige Vorteil.
Dann kämen auch Kunst, Oldtimer oder Teppiche infrage?
Friedrich: Davon raten wir ab. Wenn Sie so etwas besitzen, machen Sie es besser jetzt zu Geld. Noch erhalten Sie einen Liebhaberbonus dafür, aber in einer Krise bekommen Sie dafür höchstens den Materialwert.
Anleger wollen Rendite sehen, ihr Geld soll für sie arbeiten.
Weik: Die Zeit der Rendite ist vorbei, es geht um Vermögenserhalt. Wer es schafft, 60 bis 80 Prozent seines Vermögens zu erhalten, gehört zu den Gewinnern. Geld arbeitet nicht, Menschen arbeiten. Ich habe noch nie einen Geldschein gesehen, der auf dem Feld Spargel zieht.
Was ist mit Aktien solider Unternehmen oder einer vermieteten Immobilie? Die bringen regelmäßig Dividenden- oder Mieteinnahmen.
Friedrich: Die Preise für Aktien und deutsche Wohnimmobilien in den Metropolen sind überhitzt. Da drängt sich kein Engagement mehr auf. Bei Immobilien besteht zudem die Gefahr, dass Vater Staat deren Besitzer zur Kasse bittet.
Sie sagen, Geld arbeitet nicht. Aber Geld kann produktiv angelegt werden. Wo machen Sie das, wenn nicht in Aktien?
Weik: Wir sind große Anhänger des Regionalitätsprinzips. Global denken, lokal anlegen. Warum sollen Anleger ihr Geld weltweit in teilweise moralisch und ethisch fragwürdige Papierprodukte stecken, statt ihr Geld wirken zu lassen, wo sie leben und arbeiten. Damit stärken sie die heimische Wirtschaft und schaffen Arbeitsplätze. Es gibt etliche Firmen, die Geld benötigen. Mit einer direkten Beteiligung werden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Welche?
Weik: Die Bank bleibt draußen, das Unternehmen bekommt zinsgünstig ein Darlehen, der Anleger eine Verzinsung über der Inflation - oder Naturalien.
Sachwerte statt Gebührenschleudern
Den Zins muss das Unternehmen erst verdienen. Unternehmen können auch pleitegehen.
Friedrich: Deshalb lässt sich der Kreditgeber seine Ansprüche beim Vertrag durch Sachwerte absichern. Wenn dieser Markt, der noch in den Kinderschuhen steckt, weiter wächst, wird sich die ungesunde Abhängigkeit der Unternehmen von den Banken lockern. Die Banken werden gezwungen umzudenken und wieder ihren eigentlichen Daseinszweck in den Mittelpunkt stellen und nicht die Gier.
Gehört die Gier nicht dazu? Sie selbst wollen Bücher verkaufen und legen jetzt Wald- und Agrarfonds auf. Das machen Sie kaum ehrenamtlich.
Weik: Das werden aber keine Gebührenschleudern wie die üblichen geschlossenen und meist undurchschaubaren Beteiligungsprodukte. Bei uns schließen sich Investoren zusammen, die als Eigentümergemeinschaft einen Wald oder Ackerfläche kaufen. Jeder Investor wird im Grundbuch festgehalten. Wald und Acker werden verpachtet, sodass sich nicht jeder Besitzer direkt kümmern muss.
Was empfehlen Sie noch?
Weik: Ein Sachwert, den die meisten auslassen, ist Bargeld.
Das war in Simbabwe der Sachwert schlechthin. Am Ende taugte es als Toilettenpapier.
Weik: In einer Hyperinflation stecken wir ja noch nicht. Wir alle verlassen uns zu sehr auf Plastikgeld, Bankkonten und Geldautomaten. Wenn aber Banken, wie in Zypern, geschlossen werden oder Konten eingefroren werden, dann ist es gewiss nicht verkehrt, zur Überbrückung auf eine Bargeldreserve zurückgreifen zu können.
Werden denn bald wieder Banken geschlossen?
Weik: Das ist jederzeit denkbar. Nach dem Bankenstresstest in Europa sehen wir vielleicht klarer, welche Banken in der Klemme stecken und durch Steuergelder künstlich am Leben gehalten werden müssen.
Wird der Euro überleben?
Weik: Nein, der Euro kann in seiner jetzigen Konstellation auf Dauer nicht überleben. Ein Geld, das man retten muss, ist kein Geld.
Ursachen und Chancen eines Euro-Crashs
Also keine Chance?
Weik: Wir müssen uns von dem Experiment Euro verabschieden. Vielen Ländern geht es mit dem Euro schlechter als vor dessen Einführung. In Italien etwa ist die Industrieproduktion auf das Niveau von 1986 geschrumpft, in Griechenland auf das Niveau von 1978. Die Arbeitslosenzahlen explodieren und die Schuldenquoten steigen weiter an. Die Krisenländer sollten wieder eigene Währungen einführen. Außerdem brauchen sie einen Schuldenschnitt. Dieser wird sowieso kommen, ob mit oder ohne Euro.
Ist nicht Frankreich der eigentliche Sprengsatz für den Euro?
Weik: Durchaus. Frankreich schlittert immer weiter in die Krise. Die Arbeitslosenquote erreicht elf Prozent, bei Jugendlichen liegt sie bei 25 Prozent. Die jungen Leute dort sind frustriert und sehen keine Perspektive. Sie werden irgendwann auf die Straße gehen und ihr Recht einfordern. Die französische Automobilindustrie, eine der Schlüsselindustrien des Landes, produziert nur noch halb so viel Autos wie 2005. Die Industrieproduktion befindet sich auf dem Niveau von 1994. Damit lassen sich die Schulden von 2013 niemals bezahlen. Staatspräsident François Hollande und seine Regierung sind vollkommen überfordert. Noch nie war ein französischer Präsident im Volk unbeliebter. Immer mehr Franzosen wehren sich gegen die höchste Steuer- und Abgabenlast der Eurozone. Die Gefahr politischer Instabilität in Frankreich ist besonders hoch. Wenn Frankreich kippt oder aus dem Euro austritt, ist der Euro Geschichte.
Wird die Europäische Union den Euro überleben?
Friedrich: Ich hoffe es. Zwar hat sich der EU-Apparat zu weit von der Realität und den Bürgern entfernt. Aber Europa ist nicht gleichzusetzen mit der Währungsunion oder der Europäischen Union. Europa als Kontinent soll näher zusammenrücken und gemeinsam sinnvolle Entscheidungen treffen – politisch und wirtschaftlich. Allerdings ist der aktuelle Weg nicht der richtige. Kein Land sollte seine Souveränität an eine Institution abgeben müssen, die dazu demokratisch nicht legitimiert wurde und keiner wirklichen Kontrolle unterliegt. Das ist ein schlechtes Fundament für ein gemeinsames Europa. Das Raumschiff Brüssel mit seinem enormen Wasserkopf richtet immer mehr Schaden an. Ein Kontinent lässt sich nicht per Verordnung vereinheitlichen. Außerdem lebt Europa ja gerade von seiner Vielfalt.
Was muss passieren, damit die europäische Idee überlebt?
Friedrich: Wenn wir den Kern der europäischen Idee am Leben erhalten möchten, dann benötigen viele südeuropäische Länder einen Marshall-Plan wie Deutschland nach dem 2.Weltkrieg.
Wer soll den finanzieren?
Friedrich: Das wird vor allem Deutschland übernehmen müssen. Es gibt nicht mehr viele wirtschaftlich starke Länder in Europa.
Sie sprechen vom "größten Raubzug der Geschichte". Wer sind die Räuber, wer sind die Beraubten?
Friedrich: Die Räuber, das sind unter anderem viele führenden Köpfe in der internationalen Finanzbranche. Ihren Raubzug begehen sie Hand in Hand mit der Politik. Die eigentlichen Verlierer sind wir - die Bürger. Nicht der Staat geht Pleite sondern die Bürger.
Muss das gegenwärtige Finanzsystem zusammenbrechen, damit ein besseres entstehen kann?
Friedrich: Politik und die Finanzbranche versuchen um jeden Preis, den Status Quo aufrecht zu erhalten. Deshalb kann nur der Crash die Lösung sein. Rückblickend zieht sich dies wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit. Erst wenn die Schmerzgrenze erreicht und der Leidensdruck hoch genug ist, dann scheinen wir bereit zu sein, etwas nachhaltig zu verändern. Ein entscheidendes Umdenken wird nicht freiwillig stattfinden. Meist zwingt uns ein katastrophales Ereignis dazu. So wurde beispielsweise die Energiewende in Deutschland erst durch Fukushima eingeleitet. Ein Neuanfang hat auch immer etwas Reinigendes und Positives. Denken wir an Hermann Hesse: In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.