Niedrigzinsen "Nicht der Staat geht Pleite, sondern seine Bürger"

Die Autoren des Bestsellers "Der größte Raubzug der Geschichte", Marc Friedrich und Matthias Weik, über das Ende des Experiments Euro, den Sachwert Bargeld und Alternativen, die Sparern Schutz bieten.

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Matthias Weik und Mark Friedrich Quelle: PR

WirtschaftsWoche: Herr Friedrich, Herr Weik, Sie vertreten die Position, dass aufgrund des bevorstehenden Crashs des Finanzsystems Geldanlagen zu vermeiden und ausschließlich in Sachanlagen zu investieren sei.

Friedrich: Die Zeit der Papierwerte ist vorbei. Was früher funktioniert hat, also Anleihen, Fonds, Bausparverträge oder Lebensversicherungen, bringt keine vernünftigen Renditen mehr, ist riskant und verliert an Wert. Sachwerte haben sich seit Hunderten von Jahren bewährt.

Was bedeutet das konkret?

Friedrich: Sie dienen ihrem Eigentümer direkt, ohne dass jemand ständig mitverdient. Bei Papierwerten kassiert die Finanzbranche mit, über Depotgebühren, Provisionen, Managementgebühren oder Ausgabeaufschläge. Wenn Sie noch die Inflation einrechnen, müssen Sie oftmals zehn Prozent erwirtschaften, um ihren Einstandspreis zu erreichen.

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Was sind für Sie attraktive Sachwerte?

Weik: Gold, Silber, Wald, Äcker, ein selbst genutztes Haus, direkte Unternehmensbeteiligungen oder Genussrechte von Unternehmen.

Auch deren Marktpreise können unter Einstandspreis fallen. Außerdem sind sie oft schlechter handelbar.

Weik: Sachwerte können aber nicht wertlos werden, Papierwerte hingegen schon. Das ist der wichtige Vorteil.

Dann kämen auch Kunst, Oldtimer oder Teppiche infrage?

Friedrich: Davon raten wir ab. Wenn Sie so etwas besitzen, machen Sie es besser jetzt zu Geld. Noch erhalten Sie einen Liebhaberbonus dafür, aber in einer Krise bekommen Sie dafür höchstens den Materialwert.

Welche Länder ihre Sparer enteignen
TürkeiDie Inflation liegt in der Türkei bei sehr hohen 7,71 Prozent im Jahr. Dafür sind aber auch die Tagesgelder in türkischer Lira relativ hoch verzinst, es gibt 7,63 Prozent Zinsen. Damit liegt der Realzins, errechnet aus Tagesgeldzins und Inflationsrate mit -0,08 Prozent nur leicht im Minus. In den nachfolgenden Ländern ist die Lage allerdings noch schlimmer. Mehr gibt es zum Beispiel in Spanien. Dort fallen die Preise, es gibt also Deflation mit -0,10 Prozent Preissteigerung. Weil es auf dem Tagesgeldkonto immerhin 0,08 Prozent Zinsen gibt, verdienen Sparer in Spanien sogar noch etwas. Der Realzins liegt bei +0,18 Prozent. Ähnliches gilt für die Schweiz. Stand: 25.11.2013, Quelle: Bloomberg Quelle: REUTERS
KanadaDie Inflationsrate liegt in Kanada bei moderaten 1,10 Prozent, auf dem Tagesgeldkonto gibt es aber auch nur 0,95 Prozent. Für Sparer ein reales Minus von 0,15 Prozent. Quelle: REUTERS
RusslandDie Inflation beutelt das lang mit einer Preissteigerungsrate von 6,30 Prozent. Dafür gibt es für Tagesgeld 6,00 Prozent. Der Wertverlust der Ersparnisse liegt so bei 0,30 Prozent im Jahr. Dennoch erwartet die staatlich kontrollierte Sberbank (Logo neben einer Kirche in Moskau) eine Verdoppelung der Vermögen und Gewinne in den nächsten fünf Jahren.emetov (RUSSIA - Tags: BUSINESS LOGO) Quelle: REUTERS
SüdafrikaDer südafrikanische Rand verliert jährlich 5,5 Prozent an Wert. Wer sein Geld auf Tagesgeldkonto bekommt nur 5,0 Prozent Zinsen. Realer Wertverlust pro Jahr: 0,5 Prozent Quelle: AP
Frankreich Der große Nachbar Deutschland verzeichnet eine Preissteigerungsrate von 0,6 Prozent. Für Tagesgeld gibt es im Schnitt nur noch 0,08 Prozent Zinsen. Der reale Wertverlust liegt somit jährlich bei 0,53 Prozent. Frankreichs Probleme liegen auch im Bankensektor. Zu den von der Ratingagentur S&P heruntergestuften Banken gehörten auch Frankreichs Großbanken BNP Paribas, Société Générale und Credit Agricole. Quelle: dpa
ChinaDer chinesische Yuan verliert jährlich 3,2 Prozent an Wert, der 3-Monats-Zinssatz liegt aber nur bei 2,6 Prozent. Macht für Sparer ein Minus von 0,6 Prozent pro Jahr. Quelle: REUTERS
ItalienIn Italien steigen die Preise nach jüngsten Angaben um 0,8 Prozent. Tagesgeld wird aber nur mit 0,08 Prozent verzinst. Für Sparer unter dem Strich ein Wertverlust von 0,73 Prozent pro Jahr. Quelle: dpa

Anleger wollen Rendite sehen, ihr Geld soll für sie arbeiten.

Weik: Die Zeit der Rendite ist vorbei, es geht um Vermögenserhalt. Wer es schafft, 60 bis 80 Prozent seines Vermögens zu erhalten, gehört zu den Gewinnern. Geld arbeitet nicht, Menschen arbeiten. Ich habe noch nie einen Geldschein gesehen, der auf dem Feld Spargel zieht.

Was ist mit Aktien solider Unternehmen oder einer vermieteten Immobilie? Die bringen regelmäßig Dividenden- oder Mieteinnahmen.

Friedrich: Die Preise für Aktien und deutsche Wohnimmobilien in den Metropolen sind überhitzt. Da drängt sich kein Engagement mehr auf. Bei Immobilien besteht zudem die Gefahr, dass Vater Staat deren Besitzer zur Kasse bittet.

Sie sagen, Geld arbeitet nicht. Aber Geld kann produktiv angelegt werden. Wo machen Sie das, wenn nicht in Aktien?

Weik: Wir sind große Anhänger des Regionalitätsprinzips. Global denken, lokal anlegen. Warum sollen Anleger ihr Geld weltweit in teilweise moralisch und ethisch fragwürdige Papierprodukte stecken, statt ihr Geld wirken zu lassen, wo sie leben und arbeiten. Damit stärken sie die heimische Wirtschaft und schaffen Arbeitsplätze. Es gibt etliche Firmen, die Geld benötigen. Mit einer direkten Beteiligung werden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Welche?

Weik: Die Bank bleibt draußen, das Unternehmen bekommt zinsgünstig ein Darlehen, der Anleger eine Verzinsung über der Inflation - oder Naturalien.

Sachwerte statt Gebührenschleudern

Deutsche fürchten die Inflation
Die Deutschen sind fleißige Sparer. Nur verhalten sie sich bei der Geldanlage oftmals irrational. "Deutsche Haushalte wetten bei ihrer Geldanlage auf Deflation"– sagte Tobias Graf von Bernstorff, Leiter der Düsseldorfer Niederlassung des Bankhauses B. Metzler seel. Sohn & Co. Viele Deutsche legten ihr Vermögen überwiegend in Bargeld, Sichteinlagen und Anleihen an. In Aktien legen nur gut fünf Prozent der Deutschen an (direkt) beziehungsweise zehn Prozent, wenn man indirekte Investments über Fonds und Versicherungen miteinbezieht. Quelle: REUTERS
Dabei ist eine der größten Ängste der Deutschen die Preissteigung. Nur ihrer Anlagestrategie merkt man das nicht an. 75 Prozent haben ihr Geld schlicht auf der Bank liegen oder investieren in Anleihen. Kommt eine Inflation, wäre der Wert des Geldes futsch. Quelle: dpa
Auf den ersten Blick sei Inflation ein Krisenaspekt, von dem die Deutschen bisher weitgehend verschont geblieben seien. Die harmonisierte deutsche Inflationsrate sank seit Herbst 2011 von 2,9 Prozent auf 1,6 Prozent im September 2013. Die Ängste vor einer "Geldschwemme" scheinen somit weitgehend unbegründet. "Wir zweifeln jedoch daran, dass die niedrigen Raten der Vergangenheit auch für die Zukunft angenommen werden können", so von Bernstorff vom Bankhaus Metzler. Quelle: dpa
Das Wachstum des Kapitalstocks habe sich in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren infolge der geringen Investitionen verlangsamt, die Arbeitskräfte würden knapp, und die Löhne stiegen. Der Preisdruck zeichne sich bereits in der sogenannten Kerninflationsrate ab. Deshalb sollten Anleger ihr Geld aus dem Sparstrumpf holen und es lieber inflationssicher anlegen. Quelle: dpa
So ließe sich angesichts des erwarteten Weltwirtschaftswachstums besondere mit deutschen Aktien profitieren. "Die Bewertung deutscher Aktien ist nicht so hoch, wie der Indexstand glauben machen will. Denn beim DAX fließen die Dividendenzahlungen in die Indexberechnung mit ein, sodass er schneller steigt als ein ausschließlich auf Aktienkursentwicklung beruhender Index", erläutert Frank Naab, Leiter Portfoliomanagement Metzler Private Banking. "Auf reiner Kursbasis gerechnet liegt der DAX noch ca zehn Prozent unter seinem alten Höchststand von 2007 – und das bei vergleichbaren Nettoergebnissen der Unternehmen." Quelle: dpa
Daneben eigneten sich US-Aktien als defensives Basisinvestment. US-Titel seien mit einer Dividendenrendite von zwei Prozent und einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 2,5 gegenüber ihren europäischen Pendants zwar ambitionierter bewertet, hierin drücke sich aber auch eine generelle Vorliebe der Anleger für US-Titel aus. Quelle: dpa
Rentenanleger stünden im Hinblick auf das aktuelle makroökonomische Umfeld dagegen vor einem Dilemma: Angesichts der historisch niedrigen Zinsen sei es kaum möglich, einen positiven Realzins zu erwirtschaften. Durch den Kauf langlaufender Anleihen ließe sich diesem Problem der Realzinsfalle zwar mit höheren Laufzeitenprämien und so mit einer insgesamt höheren Rendite begegnen, jedoch seien gerade Anleihen mit langer Laufzeit im Falle steigender Zinsen besonders von Kursverlusten bedroht. Quelle: dpa

Den Zins muss das Unternehmen erst verdienen. Unternehmen können auch pleitegehen.

Friedrich: Deshalb lässt sich der Kreditgeber seine Ansprüche beim Vertrag durch Sachwerte absichern. Wenn dieser Markt, der noch in den Kinderschuhen steckt, weiter wächst, wird sich die ungesunde Abhängigkeit der Unternehmen von den Banken lockern. Die Banken werden gezwungen umzudenken und wieder ihren eigentlichen Daseinszweck in den Mittelpunkt stellen und nicht die Gier.

Gehört die Gier nicht dazu? Sie selbst wollen Bücher verkaufen und legen jetzt Wald- und Agrarfonds auf. Das machen Sie kaum ehrenamtlich.

Weik: Das werden aber keine Gebührenschleudern wie die üblichen geschlossenen und meist undurchschaubaren Beteiligungsprodukte. Bei uns schließen sich Investoren zusammen, die als Eigentümergemeinschaft einen Wald oder Ackerfläche kaufen. Jeder Investor wird im Grundbuch festgehalten. Wald und Acker werden verpachtet, sodass sich nicht jeder Besitzer direkt kümmern muss.

Was empfehlen Sie noch?

Weik: Ein Sachwert, den die meisten auslassen, ist Bargeld.

Hier leben Deutschlands Sparfüchse
Wenn es ums Sparen geht, sind die Deutschen Meister: Jeder Dritte legt monatlich Geld zur Seite. Mehr als 40 Prozent sparen entweder regelmäßig im Jahr oder füttern wenigstens ab und zu das Sparschwein. Deutschland hat eine der höchsten Sparquoten in Europa. 2012 hatten die Deutschen im Schnitt 20.164 Euro auf der hohen Kante. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Emnid. Quelle: dpa
Doch für viele wird das Sparen wegen der Wirtschaftskrise und der anhaltenden Zinsflaute unattraktiv: 38,6 Prozent der Befragten haben aufgrund der Wirtschaftslage ihre Strategie im letzten halben Jahr verändert. Vor zwei Jahren war es gerade Mal knapp ein Fünftel. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Dabei stieg die Zahl derjenigen, die heute mehr Geld beiseite legen als vor zwei Jahren, um 14,8 Prozent. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Im Jahr 2012 landeten im Schnitt 829 Euro mehr auf deutschen Sparbüchern als im Vorjahr. Das durchschnittliche Einlageguthaben betrug 20.164 Euro. Doch nicht jeder spart gleich viel: Die Guthaben fallen regional unterschiedlich aus. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Spitzensparer sind wie bereits in den vergangenen Jahren die Hessen. 38.863 Euro haben die Bewohner des Bundeslandes im Schnitt auf der hohen Kante liegen. Das sind 3.799 Euro mehr als im vergangenen Jahr – und bundesweit der stärkste Anstieg des Sparvermögens. Quelle: dpa
Platz zwei belegt Hamburg mit 25.816 Euro Sparguthaben pro Kopf. Quelle: dapd
Auch in Berlin, dem nach Bremen am stärksten verschuldeten Bundesland, leben ziemlich sparsame Menschen:  25.305 hat der Durchschnittsberliner im Sparstrumpf – die dritthöchsten Einlagen bundesweit. Quelle: AP

Das war in Simbabwe der Sachwert schlechthin. Am Ende taugte es als Toilettenpapier.

Weik: In einer Hyperinflation stecken wir ja noch nicht. Wir alle verlassen uns zu sehr auf Plastikgeld, Bankkonten und Geldautomaten. Wenn aber Banken, wie in Zypern, geschlossen werden oder Konten eingefroren werden, dann ist es gewiss nicht verkehrt, zur Überbrückung auf eine Bargeldreserve zurückgreifen zu können.

Werden denn bald wieder Banken geschlossen?

Weik: Das ist jederzeit denkbar. Nach dem Bankenstresstest in Europa sehen wir vielleicht klarer, welche Banken in der Klemme stecken und durch Steuergelder künstlich am Leben gehalten werden müssen.

Wird der Euro überleben?

Weik: Nein, der Euro kann in seiner jetzigen Konstellation auf Dauer nicht überleben. Ein Geld, das man retten muss, ist kein Geld.

Ursachen und Chancen eines Euro-Crashs

Auf diese Niedrigzinsprodukte schwören die Deutschen
FestgeldDas Marktforschungsinstitut TNS Emnid hat ermittelt, wo die Deutschen ihr Geld im Jahr 2013 angelegt haben. Auch 2011 hat sich das Institut das Spar- und Anlageverhalten der Deutschen angesehen. Das Ergebnis: Die Deutschen sparen zwar mitunter mehr Geld als noch vor zwei Jahren, aber es scheint ihnen mittlerweile völlig egal zu sein, wie viel Zinsen sie bekommen. So parken dieses Jahr fast 20 Prozent der Deutschen ihr Geld auf Festgeldkonten (2011 waren es rund 15 Prozent), auf denen sie maximal 1,91 Prozent bekommen (VakifBank). Quelle: Fotolia
Sparstrumpf22 Prozent stecken ihr Erspartes in die Sparstrümpfe oder das Schweinchen. Jedenfalls antworteten sie auf die Frage nach ihrer Geldanlage, dass sie ihr Geld zuhause verwahren. Quelle: Fotolia
TagesgeldDeutlich mehr Zinsen als beim heimischen Sparschwein winken den 27 Prozent der Deutschen, die ihr Erspartes aufs Tagesgeldkonto legen. Bei 1,1 Prozent Inflation im August sind 1,5 Prozent Zinsen allerdings nicht wirklich lohnend. Quelle: Fotolia
SparbuchDas Sparbuch ist in diesem Jahr deutlich in der Gunst der Deutschen gefallen. Im ersten Quartal 2013 ist die Beliebtheit des Sparkontos um fünf Prozentpunkte auf 31 Prozent gesunken. Trotzdem ist das Sparbuch mit seinen 0,1 bis 1,5 Prozent Zinsen die Nummer vier der beliebtesten Anlageformen der Deutschen. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
LebensversicherungenDie Lebensversicherung ist seit Jahrzehnten der Deutschen liebste Form der Altersvorsorge, es existieren Millionen Verträge. Und auch, wenn die Zeiten üppiger Renditen schon lange vorbei sind und die Policen immer häufiger als Kostenfalle, Abzocke und Auslaufmodell gelten: Die Deutschen lieben sie. Allein in diesem Jahr gaben 33 Prozent der Befragten an, ihr Erspartes in Lebensversicherungen zu stecken. Quelle: dpa
BausparverträgeDie Nummer zwei in der Gunst der Deutschen ist der Bausparvertrag. Er zählt vor allem noch immer zu den Klassikern der Immobilienfinanzierung. Dementsprechend gaben 34 Prozent an, 2013 ihr Geld in Bausparverträgen anzulegen. Quelle: dpa
GirokontoDie meisten Deutschen parken ihr Geld allerdings auf dem völlig unverzinsten Girokonto. 45 Prozent nutzen dieses Konto 2013, um ihr Geld zu verwahren. Quelle: dpa

Also keine Chance?

Weik: Wir müssen uns von dem Experiment Euro verabschieden. Vielen Ländern geht es mit dem Euro schlechter als vor dessen Einführung. In Italien etwa ist die Industrieproduktion auf das Niveau von 1986 geschrumpft, in Griechenland auf das Niveau von 1978. Die Arbeitslosenzahlen explodieren und die Schuldenquoten steigen weiter an. Die Krisenländer sollten wieder eigene Währungen einführen. Außerdem brauchen sie einen Schuldenschnitt. Dieser wird sowieso kommen, ob mit oder ohne Euro.

Ist nicht Frankreich der eigentliche Sprengsatz für den Euro?

Weik: Durchaus. Frankreich schlittert immer weiter in die Krise. Die Arbeitslosenquote erreicht elf Prozent, bei Jugendlichen liegt sie bei 25 Prozent. Die jungen Leute dort sind frustriert und sehen keine Perspektive. Sie werden irgendwann auf die Straße gehen und ihr Recht einfordern. Die französische Automobilindustrie, eine der Schlüsselindustrien des Landes, produziert nur noch halb so viel Autos wie 2005. Die Industrieproduktion befindet sich auf dem Niveau von 1994. Damit lassen sich die Schulden von 2013 niemals bezahlen. Staatspräsident François Hollande und seine Regierung sind vollkommen überfordert. Noch nie war ein französischer Präsident im Volk unbeliebter. Immer mehr Franzosen wehren sich gegen die höchste Steuer- und Abgabenlast der Eurozone. Die Gefahr politischer Instabilität  in Frankreich ist besonders hoch.  Wenn Frankreich kippt oder aus dem Euro austritt, ist der Euro Geschichte.

Wird die Europäische Union den Euro überleben?

Friedrich: Ich hoffe es. Zwar hat sich der EU-Apparat zu weit von der Realität und den Bürgern entfernt. Aber Europa ist nicht gleichzusetzen mit der Währungsunion oder der Europäischen Union. Europa als Kontinent soll näher zusammenrücken und gemeinsam sinnvolle Entscheidungen treffen – politisch und wirtschaftlich. Allerdings ist der aktuelle Weg nicht der richtige. Kein Land sollte seine Souveränität an eine Institution abgeben müssen, die dazu demokratisch nicht legitimiert wurde und keiner wirklichen Kontrolle unterliegt. Das ist ein schlechtes Fundament für ein gemeinsames Europa. Das Raumschiff Brüssel mit seinem enormen Wasserkopf richtet immer mehr Schaden an. Ein Kontinent lässt sich nicht per Verordnung vereinheitlichen. Außerdem lebt Europa ja gerade von seiner Vielfalt.

Was muss passieren, damit die europäische Idee überlebt?

Friedrich: Wenn wir den Kern der europäischen Idee am Leben erhalten möchten, dann benötigen viele südeuropäische Länder einen Marshall-Plan wie Deutschland nach dem 2.Weltkrieg.  

Wer soll den finanzieren?

Friedrich: Das wird vor allem Deutschland übernehmen müssen. Es gibt nicht mehr viele wirtschaftlich starke Länder in Europa. 

Sie sprechen vom "größten Raubzug der Geschichte". Wer sind die Räuber, wer sind die Beraubten?

Friedrich: Die Räuber, das sind unter anderem viele führenden Köpfe in der internationalen Finanzbranche. Ihren Raubzug begehen sie Hand in Hand mit der Politik. Die eigentlichen Verlierer sind wir - die Bürger. Nicht der Staat geht Pleite sondern die Bürger.

Muss das gegenwärtige Finanzsystem zusammenbrechen, damit ein besseres entstehen kann? 



Friedrich: Politik und die Finanzbranche versuchen um jeden Preis, den Status Quo aufrecht zu erhalten. Deshalb kann nur der Crash die Lösung sein. Rückblickend zieht sich dies wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit.  Erst wenn die Schmerzgrenze erreicht und der Leidensdruck hoch genug ist, dann scheinen wir bereit zu sein, etwas nachhaltig zu verändern. Ein entscheidendes Umdenken wird nicht freiwillig stattfinden. Meist zwingt uns ein katastrophales Ereignis dazu. So wurde beispielsweise die Energiewende in Deutschland erst durch Fukushima eingeleitet. Ein Neuanfang hat auch immer etwas Reinigendes und Positives. Denken wir an Hermann Hesse: In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.

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