Nostalgische Poster Plakate als wertstabile Anlage

Die nostalgischen Poster wanderten von Litfaßsäulen und Bauzäunen auf die Tische der Auktionshäuser. Sammler schätzen Plakate als veritablen Blickfang und solide Geldanlage.

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Campari-Werbeplakat

Sie galt als der eleganteste, größte und schnellste Luxusliner ihrer Ära. Am 29. Mai 1935 startete die Normandie zu ihrer Jungfernfahrt von Le Havre nach New York. Für ihren Rekordtrip über den Atlantik, den sie in vier Tagen, drei Stunden und zwei Minuten überquerte, erhielt das Traumschiff das Blaue Band, den in der Seefahrt damals begehrtesten Preis.

Begehrt ist die Normandie auch bei Sammlern alter Plakate. Denn auf diesem Medium verewigte sie im gleichen Jahr der französische Grafiker Adolphe Mouron (A.M.) Cassandre (1901–1968). Sein monumentales, geometrisch stark reduziertes Abbild des Ozeanriesen gilt als eine der Ikonen des Artdéco-Stils der Dreißiger- und Vierzigerjahre des vorigen Jahrhunderts.

Termine der großen Plakatauktionen

Mussten Sammler in den Neunzigerjahren für ein Exemplar in Top-Zustand auf Auktionen um 7000 Dollar bezahlen, „kann es heute durchaus die 25.000-Dollar-Grenze überschreiten“, weiß der amerikanische Plakatauktionator Jack Rennert. Ähnlich stark legten auch die Preise von Cassandres Eisenbahn-Motiven zu, wie Étoile du Nord, Nord-Express und Wagons-Lits. Doch gelten die Preissprünge à la Cassandre auf dem Plakatmarkt eher als Ausnahme.

„Mit Investitionen in die Kunstform Plakat“, so der Schweizer Poster-Experte und Auktionator Guido Tön, „sind nur selten schnelle Gewinne einzustreichen. Sammlern geht es, außer um die Freude, ihr Wunschplakat ergattert zu haben, vor allem um den Werterhalt ihres Investments.“ Und den versprechen am ehesten die Pioniere und Klassiker des Genres.

Zu den Wegbereitern der Plakatkunst zählen französische Künstler der Belle Époque aus den 1890er-Jahren wie Jules Chéret und Henri Toulouse-Lautrec sowie der Jugendstil-Pionier Alphonse Mucha. Ihr kunstvoller Umgang mit dem damals aufkommenden Verfahren der Lithografie erhob das Medium Plakat zu einer eigenen Kunstform.

Frivol-verspielt

Ihre frivol-verspielten Ankündigungen von Varieté-Veranstaltungen (Moulin Rouge) und deren Künstlern (Aristide Bruant oder Mistinguett) dominierten das Straßenbild der Pariser Boulevards jener Zeit. Während Sammler in den Siebzigerjahren noch für 1000 Mark an einen solchen Klassiker kamen, sind heute 30.000
Euro keine Seltenheit.

In der Spitze sind auch 250.000 Euro drin. Generell kühlte das Sammlerinteresse an verspielten Motiven in den vergangenen Jahren etwas ab. „Eine Bank“, so die Christie’s-Expertin Sophie Churcher, „bleibt aber weiterhin Toulouse-Lautrec. Seine Arbeiten im oberen Preissegment finden fast immer ihre Abnehmer. Ähnliches gilt auch für Alphonse Mucha.“

Pioniere der Produktwerbung

Gefragt ist auch Leonetto Cappiello. Der italienische Karikaturist und Grafiker (1875–1942) verzichtete auf die Detailverliebheit des Jugendstils und begründete mit seinen einfachen, aber ins Auge springenden Motiven die moderne Produktwerbung. Seine Aperitif-Reklame – ein veritabler Eyecatcher – kommt am 13. November beim New Yorker Auktionshaus Poster Auctions International (PAI) unter den Hammer (siehe Foto, Schätzpreis mindestens 10.000 Dollar).

Ebenso gekonnt wie das Bitter-Campari-Plakat sind Cappiellos witzige Entwürfe zu Cinzano, Maurin Quina oder Cognac Monnet. Auf der hochkarätigen Herbstauktion bietet PAI-Chef Rennert („Wir spüren nichts von Rezession“) Plakate im Wert von zwei Millionen Dollar an. Die Auktionskataloge von PAI gelten bei Sammlern seit Jahren als unverzichtbare Referenzwerke der Plakatkunst.

Klassiker der deutschen Produktwerbung sind die Domäne des Berliner Auktionshauses Bassenge, das einmal jährlich eine Plakatversteigerung veranstaltet. Experte Markus Brandis empfiehlt wertorientierten Sammlern die Pioniere aus der Frühzeit des 20. Jahrhunderts wie Hans Rudi Erdt (Opel), Lucian Bernhard (Manoli-Cigaretten) und Ludwig Hohlwein (Marco Polo Tee).

Keine vermeintlichen Schnäppchen

Die Preise beginnen bei unter 1000 Euro. Doch rät Brandis von vermeintlichen Schnäppchen ab. „Auch wenn das Angebot an erstklassig erhaltenen Stücken immer dünner wird, sollten Sammler vornehmlich in Top-Qualität investieren. Ein langer Atem rentiert sich stets beim Wiederverkauf. Mittelmaß bleibt immer häufiger
liegen.“

Noch höher als Produktwerbung stehen Tourismusmotive in der Gunst der Plakatsammler, allen voran die Werbung für Wintersport. Führend sind hier Schweizer Grafiker wie Emil Cardinaux, Otto Baumberger, Herbert Matter oder Alex Diggelmann mit ihren Bergmotiven vom Matterhorn bis zur Jungfrau. Bei einer Auktion des Züricher Plakatspezialisten Guido Tön im März dieses Jahres erzielte eine farblich und typografisch gelungene Diggelmann-Werbung für den Nobelort Gstaad
von 1934 mit rund 18.000 Euro glatt das Doppelte des Schätzpreises.

Ski-Poster

„Da ist aber noch Luft nach oben“, ist sich Auktionator Tön sicher, „solche Motive werden bei Chalet-Besitzern als Wandschmuck immer beliebter.“ Tön-Konkurrent Christie’s reagierte schon früh auf die Nachfrage nach Ski-Postern und veranstaltet einmal jährlich eine Spezialauktion zum Thema Wintersport. Mittlerweile haben Tourismusmotive einen Anteil von 75 Prozent am Plakatumsatz des Londoner Auktionsriesen.

Zu den Rennern unter den Reise-Plakaten zählen bei Christie’s die Motive für die Londoner U-Bahn (London Underground). Renommiertester Künstler ist hier Edward McKnight Kauffer (1890–1954), der zwischen den Weltkriegen rund 120 Poster für die Londoner Tube entwarf. Im Mai dieses Jahres erzielte bei Christie’s ein Poster des gebürtigen Amerikaners von 1930 mit 33.000 Euro mehr als das Doppelte der Schätzung.

Möglichst makellos

Vor der Investition größerer Summen in ein Plakat lohnt ein Blick in die kostenfreie Datenbank des US-Auktionshauses PAI. Unter www.posterauctions.com finden
Sammler die Preishistorie von 50.000 Postern, die seit den Siebzigerjahren versteigert wurden. Beherzigen sollten Sammler auch die Tipps von Udo Boersma, Spezialist des Plakatanbieters Van Sabben im nordholländischen Hoorn: „Plakate sollten möglichst in dem Top-Zustand A sein“, sagt er. Das Rating reicht hier von A bis D.

„Restaurierungen oder Einrisse“, so Boersma, „sind – wenn überhaupt – nur im Randbereich akzeptabel. Das Motiv selbst sollte stets unversehrt sein. Ein Poster sollte möglichst nicht auf Karton oder Leinwand aufgezogen sein, es sei denn, es ist sonst nicht zu bekommen.“ Zudem sollten Sammler darauf achten, dass auf der Rechnung vermerkt wurde, dass es sich um ein Originalplakat (englisch „Vintage Poster“) handelt.

Geld zurück bei wertlosem Reprint

„Denn falls sich später herausstellt“, so US-Experte Rennert, „dass es sich um einen wertlosen Reprint handelt, kann der Käufer sein Geld zurückverlangen.“ Garantiert „Vintage“ ist das Exemplar des Cassandre-Klassikers Normandie von 1935, mit dem das New Yorker Auktionshaus Swann Galleries am 11. November
Poster-Fans an den Hudson lockt.

Der besondere Clou dieser Version des französischen Art-déco-Klassikers: Das Datum der Abfahrt sowie der Zusatz „Voyage Inaugural“ (Jungfernfahrt) wurden hier mit eingedruckt. Erwarteter Preis der Pretiose (Zustand: B+): 20.000 Dollar.

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