Number26 Das steckt hinter der Kündigungswelle

Massenkündigungen und ein Kommunikations-Desaster beim FinTech-Start-up Number26 lassen Kunden ratlos zurück. Was schief gelaufen ist und woran das Geschäftsmodell von Number26 krankt.

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Number26-Kunden, die zu oft Geld abgehoben haben, wurde das Konto gekündigt. Quelle: dpa

Dass Number26 in der vergangenen Woche unvermittelt hunderte Konten kündigte – dazu ohne Angabe der konkreten Gründe - das kommt genauso daher, wie viele Kunden es von den klassischen Banken gewohnt sind. Kühl, distanziert, übermächtig. Und es sägt am wichtigsten Grundpfeiler der Kunde-Bank Beziehung – dem Vertrauen. Number26 setzt dieses Allerheiligste aufs Spiel, obwohl sie um die verheerende Außenwirkung wissen. Die Aktion spricht eine klare Sprache: der Kunde ist hier nicht König. Das Verhältnis zwischen Kunde und Bank ist ein besonders sensibles.

Dabei genießt das Start-up einen Vertrauensvorschuss. Der Anbieter kostenloser Girokonten sowie Kreditkarten setzt darauf, dass ihm Kunden ihr Geld anvertrauen um kostenfrei und mobil Zahlungsdienstleistungen abzuwickeln. Number26 ist eines der prominentesten Start-ups im Finanzbereich. Für seine Dienste nutzt das Berliner Unternehmen die Banklizenz der deutschen Wirecard Bank.

Das Geschäft von Number26 ist rein auf Online-Banking ausgerichtet und verzichtet vollständig auf jegliche Filialstruktur. 160.000 Kunden zählt die „Mobile first-Bank“ nach eigenen Angaben. Inzwischen sind Investoren wie Peter Thiel und der Axel Springer Verlag an dem Start-up beteiligt.

Die Anmeldung ist schnell und unkompliziert, die Kontoführung kostenfrei, es gibt keinen Mindestgeldeingang und weltweit kostenlos Bargeld. Das Ganze mit umfangreichem Service und modernster Sicherheitstechnologie. Klingt attraktiv. So attraktiv, dass die Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal mit ihrem Bankenschreck in kurzer Zeit große Aufmerksamkeit erzeugten.   

Was vielen Nutzern nicht klar ist: Number26 selber ist gar keine Bank. Sie bieten rechtlich lediglich die Benutzeroberfläche der dahinter stehenden Wirecard Bank. Die wurde 2006 gegründet, hat ihren Sitz bei München. Wirecard ist im TecDax gelistet und steht unter deutscher Finanzaufsicht. Den Vertrag schließt der Kunde letztlich mit Wirecard ab, wie man aus den AGB erfährt. Vorteil für den Kunden: Guthaben unterliegen bis 100.000 Euro der staatlichen Einlagensicherung.

Derartige Verbindungen sind inzwischen durchaus üblich. FinTech-Start-ups haben eine Idee und suchen sich eine Bank, die im Hintergrund die Transaktionen abwickelt. Wirecard bietet seinen Kunden Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr, das Risikomanagement sowie die Herausgabe und Akzeptanz von Kreditkarten.  

Schlechte Kommunikation

Aber warum hat Number 26 seinen Kunden die Konten gekündigt? Die Kommunikation der Berliner nach dem Kündigungs-Fauxpax wirkt langsam, lückenhaft und intransparent. Problematisch für eine Bank, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, dass „Banking ganz einfach sein sollte und mehr Transparenz im Banking möglich ist.“ So steht es auf der Website. Weiter wirbt der Online-Auftritt mit „immer Bescheid wissen“. An diesem Versprechen müssen die Berliner sich dann auch messen lassen.

Zwar gab es im Oktober vergangenen Jahres einen Mini-Hinweis per E-Mail. Freundlich aber bestimmt kam die Nachricht daher, die von Valentin Stalf, Gründer und CEO, persönlich unterzeichnet war. Er freue sich, dass man einer von (damals) über 50.000 Kunden sei. Dennoch habe er „allerdings eine Bitte: Zahle bitte häufiger mit der MasterCard anstatt Bargeld abzuheben“. Als Vorwarnung auf das, was dann acht Monate später folgte, taugte die Nachricht aber wohl kaum.

Dass danach ohne weitere Kommunikation die Kündigung erfolgen könne, haben die Empfänger nicht erwartet. Suspendierung von Konten ist für eine Bank die Ultima Ratio. In großem Stil durchgeführt, hinterlässt solches Verhalten verbrannte Erde. Die meisten jetzt Gekündigten dürften wohl auch mit guten Worten nicht mehr zurückzugewinnen sein. Und die Signalwirkung für die übrigen Kunden ist fatal: du tust, was wir möchten, sonst wollen wir dich nicht. 

Shitstorm in sozialen Netzwerken

Viele Kunden reagierten vor allem in den sozialen Medien aufgebracht, nachdem das Unternehmen zunächst nur eine nichtssagende Erklärung veröffentlicht hatte. Die Zahl der Kündigungen sei im Verhältnis zum Wachstum des Unternehmens „unwesentlich“, hieß es darin. Das dürfte die Betroffenen wenig bis gar nicht interessieren. Zu den Gründen gab es keine Auskunft und danach hüllte sich das Unternehmen zunächst in tagelanges Schweigen.

In einer am Sonntag herausgegebenen Pressemitteilung folgte dann so etwas Ähnliches wie eine Erklärung. Zunächst war da die Rede vom „Verdacht auf missbräuchliche Verwendung des Produkts oder Geldwäsche.“ Nur auf die wenigsten Kunden dürfte das tatsächlich zutreffen. Der tatsächliche Auslöser ist, wie bereits vermutet, ein anderer. Die betroffenen Kunden seien zu häufig zum Bankautomaten gegangen – im Schnitt 15 bis 30 mal im Monat. Vielen Nutzern reicht diese Begründung nicht. „Wenn ich ein Produkt kostenlos anbiete, muss ich damit rechnen, dass es genutzt wird“, schreibt ein Kunde auf der Facebook-Seite des Unternehmens.

Klar ist: gemäß seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann Number26 von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen. Der Ton macht aber auch hier die Musik und deshalb geht es nicht nur um das Ob, sondern um das Wie. So wortkarg und unvermittelt ein sensibles Geschäftsverhältnis zu beenden ist kein Musterbeispiel guten Stils. 

Späte Reue

Zunächst hatte Number26 die Kündigungen als unwiderruflich bezeichnet. Im letzten Absatz der Erklärung von Sonntag stellte man schließlich doch in Aussicht, auf Wunsch jeden Fall nochmals zu prüfen und gegebenenfalls weiterhin ein Konto zur Verfügung stellen. Die Lust darauf dürfte aber nicht nur den meisten Betroffenen vergangen sein. Die verspätete Erklärung taugt allenfalls zur Schadensbegrenzung, das angekratzte Image und verspieltes Vertrauen aber bleiben.

Kunden, die von der aktuellen Kündigungswelle betroffen sind, können sich an questions@number26.de wenden und dort den konkreten Grund für ihre Kündigung erhalten. Das Unternehmen hat angekündigt, mit seinen Kunden in den kommenden Wochen eine „Fair Use Policy“ zu erarbeiten. Darin sollen dann klare Regeln formuliert werden, um ähnliche Fälle zukünftig zu verhindern.

Geschäftsmodell geht nicht auf

Vor allem fehlt ein nachhaltig tragfähiges Geschäftsmodell. Geld nimmt Number26 ein, wenn Kunden ihre Einkäufe bei Einzelhändlern mit der zum App-Konto gehörenden Kreditkarte bezahlen. Ein kleiner Prozentanteil des Umsatzes geht dann an das Unternehmen. Nach dem gleichen Prinzip arbeiten auch andere Kreditkarteninstitute.

Number26 verdienst auch Geld an Kunden, die ihr Konto überziehen. Jedem Neukunden räumt das Fintech einen Sofort-Dispo in Höhe von 1000 Euro ein – zu einem Zins von 8,9 Prozent. Wie eine traditionelle Bank verdient Number26 anteilig am Unterschied zwischen den Zinsen, die sie Kunden zahlen und denen, die die Partnerbank Wirecard mit dem Geld verdienen kann.

Wenn es bei den Gekündigten durchschnittlich 15 mal, also jeden zweiten Tag des Monats zur Abhebung kam, sind also auch Kunden betroffen, die weniger häufig zur Geldmaschine gegangen sind. Das ist insofern erstaunlich, als dass die Möglichkeit, weltweit kostenlos Geld abzuheben, ein zentrales Element der Strategie von Number26 darstellt.

In Jahr drei nach der Gründung aber sollten die Berliner langsam ans Geldverdienen denken. Anders ist kaum zu erklären, dass Number26 den vorprogrammierten Shitstorm billigend in Kauf nimmt. Die Alternative ist nämlich noch weniger gangbar. Kunden zu behalten, die durch ihr Verhalten zum Verlustgeschäft werden, kann das Start-up sich nicht leisten.

Jede Privatkundenbank aber muss diesen Kundentypus verkraften. Zwar hält sich in der öffentlichen Wahrnehmung die Mär von der Kostenlosigkeit von Girokonten. Wenn überhaupt sind die Konten für den Kunden gebührenfrei. Kosten verursachen sie aber in jedem Fall. Auch dann, wenn es wie im Fall von Number26 nur online geführt wird. Jede Transaktion, nicht nur das Geldabheben, zieht Gebühren nach sich. Verwaltung, Rechenzentren, Sicherheit, geplatzte Lastschriften und Gehälter von Mitarbeitern kosten Geld. Und auch die Versorgung mit Bargeld.

Weil sie selber keine Automaten betreiben, kostet Number26 eine Abhebung am Automaten zwischen 1,50 bis 2,00 Euro – ihren Kunden stellen sie das aber nicht in Rechnung. Ein Kunde, der täglich Geld abhebt, würde das Unternehmen also schon damit mehr als 50 Euro pro Monat kosten. Über Kreditzinsen, Dispozinsen, Depot- und Kontoführungsgebühren müssten Banken diese teuren Kunden gegenfinanzieren. Number26 kann das nicht – und will sie deshalb aussortieren. 

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