Öl, Gold und Kaffee "Rohstoffpreise werden bald wieder anziehen"

Christian Gerlach, Fondsmanager bei Swiss & Global, nutzt Gold als Deflationsschutz und setzt auf steigende Preise bei US-Erdgas und Kaffee. Er erwartet ein Ende der Talfahrt bei den Rohstoffpreisen.

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Geht es mit den Rohstoffpreisen bald wieder aufwärts? Quelle: rtr

WirtschaftsWoche: Herr Gerlach, Öl wird billiger, auch der Kupferpreis ist unter Druck. Ist der Superzyklus für Rohstoffe zu Ende?

Christian Gerlach: Der Superzyklus war schon vor fünf Jahren vorbei. Bis 2008 konnten Rohstoffe Aktien abhängen. Danach waren Aktien lukrativer. Jetzt stehen wir nah am Ende der Rohstoffkorrektur.

Foto von Christian Gerlach

Wie nah?

Gute Frage. Ob es noch vier Wochen oder sechs Monate sind, kann ich nicht sagen. Das hängt natürlich auch von der Weltkonjunktur ab. Mich stimmt optimistisch, dass Edelmetalle zuletzt deutlich stärker eingebrochen sind als Industriemetalle, beispielsweise Kupfer. Im Herbst 2008 hatten wir eine komplett gegenteilige Situation. Die Industrierohstoffe brachen massiv ein, Gold dagegen stieg.

Welche Rolle spielt Gold in Ihrem Portfolio?

Gold ist für uns ein Schutz gegen Deflation, anders als bei vielen Privatanlegern, die ihre Zinsanlagen gegen Inflation absichern wollen. Mit der allgemeinen Inflation steigen in der Regel die Rohstoffpreise. Wir brauchen Gold daher vor allem in der Rezession, wenn die Rohstoffnachfrage einbricht.

Die größten Ölreserven der Welt
Eine Frau trocknet Wäsche auf einer Erdöl-Pipeline Quelle: ASSOCIATED PRESS
Libyen Quelle: REUTERS
Logo von Rosneft Quelle: ITAR-TASS
Ölraffinerie in den Vereinigten Arabischen Emiraten Quelle: AP
Ktar Quelle: REUTERS
Kuwait Quelle: REUTERS
Irak Quelle: REUTERS

Wenn man sich den Ölpreis anschaut, einen wichtigen Indikator für die Weltkonjunktur, dann könnten Sie bald wieder Gold benötigen.

Da mache ich mir keine Gedanken. Die Inflation wird steigen müssen, anderenfalls können die hoch verschuldeten Staaten ihre Verpflichtungen nicht abtragen. Im Übrigen ist das Bild auf dem Energiemarkt keinesfalls eindeutig. Bei amerikanischem Erdgas etwa gehen wir eher von steigenden Preisen aus. Angesichts des günstigen Gaspreises lohnt es sich wieder, Gas zu verflüssigen und per Schiff nach Japan zu verfrachten. Geht mehr Gas über den Pazifik, zieht der Preis an.

Wenn schon Industriemetalle derzeit schwach aussehen, ließe sich dann mit Agrarrohstoffen etwas verdienen?

Mit Getreide eher nicht. Nach der großen Trockenheit in den US-Anbaugebieten 2012 sind Mais und Weizen massiv angestiegen. Jetzt befinden sich beide noch in der Korrekturphase. Gleiches gilt für Soja. Besser sieht es dagegen bei Kaffee aus, insbesondere bei der Sorte Arabica. Nach langem Preisrückgang, rechnen wir mit einem Turn-around, da die Lagerbestände schon seit Jahresanfang kontinuierlich abnehmen. Auch bei Kakao ist mit steigenden Preisen zu rechnen. Für die Elfenbeinküste, das wichtigste Anbaugebiet, wurde zuletzt Trockenheit vorhergesagt, was die Ernteerträge niedriger ausfallen lässt.

Immer zu wenig auf dem Rohstoffmarkt, nie zu viel

Pro und Contra zu Rohstoff-Spekulationen
Die Frankfurter Skyline ist hinter einem Rapsfeld in Eschborn zu sehen: Die öffentliche Meinung ist eindeutig. Geht es nach einer Forsa-Umfrage vom Ende vergangenen Jahres, dann sind nur elf Prozent der Bevölkerung in Deutschland dafür, dass es Anlageprodukte auf Agrarrohstoffe überhaupt gibt. 84 Prozent sind dagegen. Trotzdem finden sich genügend Experten, die Spekulationen auf Agrarrohstoffe befürworten. Hier eine Auswahl: Quelle: dpa
Professor Harald von Witzke, Agrarökonom an der Humboldt-Universität in Berlin, sagt: „Nur Scharlatane glauben, dass Wetten an den Terminbörsen die Lebensmittelpreise dauerhaft nach oben treiben. Landwirte und Agrarhändler können sich nur gegen Preisrisiken absichern, wenn Finanzinvestoren auf der Gegenseite in die andere Richtung wetten.“ Quelle: obs
Sein Kollege George Rapsomanikis, Ökonom bei den Vereinten Nationen, verweist auf die gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Märkte: "Wenn der Ölpreis steigt, dann steigt auch die Nachfrage nach Ethanol und damit die Nachfrage nach Mais. All diese Märkte sind eng miteinander verknüpft, weshalb wir bei jedem Ölschock auch eine Nahrungsmittelkrise erwarten." Steigende Rohstoffpreise hängen seiner Ansicht nach in erster Linie auch mit der zunehmenden Industrialisierung in den Schwellenländern sowie mit der veränderten Nutzung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zusammen. Werden die vermehrt als Energieträger genutzt, dann führt die steigende Nachfrage auf dem Energiemarkt jedes Mal zu einem Preisanstieg auf dem Rohstoffmarkt. Quelle: Pressebild
Der Gießener Agrarökonom Michael Schmitz sieht vor allem die Entwicklungsländer selbst in der Verantwortung: "Der Hunger ist vor allem ein hausgemachtes Problem in den Entwicklungsländern. Die Preisschwankungen waren Anfang der 70er-Jahre ähnlich hoch wie heute - ohne große Zuflüsse an Kapital", sagt der Professor. 2006 bis 2008 gab es zudem massive Ernteausfälle. Das war seiner Ansicht nach der Grund, warum damals die Preise deutlich anzogen. Außerdem waren die Lagerbestände infolge der Knappheit abgebaut worden, was die Märkte besonders nervös werden ließ. Und dann kam infolgedessen die Politik ins Spiel. Viele Importländer verstärkten ihre Importe, und die Exportländer drosselten ihre Exporte, was den Engpass und somit den Preisauftrieb noch verstärkte. Zudem: 74 Studien zum Thema, wie Rohstoffspekulationen Preise und Hunger treiben, hat sich der Experte angesehen. Nur eine stand in einem qualitätsgeprüften Journal. Quelle: Pressebild
Es ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die sich aus ethisch-moralischen Gründen gegen das Spekulieren auf landwirtschaftliche Produkte ausspricht. Kern aller Argumente ist dabei stets, dass sich hinter der Vielzahl von Kontrakten, die an den Terminbörsen abgeschlossen werden, nur selten Absicherungsgeschäfte für Landwirte und Agrarhändler befinden. In den meisten Fällen wollen Spekulanten vom Auf und Ab der Preise profitieren. Quelle: dpa
"Wir erleben derzeit eine Achterbahnfahrt auf den Weltmärkten für Agrarrohstoffe. Dadurch drohen Grundnahrungsmittel für immer mehr Menschen gerade in den Entwicklungsländern unbezahlbar zu werden", äußerte sich beispielsweise kürzlich Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner. Die Politik hat dabei das große Ganze im Auge: Geht die Preistreiberei weiter, dann könnte es irgendwann Krieg um Grundnahrungsmittel geben. Erste Auswirkungen sah man bereits im vergangenen Jahr in Südostasien, als der Reispreis massiv angezogen hatte und die Menschen auf die Straße gingen. Quelle: dpa
Auch an den Börsen sieht man dieses Treiben zunehmend kritisch. „Es gibt volkswirtschaftlich gesehen überhaupt keinen Grund, warum man Investoren erlaubt, Lebensmittel aus dem Markt zu nehmen und zu horten, nur um von Preissteigerungen zu profitieren“, sagt etwa der als „Mister Dax“ bekanntgewordene Börsenmakler Dirk Müller. Immer wieder gab es Berichte, wonach in großen Lagerhäusern Lebensmittel bewusst zu Spekulationszwecken zurückgehalten wurden, um das Angebot gering zu halten. Quelle: dpa

Haben Sie keine moralischen Bedenken bei der Investition in Grundnahrungsmittel, beispielsweise Mais?

Steigende Preise im Agrarhandel haben immer einen realwirtschaftlichen Hintergrund, dafür sind nicht irgendwelche Spekulanten verantwortlich. Insofern ist es auch unsinnig, Preisrückgänge bei einzelnen Rohstoffen auf den Abzug von Finanzinvestoren zurückzuführen. Auf dem Rohstoffsektor haben wir eher zu wenig als zu viel Markt.

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Geben Sie uns ein Beispiel.

Nehmen wir den Erdgasmarkt. In den USA können Sie jederzeit Erdgas an der Börse handeln. Die Preise am Terminmarkt spiegeln echte Knappheit wider und führen letztlich zu Innovationen. Das gilt beispielsweise für die Erdgasverflüssigung oder die Förderung von Gas aus Schiefergestein. In Europa dagegen ist der Gasmarkt weitgehend reguliert. Es fehlen entsprechende Innovationen. Auch als Fondsmanager würde ich mich über mehr Investitionsmöglichkeiten freuen. Denkbar wäre beispielsweise ein Terminmarkt für Stahl.

Warum gibt es an den Börsen keinen Handel mit Stahl?

Viele Regierungen haben kein Interesse an einem unregulierten Stahlmarkt. Sie fürchten, dass bei einem Stahlpreis, der sich ausschließlich nach Angebot und Nachfrage bildet, heimische Unternehmen mit veralteter Technik schließen müssten und Arbeitsplätze verloren gingen.

In wie vielen Rohstoffmärkten sind Sie derzeit aktiv?

Momentan sind es 40. Die meisten Fonds konzentrieren sich auf kurzlaufende Kontrakte, die sich nahe am Spotmarkt bewegen. Wir können dagegen auch die Gewinne aus länger laufenden Kontrakten abschöpfen und gleichzeitig die Volatilität des Fonds senken. Wie stark wir in unserem Portfolio bei den Laufzeiten streuen können, hängt von der Liquidität des Marktes ab. Bei Rohöl oder Gas beispielsweise ist das kein Problem, da die Märkte sehr liquide sind.

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