Ölpreis, China und die Börse

Die Welt wird für Anleger ungemütlicher

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Fundamentaler Umbruch

Die positiven Konjunkturimpulse gehen natürlich zu Lasten der ölfördernden Länder. Doch im Nahen Osten sind die finanziellen Reserven groß genug, um dort eine ungünstige Entwicklung zu vermeiden. Anders ist es in Russland. Hier könnte der anhaltende niedrige Ölpreis für eine weitere wirtschaftliche Destabilisierung des Landes sorgen. Und das könnte den gesamten osteuropäischen Raum in Mitleidenschaft ziehen. In der aktuellen Flüchtlingsdiskussion ein kaum beherrschbares Risiko für Europa. Vom niedrigen Ölpreis geht aber noch eine weitere Gefahr für die Weltwirtschaft aus. Viele Unternehmen der US-amerikanischen Schiefergasindustrie sind hoch verschuldet - Großteils finanziert über den Anleihemarkt. Einige Unternehmen könnten in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Damit könnte der gesamte High-Yield-Sektor - also hochverzinste Anleihen mit entsprechendem Risiko - unter Druck kommen, was sich insgesamt sehr ungünstig auf die Finanzmärkte auswirken dürfte. Die gute Nachricht ist hier, dass immer noch viele Unternehmen profitabel arbeiten.  Damit ist diese Gefahr zurzeit noch überschaubar, wenn auch erste Spuren des niedrigen Ölpreises sichtbar werden.

Zehn provokante Thesen für 2016
Saxo-Bank-Gebäude Quelle: Presse
Euromünze und Dollarschein Quelle: AP
Moskau Quelle: dpa-tmn
Smartphone Quelle: REUTERS
Maskottchen für die olympischen Sommerspiele in Brasilien Quelle: dpa
Hillary Clinton Quelle: REUTERS
Tankstelle Quelle: AP

Insgesamt würde ich aber den fallenden Ölpreis als überwiegend positiv für die Weltwirtschaft einschätzen. Insbesondere die Industrieländer profitieren hiervon. Insgesamt sollte der Ölpreis im Laufe von 2016 kaum steigen und weiter um die 30 US-Dollar pendeln. Das größte Risiko hier wäre eine Einigung der OPEC, die durch den zunehmenden ökonomischen Druck schneller als erwartet wieder zusammenfindet.

Chinesische Konjunktur losgelöst von Börsenentwicklung betrachten

Noch ein kurzer Blick auf China. Die aktuelle Entwicklung in China erinnert stark an die Turbulenzen vom Sommer 2015, als enttäuschende Konjunkturindikatoren wochenlang zu Ausverkäufen an den dortigen Aktienmärkten geführt haben. Weltweit wurden Befürchtungen geschürt, in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt stünde ein scharfer Wachstumseinbruch bevor. Wir haben schon damals davor gewarnt, die hochvolatilen chinesischen Aktienmärkte als Konjunkturbarometer (miss-) zu verstehen. Weder sind sie in der Vergangenheit dem Konjunkturzyklus zuverlässig vorausgelaufen, noch haben sie die reale Nachfrage positiv oder negativ beeinflusst – das haben die massiven Kurskorrekturen vom letzten Sommer gezeigt. Sie blieben ohne reale Wirkung. Entsprechend sollte man auch jetzt die chinesische Konjunktur losgelöst von der Börsenentwicklung analysieren.

Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum

Die jüngsten Wirtschaftszahlen aus China haben zwar einige Enttäuschungen mit sich gebracht, zeichnen insgesamt aber ein gemischtes und aus unserer Sicht noch kein beunruhigendes Bild. Insgesamt bestätigen die aktuellen Zahlen das Bild, dass sich Chinas Wirtschaft in einem fundamentalen Umbruch befindet. Die Bedeutung des industriellen Sektors, der bislang fast 50 Prozent zur Wirtschaftsleistung beisteuert, lässt nach. Dies zeigt sich in den Wachstumszahlen der Industrie, die sich innerhalb der vergangenen Jahre weit mehr als halbiert haben.

Insgesamt schlägt sich der Strukturwandel in China in einem nachlassenden gesamtwirtschaftlichen Wachstum nieder – ein Trend der sich auch in diesem und im kommenden Jahr fortsetzen wird. Nach wie vor sollte die Wirtschaftspolitik Pekings aber noch ausreichend Spielräume besitzen, um sich erfolgreich gegen einen größeren Wirtschaftseinbruch stemmen zu können.

Zusammengenommen sehe ich also keine Gründe jetzt in Panik zu verfallen. Deutlich niedrigere Aktiennotierungen könnten vielmehr eine gute Gelegenheit sein, da damit auch die Bewertungsrelation wieder günstiger werden. Jedoch sollte man auch in den kommenden Monaten weiterhin mit einer hohen Volatilität rechnen. Denn die Welt geht zwar nicht unter, sie ist aber viel unruhiger geworden.

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