Siegt das Kartell? Oder der Markt? Die Länder des Ölförderkartells Opec haben sich kurz vor Ende des Jahres mit anderen Förderländern zusammengetan, um ihren Kunden mehr Geld für ein Fass Rohöl abzunehmen. Auf den ersten Blick mit Erfolg, die Preise für Öl und Gas zogen ein paar Tage lang kräftig an und erreichten den höchsten Stand seit Juli 2015. Die Preise für Heizöl und Sprit zogen mit. Doch der Anstieg währte nur kurz, zum Ende der vergangenen Woche waren die Ölpreise ungefähr auf dem gleichen Stand wie ein und zwei Wochen zuvor.
Doch die allerbesten Jahre für die Verbraucher dürften vorbei sein. Nach einer langen Hochphase sind die Preise für Ölprodukte mehr als zwei Jahre lang deutlich gefallen. Im Herbst 2012 mussten zum Beispiel Heizölkunden bis zu 96 Euro für 100 Liter Heizöl (bei Abnahme von 3000 Litern, inkl. MwSt.) bezahlen. Im Durchschnitt des laufenden Jahres dagegen nicht einmal 50 Euro. Ähnlich sieht es beim Sprit aus. Der Preis für einen Liter Superbenzin fiel über einen Zeitraum von vier Jahren von 1,67 Euro zeitweise auf 1,20 Euro. Jetzt steht er wieder bei 1,32 Euro je Liter. Das ist einerseits fast der höchste Stand des Jahres, andererseits aber immer noch moderat.
Verbraucher müssen sich auch 2017 keine Sorgen machen
„Der Ölpreis war stabil auf niedrigem Niveau“, sagt Rainer Wiek vom Energie-Informationsdienst EID in Hamburg. „Wir haben nach wie vor niedrige Preise und kein großartig anderes Niveau gesehen.“ Auch für das kommende Jahr müssten sich die Verbraucher keine übermäßigen Sorgen machen.
Meilensteine der Ölpreisentwicklung
Die ersten gewinnbringenden Erdölbohrungen finden Mitte des 19. Jahrhunderts statt. In dieser Zeit entstehen auch die ersten Raffinerien. Bis 1864 steigt der Ölpreis auf den Höchststand von 8,06 Dollar pro Barrel (159 Liter); inflationsbereinigt müssen damals im Jahresdurchschnitt 128,17 US-Dollar gezahlt werden. In den folgenden Jahrzehnten bleibt der Preis auf einem vergleichsweise niedrigen Level, fällt mitunter sogar, bedingt etwa durch den Erfolg der elektrischen Glühlampe, durch die Öl im privaten Haushalt nicht mehr zur Beleuchtung nötig ist.
Mit dem Erfolg des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts steigt die Öl-Nachfrage rasant; speziell in den USA, wo der Ford Modell T zum Massenprodukt wird. 1929 fahren insgesamt 23 Millionen Kraftfahrzeuge auf den Straßen. Der Verbrauch liegt 1929 in den Staaten bei 2,58 Millionen Fass pro Tag, 85 Prozent davon für Benzin und Heizöl. Die Preise bleiben allerdings weiter unter fünf Dollar pro Fass (nicht inflationsbereinigt), da auch mehr gefördert wird.
In den 30er Jahren kommt die Große Depression, die Unternehmenszusammenbrüche, Massenarbeitslosigkeit, Deflation und einen massiven Rückgang des Handels durch protektionistische Maßnahmen zur Folge hat. Während der Weltwirtschaftskrise verringert sich die Nachfrage nach Erdöl und der Preis sinkt auf ein historisches Tief. 1931 müssen bloß noch 0,65 Dollar pro Barrel gezahlt werden (inflationsbereinigt etwa zehn US-Dollar). So billig sollte das schwarze Gold nie wieder sei.
Nachdem sich die Weltkonjunktur erholt hat, steigt der Preise für Öl wieder, bleibt aber konstant unter fünf Dollar pro Barrel. Für die Jahre zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Ölkrise im Herbst 1973 spricht man deshalb vom „goldenen Zeitalter“ des billigen Öls.
In den 70er und 80er Jahren kommt der Ölpreis in Bewegung. Als die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) nach dem Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarn im Herbst 1973 die Fördermengen drosselt, um politischen Druck auszuüben, vervierfacht sich der Weltölpreis binnen kürzester Zeit. Zum Ende des Jahres 1974 kostet ein Barrel über elf Dollar (inflationsbereinigt fast 55 US-Dollar). Dies bekommen auch Otto-Normal-Bürger zu spüren: In Deutschland bleiben sonntags die Autobahnen leer, in den USA bilden sich Schlangen vor den Tankstellen.
Während der zweiten Ölkrise in den Jahren 1979/1980 zieht der Ölpreis nach einem kurzfristigen Rückgang weiter an. Ausgelöst wird dies im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Islamischen Revolution. Nach dem Angriff Iraks auf Iran und dem Beginn des Ersten Golfkrieg explodieren die Preise regelrecht. Auf dem Höhepunkt im April 1980 kostet ein Barrel 39,50 Dollar (inflationsbereinigt 116 Dollar).
Die 80er und 90er Jahre sind – abgesehen von dem kurzzeitigen Anstieg verursacht durch den Zweiten Golfkrieg – eine Phase niedriger Ölpreise. Die Industriestaaten befinden sich in einer Rezession und suchten aufgrund vorhergehenden Ölkrisen mit besonders hohen Preisen nach alternativen Energiequellen. Weltweit gibt es Überkapazitäten. Während der Asienkrise 1997/1998 sinkt die Nachfrage weiter. Ende des Jahres 1998 werden 10,65 Dollar pro Barrel verlangt.
Nach Überwindung der Krise wachsen die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell. Selbst die Anschläge auf das World Trade Center 2001 sorgen nur für einen kurzen Rücksetzer. Anfang 2008 steigt der Ölpreis erstmals über 100 US-Dollar je Barrel, Mitte des Jahres sogar fast auf 150 Dollar. Ein Grund für den Preisanstieg wist der Boom des rohstoffhungrigen China, mittlerweile zweitgrößter Verbraucher der Welt.
Die globale Finanzkrise und eine schwächelnde Konjunktur sorgen für einen Rückgang der Nachfrage. Gleichzeitig bleibt das Angebot durch die massive Förderung in den USA (Fracking) hoch. Die Folge: Der Ölpreis bricht ein. Ab Sommer 2014 rutscht der Preis für Brentöl innerhalb weniger Monate um rund 50 Prozent auf 50 Dollar. Erst im Februar 2015 erholte sich der Ölpreis leicht und schwankt um die 60 Dollar je Barrel.
Im Mai 2015 hatten sich die Ölpreise zwischenzeitlich erholt. Die Sorte Brent erreichte mit einem Preis von 68 US-Dollar je Barrel ein Jahreshoch. Von da aus ging es bis September des Jahres wieder steil bergab auf 43 Dollar. Nach einer Stabilisierung zwischen September und November nahm der Ölpreis seine wieder Talfahrt auf. Am 15. Januar hat der Ölpreis die 30-Dollar-Marke unterschritten.
Die Ölspeicher seien gut gefüllt; es gebe nach wie vor ein Überangebot und die Spielräume nach oben seien sehr begrenzt. Jan Edelmann, Ölanalyst der HSH Nordbank, sieht es ähnlich: „Man sollte das Abkommen und seinen Einfluss auf die Preise nicht überbewerten.“ Er geht davon aus, dass die US-Ölindustrie mit ihren Fracking-Anlagen ihre Förderung ausweitet und damit die Opec und ihre Verbündeten auskontert. Dafür gibt es auch schon konkrete Anzeichen und der neue US-Präsident Donald Trump will die Entwicklung nach Kräften fördern.
Weniger profitiert als die Autofahrer und Ölheizungsbesitzer haben die Kunden von Gasunternehmen. Der Gaspreis ist ebenfalls seit Jahren auf dem Rückzug, aber nur in langsamen Trippelschritten. Für 20.000 Kilowattstunden Gasenergie sind gegenwärtig 1233 Euro zu bezahlen, das sind vier Prozent weniger als zu Jahresbeginn. „Verbraucher profitieren aktuell von niedrigen Gaspreisen“, sagt Oliver Bohr, Geschäftsführer Energie beim Internet-Vergleichsportal Check24.de. Die Preise hätten ungefähr das Niveau des Jahres 2010 erreicht. Fast die Hälfte der Gasgrundversorger hat im aktuellen Quartal Preise gesenkt oder Senkungen für Anfang 2017 angekündigt - im Schnitt um 6,5 Prozent. Insgesamt sind davon rund 13 Millionen Haushalte begünstigt.
Was Sie über den Ölpreis wissen müssen
Da Öl ursprünglich in Fässern abgefüllt wurde - Barrel im Englischen -, wird diese Maßeinheit in der Branche bis heute verwendet. Ein Barrel sind 159 Liter.
Die steile Talfahrt begann Mitte 2014, bis Anfang 2016 hatte sich der Preis mehr als gedrittelt. Seitdem hat sich der preis wieder erholt, bleibt aber weiter weit hinter früheren Niveaus zurück. Hintergrund ist ein knallharter Wettbewerb zwischen den klassischen Ölförderern wie Saudi-Arabien und neuen Konkurrenten, die Rohöl mit der aufwendigen Fracking-Methode aus Schiefergestein lösen, allen voran in den USA.
Rohöl ist nicht gleich Rohöl. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sorten – je nach Region. Alleine der Finanzinformationsdienst Bloomberg listet mehr als 100 Stück auf, wovon allerdings nur wenige große Bedeutung haben. Als Richtwert am Finanzmarkt gilt das US-Rohöl West Texas Intermediate (WTI). Eine weitere wichtige Sorte ist das Nordsee-Öl Brent.
Bei den Ölsorten gibt es gravierende Unterschiede bei der Qualität, was auch zu merklichen Preisunterschieden führt. So kann etwa die Sorte North Dakota Sour in der Raffinerie nur schwer verarbeitet werden, weil sie stark schwefelhaltig ist. Das schlägt sich auch im Preis nieder.
Für US-Öl und Brent-Öl werden die Preise über das Spiel von Angebot und Nachfrage gebildet. Aber auch diese Sorten können eine Vielzahl von unterschiedlichen Preisen haben, was daran liegt, dass sie in sogenannten Future-Kontrakten gehandelt werden. Der Käufer erwirbt dabei Rohöl mit unterschiedlichen Lieferdaten. Der am meisten gehandelte und damit für die Anleger wichtigste Future-Kontrakt läuft über einen Monat.
Auch die Ölsorten des Ölkartells Opec (Organisation erdölexportierender Länder) sind für die Weltwirtschaft von hoher Bedeutung. Von der Opec-Zentrale in Wien wird einmal täglich der sogenannte Opec-Korbpreis ermittelt. Hierfür melden alle Mitgliedstaaten des Ölkartells ihre jeweiligen Ölpreise, dann wird der sogenannte Korbpreis aller 13 Opec-Sorten errechnet. Dieser Durchschnittspreis wird allerdings immer mit einem Tag Verzögerung veröffentlicht und spiegelt daher nicht die neueste Entwicklung wider.
Entgegen der populären Annahme, dass Energie immer teurer wird, hat die Preisentwicklung die Verbraucher in Deutschland in den vergangenen Jahren stark entlastet. Mussten private Haushalte im Durchschnitt 2012 noch 3081 Euro für Energie aufwenden, so waren es 2015 nur noch 2744 Euro. Das ist ein Rückgang um fast elf Prozent oder immerhin 28 Euro im Monat. Für das laufende Jahr liegen noch keine Daten vor, aber die Belastung dürfte sich weiter reduziert haben. Gemessen an den gesamten Konsumausgaben eines Haushaltes machen die Energiekosten 6,7 Prozent aus, nicht viel anders als vor 10 oder 15 Jahren.
Mit einem drastischen Anstieg der Energiepreise ist im nächsten Jahr nach Einschätzung der Experten zwar nicht zu rechnen, mit einem weiteren Rückgang aber auch nicht. Dazu trägt auch der Dollarkurs bei. Der Euro ist gegenüber dem Dollar so schwach wie seit langem nicht mehr. Und das macht Öl für die deutschen Verbraucher tendenziell teurer. So lauten die Prognosen: Die Preisschwankungen bleiben hoch, doch für eine grundlegende Veränderung ist weder nach oben noch nach unten viel Luft.