Gerhard Blankenhagen zieht alle Register. Der 77-Jährige hat nicht nur in stundenlanger Arbeit seinen Oldtimer gleichen Jahrgangs sogar im Motorraum auf Hochglanz poliert. Nein, er konnte zudem seine Partnerin Lidia überreden, trotz Hitze in ein bodenlanges Abendkleid zu schlüpfen und zusammen mit ihm – in roter Hose und mit Jacket in rot-grünem Schottenkaro – stundenlang vor der Kulisse von Schloss Bensberg bei Köln einen kleinen, grünen britischen Roadster stilvoll in Szene zu setzen. Einen von etwa 800 jemals gebauten Singer Le Mans und verkauft zum Preis von 285 britischen Pfund – 1934. Heute zahlen Liebhaber etwa 35.000 Euro für derartige Autos in originalem und gut erhaltenem Zustand – für ausgezeichnete Modelle bei einem Concours d’Elegance, wie die Schönheitswettbewerbe bei Oldtimern genannt werden, gerne aber auch den einen oder anderen Tausender mehr.
Und so schwitzen und blitzen zusammen mit Blankenhagen und seinem Singer Ende August 40 Teams aus ganz Europa in der Sonne und warten auf die Jury aus neun Autoexperten, die Punkte und Pokale für Originalität und Qualität, Seltenheit und Schönheit vergeben – und damit ohne Vorsatz und doch mit großem Einfluss die Preise für historische Fahrzeuge weiter in die Höhe treiben. Schloss Bensberg ist inzwischen neben Pebble Beach und der Villa D’Este einer von drei Orten weltweit, wo einmal im Jahr einige der schönsten und wertvollsten Autos der Welt zusammenkommen, von Laien bestaunt und von zahlungskräftigen Kaufinteressenten taxiert werden. Auf rund 80 Millionen Euro schätzten die Veranstalter den Versicherungswert der in diesem Jahr in Bensberg gezeigten Auto-Pretiosen.
Neben einem Mercedes 680 S von 1928, einem Ferrari GTO von 1963 oder einem Talbot Lago Grand Sport von 1948 aus dem früheren Besitz des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle hatte Blankenhagens kleiner Singer keine Siegchancen. Zumindest aber kennt das Fachpublikum nun Auto und Besitzer.
Rente auf vier Rädern
Und das könnte sich eines Tages auszahlen. Denn der britische Roadster ist für den ehemaligen Transportunternehmer vom Niederrhein mehr als nur ein Schau- und Prunkstück: „Das ist meine Rente.“ Wenn auch nicht die alleinige, so doch ein Teil davon. Weil er ahnte, „dass der Euro nicht halten würde“, begann er vor einigen Jahren damit, eine kleine Sammlung von historischen Autos aufzubauen: sechs Mercedes-Klassiker, zwei sportliche Lancias, einen Ferrari 328 GTS und einen Porsche Carrera. Das war der Anfang. Mehr als ein Dutzend Oldtimer zählt inzwischen seine Sammlung: „Von dem Verkaufserlös könnte ich eine ganze Weile leben.“ Garagengold statt Grubengold, lackiertes Altblech statt sprunghafter Aktienwerte oder windiger Zertifikate: Oldtimer stehen derzeit bei Anlegern aus aller Welt hoch im Kurs. „Da viele dem kopflosen Treiben der Eurokraten nicht mehr vertrauen, investieren sie in vermeintlich krisenfeste Sachwerte. Folglich blühen die Immobilien und Kunstmärkte, und auch der Klassiker-Markt hebt gerade irrational ab“, wundert sich der Publizist und Volkswagen-Berater Dirk-Michael Conradt: „Selbst morsche Käfer werden als Investments inseriert.“
Preise steigen rasant an
Tatsächlich kennen die einschlägigen Indizes, die den Weltmarkt für historische Fahrzeuge – geschätztes Volumen: 15 Milliarden Euro – abbilden, 2012 nur eine Richtung: nach oben. „Seit 2009 sind die Preise für klassische und seltene Porsche-Modelle um 16 Prozent gestiegen“, beobachtet Dietrich Hatlapa, Gründer der Historic Automobile Group in London und Verfasser des Fachbuchs „Better than Gold – Investing in Historic Cars“.
Ein ähnlicher Index der Stuttgarter Südwestbank, der allerdings nur die Wertentwicklung von Modellen süddeutscher Autohersteller nachzeichnet, verzeichnet seit 2009 eine Steigerung von 65 Prozentpunkten. „Auslöser der Entwicklung ist sicher der anhaltende Anlagenotstand“, sagt Jens Berner, Asset-Manager bei der Südwestbank. Oldtimer hätten sich in der Währungs- und Schuldenkrise als sehr wertbeständig erwiesen: „Aktien und Renten schlagen sie um Längen.“
Und nicht nur das: „Autos mit einem Preis von mehr als 300.000 Euro sind ein international akzeptiertes Zahlungsmittel“, sagt Bernd Kerkloh. Der Geschäftsführer von Movendi aus Düsseldorf handelt seit sieben Jahren mit alten Autos und hat derzeit größte Mühe, die Nachfrage nach Oldtimern zu befriedigen. Mit dem gleichen Problem schlägt sich Michael Mandat, Geschäftsführer von Mirbach („Autos, die begeistern“) aus dem bayrischen Riedering herum: „Ein BMW 328 interessiert auch Sammler in Russland und China.“ Doch die Zahl der zum Verkauf stehenden hochwertigen Oldtimer ist beschränkt. Mandat: „Wer einen guten hat, gibt ihn derzeit nicht her – was sollte er mit dem Verkaufserlös auch machen?“
Aus Masse wird Klasse
Knappes Angebot, große Nachfrage: So etwas treibt auf allen Märkten den Preis. Am stärksten schlägt sich der aktuelle Oldtimer-Hype in den Ergebnissen der Automobilauktionen nieder, wie sie etwa in Pebble Beach am Rande des Concours D’Elegance über die Bühne gehen: Bei Spezialversteigerern wie Gooding, RM, Bonhams, Mecum sowie Russo und Steele fällt hier fast im Stakkato der Hammer für gewienerte Duesenbergs, Bugattis, Bentleys sowie klassische Porsches und Ferraris. Dieses Jahr summierten sich allein in Pebble Beach die Umsätze der Versteigerer zu dem neuen Rekordwert von 260 Millionen Dollar – im Vorjahr waren es nur 197,5 Millionen Dollar. Teuerstes Stück war ein Mercedes Benz 540 K Special Roadster von 1936, der einst einer preußischen Baronin gehörte: Für 11,7 Millionen Dollar wechselte der Wagen den Besitzer. Im Jahr zuvor waren an gleicher Stelle sogar 16,4 Millionen Dollar für einen Ferrari Testa Rossa aus 1957 geboten worden. Als derzeit teuerster Sportwagen der Welt aber gilt ein 1962er Ferrari 250 GTO, der im Mai von US-Mobilfunkpionier Craig McCaw für 35 Millionen Dollar erworben wurde.
Das Auto als Rentengarant?
In diesen Sog geraten inzwischen sogar ehemalige Massenprodukte: Spitzenreiter im Deutschen Oldtimer Index (DOX), den der Verband der Automobilindustrie erhebt, ist derzeit der Citroën 2 CV: Seit 1999 hat sich der Wert gut erhaltener Exemplare mehr als verdreifacht. „Als Altersvorsorge können Sie die Ente allerdings vergessen“, warnt Stefan Röhrig, Bereichsleiter für Historische Fahrzeuge beim Verband der Automobilindustrie. „Auch ein Ford 12M aus den Sechzigerjahren wird nie ein Rentenbringer.“ Der Grund: Bei Fahrzeugen mit einem Sammlerwert von unter 20.000 Euro fressen die Unterhalts- und Pflegekosten leicht den Wertzuwachs wieder auf.
Wer eines Tages von seiner Autosammlung oder besser dem stückweisen Verkauf der Autoklassiker leben will, muss deutlich tiefer in die Tasche greifen. „Ab 50.000 Euro wird es langsam interessant“, sagt Südwestbanker Berner mit Blick auf seine Renditeberechnungen: Demnach liegt der Break-even etwa für einen Mercedes 190 SL mit einem Wert von 72.000 Euro knapp über vier Prozent. Der Wert des Oldtimers muss jährlich wenigstens um 4,02 Prozent steigen, nur um die Betriebskosten – Garagenmiete, Versicherung, Wartungen – auszugleichen. Viel Spaß an der automobilen Fortbewegung bleibt dem Besitzer dabei nicht: Um den Oldtimer zu schonen, darf er nach der Kalkulation der Banker im Jahreslauf nicht mehr als 500 Kilometer bewegt werden.
Einer ist keiner
Und nur mit einem Oldie in der Garage ist der Altersreichtum noch nicht gesichert – um das Risiko zu streuen, raten Experten zum Aufbau einer Sammlung. „Sie brauchen wenigstens vier Autos“, zählt Heiko Seekamp auf: „Ein Cabriolet, ein Coupé, eine Limousine – und einen Kleinwagen.“ Der 73-jährige Unternehmer, Leiter einer Werbegruppe in Bremen, ist mit einem solchen Auto-Zwerg nach Bensberg gekommen, einem Lloyd Alexander von 1949. Nicht irgendeinem der in Massen produzierten Leukoplastbomber aus der Wirtschaftswunderzeit, sondern einem seltenen Exemplar mit einer Karosserie von Pietro Frua. Nur 49 dieser Modelle entstanden in Handarbeit, lediglich 16 Exemplare entgingen der Schrottpresse – das wahrscheinlich schönste hat sich Seekamp gesichert und liebevoll restauriert.
Sorge um seine Rente muss sich Seekamp wohl nicht mehr machen: In einer Halle auf seinem Bremer Betriebsgelände hat er insgesamt 70 Autos geparkt. „Jetzt ist aber Schluss, ich habe keinen Platz mehr.“ Dann könnte er doch jetzt allmählich mit dem Verkauf seiner automobilen Schätze beginnen. Verkaufen? Der Unternehmer schaut den Fragesteller erst erschrocken an, dann fängt er glucksend an zu lachen: „Ne, ne, immer mal langsam: So alt fühle ich mich denn doch noch nicht.“