Ost-Börsen Die verschmähten Aktien Osteuropas

Obwohl die wachstumsstarken Länder unter der Euro-Krise leiden, haben sie sich wacker geschlagen. Jetzt sind die Bewertungen günstig. Wo der Einstieg für Anleger lohnen könnte.

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Börsenhändler vor der Anzeigetafel in der Warschauer Börse Quelle: dpa

Vor ein paar Jahren noch, da war Osteuropa das Modethema an den Aktienmärkten. Unternehmen versuchten ebenso wie Profiinvestoren und Privatanleger im Osten Fuß zu fassen. Es floss viel Geld nach Osteuropa und fiel dort oft auf fruchtbaren Boden. Heute jedoch ist Osteuropa etwas aus dem Anlegerfokus gerückt. Denn Anleger scheuen während der Schuldenkrise jedes vermeidbare Risiko. Wer in Aktien investiert, weil diese Anlageklasse als einzige noch einträgliche Renditen verspricht, steckt sein Geld offenbar lieber hierzulande in dividendenstarke Papiere als in die Hoffnungswerte aus Polen, Tschechien, Russland oder der Türkei. Auch das Geld aus dem ferneren Ausland macht zurzeit einen großen Bogen um Europa, solange die Schuldenkrise nicht endgültig beherrschbar ist. Das betrifft auch Osteuropa.

Dabei wird die Sippenhaft mit den Schuldensündern Südeuropas den Ländern im Osten Europas nicht gerecht. Denn als Anlageziel könnte Osteuropa durchaus vor einem Comeback stehen. Jenseits aller Modeerscheinungen hat die Region nämlich fundamental einiges zu bieten.

Nathan Griffiths, Osteuropa-Experte bei ING Investment Management, ist überzeugt, dass Zentraleuropa von der Annäherung an die EU weiter profitieren wird. "Während die Sparmaßnahmen in Westeuropa Wirtschaftswachstum und Investitionen unweigerlich bremsen werden, bieten die längerfristigen Trends in Mitteleuropa, wie beispielsweise steigende Einkommen und die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle, interessante Investmentchancen", so Griffiths.

Aus Sicht des britischen Vermögensverwalters Schroders spricht vieles dafür, dass Osteuropa weiterhin erfolgreich der Euro-Krise trotzen kann. Der Börsenindex MSCI Emerging Europe konnte sich in den vergangenen drei Jahren um jeweils 9,77 Prozent steigern. Bezöge man in die Betrachtung auch Länder in den Grenzgebieten wie Russland, Türkei, Kasachstan, Georgien und Ägypten mit in die Betrachtung ein, wäre die Entwicklung sogar besser als in den globalen Schwellenländern wie Brasilien, Indien und China.

Investieren an den Börsen Osteuropas

Optimistische Prognosen

Allen Conway, Fondsmanager des Schwellenländerfonds Schroders ISF Emerging Europe, ist optimistisch für Aktien aus Osteuropa: „Die Bewertungen liegen derzeit bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 6,5 und werden damit mit einem Abschlag von 60 Prozent gegenüber den globalen Schwellenländern gehandelt.“ Erst ab einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von zehn sprechen Börsianer von einer moderaten Bewertung.

Gut möglich, dass es im Frühjahr zur konjunkturellen Belebung und zur Rückkehr des Auslandskapitals kommt. Dann werden bestimmte Regionen, Branchen und Unternehmen überproportional davon profitieren. „Wir rechnen nicht mit besonders ambitionierten Wachstumszielen, dafür aber mit großem ökonomischen Momentum“, sagt etwa Markus Brück, Osteuropa-Fondsmanager bei Metzler Investment. „Polen oder Tschechien können ohne weiteres eine Wachstumsrate von ein bis zwei Prozent im kommenden Jahr schaffen, das Baltikum vielleicht auch mehr.“

Die wichtigsten Fondstypen im Überblick

Aber noch befinden sich östlichen Volkswirtschaften in einer Phase der Abschwächung. Sie leiden unter den starken Handelsverflechtungen mit Westeuropa, wo die Schuldenkrise dafür sorgt, dass weniger Waren aus Osteuropa importiert werden. Aber viele Länder dort haben ihre Hausaufgaben gemacht. „Die Bilanzen der Staaten, Unternehmen und privaten Haushalte sowie die Finanzlage der Länder sind generell gut, besonders im Vergleich zu den Industriestaaten“, so Schroders-Experte Conway. Beispielsweise liegt die Schuldenquote der Staatshaushalte gemessen am Bruttoinlandsprodukt in vielen Staaten nur bei rund 40 Prozent, wie etwa in Tschechien. Polen liegt mit 54 Prozent ebenfalls noch im grünen Bereich. Und selbst die 80 Prozent Schuldenquote in Ungarn ist verglichen mit annähernd 190 Prozent in Griechenland oder den 107 Prozent in den USA noch moderat.

Neben den vergleichsweise stabilen Staatsfinanzen dürfte der Region Auftrieb geben, dass die Länder für Investitionen ausländischer Unternehmen eher noch an Attraktivität gewonnen haben. Die Staatshaushalte entwickeln sich positiv und die Arbeitslöhne sind noch immer im Vergleich zu den alten Industrienationen niedrig, während sie in China rapide ansteigen. „Für die personalintensive Industrie ist die Region noch immer attraktiv“, ist Fondsmanager Brück überzeugt. „Auch Anleger, die einsteigen wollen, finden überwiegend niedrige bis moderate Aktienbewertungen vor.

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