„An den Vorteilen der Diversifikation von Anlagen hat sich grundsätzlich nichts geändert, aber sie ist schwieriger geworden“, sagt Ulrich Stephan von der Deutschen Bank. „Wir haben in den Märkten zum Teil administrative, also politisch gesteuerte Preise - etwa bei den Zinsen für kurze Laufzeiten, die unterhalb der Inflationsrate liegen. Außerdem gibt es einen technischen Effekt: Investments mit Spitzenbewertungen werden knapper.“ So ginge etwa die Zahl der AAA-bewerteten Geldanlagen zurück. Investoren wie Versicherungen oder Pensionskassen, die gesetzlich gezwungen sind, in diese besten Bonitäten zu investieren, konzentrierten sich mit ihren Geldanlagen nun auf weniger Papiere. „Auch solide Aktien sind noch günstig, aber nicht billig. Auf der gleichen Risikostufe nehmen die Alternativen ab“, so Stephan.
Für private wie professionelle Investoren bedeuten die Verwerfungen an den Anlagemärkten vor allem zusätzlichen Aufwand. „Die teilweise schwierigen Märkte führen dazu, dass Investoren sehr viel aktiver mit ihrem Portfolio umgehen müssen“, sagt Stephan. „“Wir schauen zwar jeden Tag auf unsere Risikokennzahlen, aber das Rechnen mit Korrelationen oder einer Sharpe Ratio - die eine erwartbare Rendite ins Verhältnis zur Schwankungsbreite des Kurses setzt - ist momentan problematisch und nur bedingt aussagekräftig, weil die Marktpreise nicht unbedingt reale Marktentwicklungen reflektieren – wie etwa bei festverzinslichen Anlagen. Die Portfoliosteuerung orientiert sich derzeit stärker an der Frage, ob wir ins Risiko gehen, oder das Risiko rausnehmen. Wichtig ist, dass man schnell reagieren kann.“
Um aber schnell nach dem Prinzip „Risk on - risk off“ handeln zu können, bedarf es jedoch zunächst einer belastbaren Ausgangsbasis. Ein universelles Rezept gibt es dafür nicht, da die Ausgestaltung des Vermögensportfolios zunächst eine Frage der individuellen Risikoneigung und -tragfähigkeit des Anlegers ist. Zunächst müssen sich Anleger darüber klar werden, wann und wie viel Geld sie ihrem Portfolio entnehmen wollen, welches Verlustrisiko sie einzugehen bereit sind und wie viel Zeit sie in die Verwaltung ihres Portfolios investieren wollen. „Wie wissenschaftliche Studien und die Erfahrung lehren, ist der Anlageerfolg zu 80 bis 90 Prozent abhängig von der Strategie und Bewirtschaftung eines Portfolios, zu zehn bis 20 Prozent von der Titelauswahl. Entsprechend wichtig ist es sich mit ersteren auseinanderzusetzen“, sagt Vermögensverwalter Tom Friess vom VZ Vermögenszentrum in München.
Sind die Risikopräferenzen klar, geht es um eine passende Anlagestrategie, die Auswahl geeigneter Anlageinstrumente und -klassen und schließlich die Auswahl und Gewichtung einzelner Wertpapiere. Daraus dann ein effizientes Portfolio im Sinne von Markowitz mit optimaler Risikostreuung aufzubauen, ist aber wohl in den meisten Fällen ein unerreichbares Ziel. „Wir gehen davon aus, dass die Grundidee und -aussagen der modernen Portfoliotheorie auch zukünftig gelten. Allerdings wissen wir auch, dass - im Gegensatz zur Annahmen der Theorie - wir uns in keinen wirklich effizienten Märkten bewegen -und das auch noch nie getan haben“, ist Friess überzeugt.
Vermögensmanager Steinhauer betont dennoch die große Bedeutung von Risikostreuung: „Die grundsätzliche Aussage, wonach Streuung Risiken minimiert, muss nicht infrage gestellt werden. Im Gegenteil, in unterschiedliche Anlageklassen zu investieren ist heute wichtiger denn je. Denn wir kennen viele Risiken, können gleichwohl nicht einschätzen, aus welcher Richtung und mit welchem Kaliber der erste Schuss kommen wird.“