Private Equity Unternehmenswetten droht der Absturz

Private-Equity-Fonds schwimmen in Geld, sinnvolle Anlagen sind selten. Risikoinvestoren kaufen selbst suspekte Unternehmen viel zu teuer auf. Beispiele wie Tipico, Breitling oder Stada zeigen, wie die Blase größer wird.

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Private Equity: Die Fonds schwimmen in Geld und kaufen selbst suspekte Unternehmen viel zu teuer auf. Quelle: imago images

In der Taunusstraße sieht das Frankfurter Bahnhofsviertel noch aus wie im Fernsehkrimi. Junkies sitzen auf dem Gehweg, Bordelle stehen neben Kebab-Häusern und Spielhallen. Im Wettbüro von Tipico ist nachmittags nichts los, auf dem Flachbildschirm läuft ein schon vor Tagen abgepfiffenes Fußballspiel. Zwei slawisch sprechende Muskelmänner beleben den Raum nur kurzfristig, nach ein paar Worten mit dem Mann am Tresen verschwinden sie ins Tageslicht.

In seinem ersten Interview als Partner des Finanzinvestors CVC hat der frühere Deutschlandchef von Goldman-Sachs, Alexander Dibelius, vor Preisübertreibungen bei Unternehmenskäufen gewarnt.
von Cornelius Welp

Dabei soll Tipico eine große Wachstumsgeschichte sein. Darauf setzt jedenfalls der Finanzinvestor CVC, der im vergangenen Jahr 60 Prozent der Anteile für stolze 800 Millionen Euro übernommen hat. Tatsächlich zählt das Unternehmen, das drei Studenten vor rund 20 Jahren in Karlsruhe gegründet haben und das seit 2004 in Malta sitzt, zu den größten Wettanbietern. Aktuell setzen mehr als eine Million Kunden jährlich in Filialen oder online auf die Ergebnisse von Fußballspielen oder Dart-Turnieren. Für die nächste Stufe der Entwicklung sei nun ein erfahrener Partner hilfreich, sagt CVC-Deutschlandchef Alexander Dibelius.

In der Branche gilt Tipico jedoch als Beispiel dafür, wie heiß der Markt für Firmenkäufe gelaufen ist – als ein Beispiel unter vielen. Finanzinvestoren saßen weltweit Ende 2016 auf 1,3 Billionen Euro. Pensionskassen und Versicherungen sind wegen der niedrigen Zinsen in Renditenot und stellen ihnen deshalb fast unbegrenzt Geld zur Verfügung. Tatsächlich haben die großen Private-Equity-Fonds in den vergangenen Jahren regelmäßig noch zweistellige Renditen verdient. Doch das Geschäftsmodell gerät immer mehr an seine Grenzen. Weil Kapital so billig ist und Industrieunternehmen wie Finanzinvestoren auf der Jagd nach Übernahmezielen sind, steigen die Preise für Unternehmen so drastisch, dass es in vielen Fällen kaum noch möglich scheint, deren Wert weiter zu steigern. Sollten die Zinsen wieder steigen oder die Konjunktur schwächeln, droht ein Absturz.

Einsatz vervielfacht

Den hat es schon mal gegeben. In der Finanzkrise gerieten Finanzinvestoren unter Druck, weil der Wert von Beteiligungen, die sie fast ausschließlich auf Pump gekauft hatten, deutlich fiel und Banken ihre Kredite zurückforderten. Das aber scheint vergessen. Es läuft schließlich gut, überraschend gut sogar.

Als etwa der Investor Clayton, Dubilier & Rice (CD&R) Mitte 2014 den für blaue Plastikfässer bekannten Verpackungshersteller Mauser aus Brühl für 1,2 Milliarden Euro übernahm, galt das als zu teuer. CD&R habe einen Deal machen müssen, um das Büro in Deutschland zu beschäftigen, lästerte die Branche. Nicht mal drei Jahre später verkaufte der Investor Mauser für 2,1 Milliarden Euro an die Industrieholding Stone Canyon Industries weiter.

Ähnlich lief es bei Scout24. Ende 2013 verkaufte die Telekom 70 Prozent an dem Internetportal, das, so hieß es damals, „seine besten Zeiten hinter sich hat“, für knapp 1,5 Milliarden Euro an den Investor Hellman & Friedman. Knapp zwei Jahre später ging der Internetkleinanzeigenanbieter an die Börse und kam auf einen Wert von drei Milliarden Euro.

Mehr als die Hälfte aller Transaktionen findet zwischen Private-Equity-Fonds statt

Allein schon der Mangel an Alternativen hat die Preise steigen lassen. Die Bewertungen haben stärker angezogen als die Gewinne. Firmen in begehrten Branchen wie der Spezialchemie sind Finanzinvestoren mehr als das Zehnfache des jährlichen Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen wert. Für Unternehmen mit besonders stabilen Erträgen, zum Beispiel die Ablesedienste Techem und Ista, kann sogar das 15-Fache fließen. Tipico bewertete CVC gar mit dem 16-fachen Gewinn. Vor einigen Jahren galt noch der Faktor acht als sehr ordentlich. „In einigen Fällen, in denen wir nicht zum Zuge kamen, wurden Preise gezahlt, die deutlich über unserem Angebot lagen“, sagt Martin Huth, Chef des Investors Triton.

Als überaus ehrgeizig gilt auch der größte deutsche Private-Equity-Deal, die Übernahme von Stada durch Bain und Cinven. Nach einem langen Bieterwettstreit zahlten sie 5,3 Milliarden Euro für den Arzneihersteller. Ein Jahr zuvor war das Unternehmen an der Börse nur halb so viel wert, erschien Interessenten aber damals schon zu teuer.

Dabei bietet Stada zumindest Potenzial für Optimierungen. Deutlich schwerer wird das, wenn schon Investoren am Werk waren. Mehr als die Hälfte aller Transaktionen findet mittlerweile zwischen Private-Equity-Fonds statt. Der Feuerlöscherhersteller Minimax und der Wurstpellenfabrikant Kalle haben bereits den vierten Investor als Eigentümer.

In diesen Fällen reicht es noch weniger, wie vor der Finanzkrise nur die Kosten zu drücken und die Schulden hochzufahren. „Um die hohen Kaufpreise zu rechtfertigen, müssen Investoren heute das operative Ergebnis deutlich verbessern und Wachstum schaffen“, sagt Sven Baumann von der US-Bank Citi. Dafür begleiten sie die Expansion ins Ausland, bauen das digitale Angebot aus und organisieren Zukäufe. „Wir kaufen nur Unternehmen, bei denen wir einen konkreten Plan dafür entwickeln können, den Wert auch unabhängig von der Entwicklung der Kapitalmärkte zu steigern“, sagt Dibelius.

Zugeschlagen hat CVC auch beim Uhrenhersteller Breitling. Der Deal hat für Aufsehen gesorgt. Zum einen, weil die meisten erwartet hatten, dass ein Luxuskonzern zum Zuge kommen würde. Zum anderen, weil Dibelius’ Frau nach der Übernahme ein Foto ins Netz stellte, das sie in Unterwäsche mit Breitling-Mütze zeigt. Über das diskutiert die Branche noch mehr als über den hohen Preis.

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