Ranking Geldmanager Die besten Vermögensverwalter in unruhigen Zeiten

Im Börsencrash zeigen Anlageprofis ihre wahren Qualitäten. Die Sieger unseres exklusiven Rankings der besten Vermögensverwalter sagen, wie sie jetzt investieren, wo sie noch Risiken und schon wieder Chancen sehen.

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1. Platz im Geldmanager-Ranking in der Kategorie

Über seine zehn Monitore poltern heute Morgen die Crash-Kurse: Japan über Nacht tiefrot, nun verliert auch der Dax: „Die alten Chinasorgen, und die Banken machen auch wieder Ärger – zu viele Bad News auf einmal“, kommentiert Markus Wedel, Vermögensmanager, und schaut zu, wie die roten Minuszeichen auf dem Monitor sekündlich größer werden. Im Chat-Programm, wo sich Wedel mit Kollegen in den Handelsräumen der Banken austauscht, geht es fast panisch zu. „Nimmt jemand 2k Leoni, Limit 27,50 !?“, schreibt eine Kollegin aus Genf. „Würde gern, hab heute kein Risikobudget mehr“, antwortet jemand aus London.

Das Depot von Markus Wendel

Wedel liest mit; registriert, was passiert, nimmt zur Kenntnis. Handeln muss er deswegen nicht. „An solchen Tagen darf man sich nicht von Hektik anstecken lassen“, glaubt er, „wenn ich von einem Investment überzeugt bin, verkaufe ich nicht so schnell.“ Sich nicht verrückt machen lassen. Kühlen Kopf bewahren, die Lage analysieren, statt Gerüchten hinterherzujagen – laut Wedel in der Geldanlage das A und O: „Und das geht besser hier, in Buxtehude, als in einem Londoner Großraumbüro.“ Den Nachrichtenfluss am Puls der Finanzmärkte habe er ganz bewusst eingetauscht, „gegen Konzentration aufs Wesentliche“.

Platz 1 in der Kategorie Offensiv

Der Erfolg gibt Wedel recht: Der 42-Jährige führte sein Portfolio auf den ersten Platz im Vermögensverwalter-Ranking der WirtschaftsWoche. In den vergangenen drei Jahren machte er 46,5 Prozent mehr aus dem Geld seiner Kunden, bei zwischenzeitlichen Verlusten von nur 2,3 Prozent. Insgesamt haben die Fonds-Analysegesellschaft MMD und die WirtschaftsWoche über 1300 reale Portfolios mit echtem Kundengeld aus rund 400 Banken und Vermögensverwaltungen analysiert und in drei Risikoklassen eingeteilt (siehe Chartgalerie). Auf den folgenden Seiten und im kommenden Heft sagen die besten Geldmanager, wie sie in den aktuell schwierigen Märkten das Geld ihrer Kunden anlegen und was sie für 2016 von Aktien, Gold und Zinsmärkten erwarten.

Die besten Vermögensverwalter der Kategorie "Offensiv"

Neben der Rendite aus drei Jahren untersuchte MMD-Chef Klaus-Dieter Erdmann mit seinem Team auch, welches Risiko die Geldmanager eingehen. Das messen sie anhand der Kennziffern Volatilität und Maximum Drawdown. Die Volatilität misst die monatlichen Schwankungen des Depotwerts um einen Mittelwert herum. „Hier sehen Anleger, was sie an Wechselbädern aushalten müssen, wenn sie ihr Geld einer bestimmten Bank geben“, so Erdmann. Der Drawdown beziffert den theoretischen Verlust, wenn Kunden ihre Depotanteile zum ungünstigsten Zeitpunkt ge- und verkauft hätten. Hohe Werte bei diesen Kennziffern brachten den Verwaltern im Ranking Minuspunkte. „Solche Risikoanalysen sind keine akademischen Spielchen“, sagt Erdmann, „in guten Börsenjahren, wie von 2009 bis 2015, ist es relativ einfach, eine hohe Wertsteigerung zu erzielen. Die wahre Qualität zeigt sich jetzt, in der turbulenten Marktphase. Nur wer seine Verluste im Crash begrenzt, kann auf lange Sicht ein Topergebnis erzielen.“

Vermögensverwaltung aus Buxtehude

Kopfsteinpflaster und Konditorei, Häkel-Shop und Tee-Kontor: Dies ist nicht London oder New York, dies ist Buxtehude. 2011 hatte Markus Wedel genug von Finanzmetropolen-Hektik, Großraum-Lärm und Ränkespielchen: Er kündigte seinen Job als Aktienhändler, besorgte sich die nötigen Lizenzen der Finanzaufsicht und zog ins Alte Land im Süden Hamburgs. Weil Großkunden wie Stiftungen und Versicherungen aber ungern Geld in die Hände von Einzelkämpfern geben (was, wenn er krank oder im Urlaub wäre?), tat er sich 2015 mit drei anderen Geldmanagern aus Hamburg zusammen. Zu viert verwalten sie 230 Millionen Euro.

Die Anleger stehen Schlange

Derzeit nehmen sie kaum neues Geld an. Für Wedels Fonds, mit dem auch weniger Betuchte sich seine Strategie kaufen können, gibt es eine Warteliste; die Anleger stehen Schlange – trotz recht üppiger Gebühren von 20 Prozent auf den Wertzuwachs einmal im Jahr, sobald er mehr als vier Prozent Rendite machte. Wedels Ansatz erfordert Geduld: Er sucht Unternehmen, deren Wert die Börse gerade unterschätzt. „Wir werden auf Papiere oft aufmerksam, weil deren Handelsvolumen plötzlich steigt oder weil die eigenen Vorstände zukaufen“, sagt Wedel. Das ist aber nur der Startschuss zum wochenlangen Auswahlprozess: Quartalsberichte, Interviews und Fachzeitungen lesen, Branchenkongresse besuchen.

Stimmen die Eindrücke, beginnt Wedel, sich genauer umzuhören, bei Zulieferern, Kunden, Verbänden: Wie ist die Qualität der Produkte, wie der Ruf im Markt, wie die Zahlungsmoral? Wie schnell könnten Konkurrenten das Geschäft kopieren? Am Ende steht der Besuch beim Vorstand. Gerade war er in Buttenwiesen-Pfaffenhofen bei Surteco, einem Hersteller von Oberflächen mit Holzoptik, etwa für Fußleisten und Küchen. Neun Stunden Autofahrt, um die neuen Produktionshallen zu sehen und sich vom Finanzchef „unsere Annahmen für 2016 und 2017 bestätigen zu lassen“, so Wedel. Bis zu 100 solcher Vorstandsgespräche führen er und seine Partner im Jahr. Der Aufwand ist enorm. Deshalb konzentrieren sie sich auf wenig Werte, halten sie Jahre, besitzen manchmal über fünf Prozent der Aktien. „Logisch, dass wir bei Nebenwerten fischen, nicht im Dax, wo Hunderte Analysten jeden Stein schon drei Mal umgedreht haben“, sagt Wedel.

Besonders interessant sind familiengeführte Unternehmen

Im Schnitt schaffen es 30 bis 40 Aktien und 50 Anleihen in die Depots. Neben Surteco hält Wedel Aktien des Druckmaschinenbauers Koenig & Bauer, des Güterbahnspediteurs VTG und des Seefrachtlogistikers Eurokai. Er will wenig Schulden, ein günstiges Kurs-Gewinn-und ein niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis (Relation des Börsenwerts zum Wert der Vermögenswerte in der Bilanz). Auffällig oft lande er bei familiengeführten Unternehmen, sagt der Ex-Investmentbanker von UBS und Lehman. „Interessant ist der Vergleich mit direkten Konkurrenten“, meint Wedel. Etwa zwischen Eurokai und HHLA: Beide Hafenbetreiber leiden unter der Schwäche der Containerschifffahrt. Aber Eurokai, wo die Eigentümerfamilie den Ton angibt, hat im Boom nicht so prozyklisch investiert; nun muss auch nicht so viel gekürzt werden. Eigentümer planen langfristiger als Manager, sagt Wedel, „am Ende sieht man es am Börsenkurs“.

Aktuell hält Wedel viel Bargeld, 36 Prozent des Portfolios, normal sind etwa 25. „Nur über die Cash-Quote steuern wir das Risiko; auf Absicherungsgeschäfte mit Optionen verzichten wir – außer, wir sehen hohe Risiken für einen Crash.“ Sieht er aber nicht. Spätestens im Frühsommer werde es „Kaufgelegenheiten bei Aktien“ geben. Er erwartet, dass sich die Sorgen um China, Ölpreis und Bankenkrise im Frühjahr verflüchtigen. „Der schwache Ölpreis schenkt den Konsumenten und Unternehmen jeden Tag rund drei Milliarden Dollar im Vergleich zu vor einem Jahr“, sagt Wedel, „Geld, das in Investitionen und Konsum geht.“ Nur wenn man von einer weltweiten Rezession ausginge, wären Daimler, BMW oder Siemens teuer.

1. Platz in der Kategorie Ausgewogen

Lars Rosenfeld und Joachim Döring halten nichts von großer Außendarstellung. Nur ein leicht verschrammtes Metallschild weist den Weg über einen Seiteneingang in ihre Büros. 17 Mitarbeiter teilen sich eine halbe Etage der Avenue de la Porte-Neuve 13, eines Zweckbaus in der Luxemburger Altstadt. Mehrfach überstrichene Raufasertapeten, grauer Teppich, helle Holzmöbel und Lamellenvorhänge – eine Privatbank mit lauter Millionären als Kunden stellt man sich anders vor. Die Bank könnte eine beliebige Provinzsparkasse sein. Ist sie aber nicht. Anders als deutsche Sparkassen muss die Freie Internationale Sparkasse ihre Aktivitäten nicht auf ihre Stadt beschränken. Und weil sie es ganz gut machen mit der Vermögensanlage, kommen Kunden aus ganz Deutschland zu ihnen. Mit ihrem Mischdepot aus Aktien, Anleihen, Indexfonds, Derivaten und Cash machten sie in drei Jahren 24 Prozent plus; zu keiner Zeit lagen Kunden mehr als 1,99 Prozent im Minus – trotz heftig schwankender Börsen.

Das Depot von Lars Rosenfeld und Joachim Döring.

Damit gelang den Luxemburgern Platz eins in der Kategorie „Ausgewogen“, in der die Geldmanager mit angezogener Handbremse agieren müssen – weil ihre Kunden ebenso viel Wert auf ruhigen Schlaf wie auf Rendite legen. Auch die Marktturbulenzen seit Anfang des Jahres haben ihren Depots kaum zugesetzt: Nur 3,14 Prozent hätten Anleger, die am 1. Januar einstiegen, bis heute verloren; der Dax gab zeitgleich 13 Prozent nach. Sie bleiben vorsichtig, trauen der zuletzt wieder oft gehörten These von den Einstiegskursen nach dem Crash noch nicht. Ihre Aktieninvestments haben sie zurückgefahren. Sie halten so viel Cash wie selten zuvor, im Schnitt 26 Prozent der Aktien-Portfolios, nur noch 35 Prozent stecken in Aktien und Fonds, der Rest in Zinspapieren.

Die Märkte schwimmen nicht in Geld

„Risiken gibt es zwar immer“, sagt Rosenfeld, „ aber derzeit sind es einfach sehr viele.“ Er zählt auf: Chinas schwaches Wachstum, das die hochtrabenden Gewinnprognosen vieler westlicher Konzerne zu Makulatur mache, der Ölpreisverfall und drohende Staatspleiten von Russland bis Saudi-Arabien, die Gefahr einer Deflation (auf breiter Front sinkende Preise, die die Gewinne der Unternehmen pulverisieren würden), steigende Zinsen in den USA und die Flüchtlingskrise in Europa, deren Kosten nicht absehbar sind. Es hat sich einiges zusammengebraut. Die Investoren hätten das zu lange ignoriert und sich auf die Notenbanken als ewigen Quell billigen Geldes verlassen.

Die besten Vermögensverwalter der Kategorie "Ausgewogen"

Die meisten Anleger denken, dass wegen der lockeren Geldpolitik der Notenbanken die Märkte in Geld schwimmen. Doch das stimme so nicht mehr. Jedenfalls nicht bei der kurzfristigen Liquidität – Geld, das klassisch an die Börse fließt. In den USA müssen einige Hedgefonds schließen, weil Anleger das Geld abziehen, sie fallen als Aktienkäufer aus. Ebenso die Staatsfonds der Opec-Länder, die wegen akuten Geldmangels Aktien verkaufen. Die verschärfte Regulierung seit 2009 entzieht dem Markt Geld: „Der Eigenhandel der Banken wurde beschnitten und trägt fast nichts mehr zum Kaufvolumen an der Börse bei; die Investmentbanken kürzen ihren Händlern die Limite zusammen“, konkretisiert Rosenfeld, „auch die Risikobudgets der Fonds schmelzen.“ Folge: Wenn die Börse einbricht, gibt es kaum noch milliardenschwere Hasardeure, die kaufen, während die Kanonen donnern.

Boom hat zur Häufung von Risiken geführt

Der lange Boom hat zur Häufung von Risiken an wenigen Stellen geführt – Klumpenrisiken, sagen sie: „Die Situation erinnert an 2008. Immer weniger Aktien treiben die Börsen; und diese Aktien sammeln sich auf den Büchern der ganz Großen der Branche“, sagt Rosenfeld. Denn gleichzeitig schritt die Konzentration der Finanzindustrie voran. „Wenn der Gigant Blackrock aus einer großen Positionen raus wollte, müsste schon der Versicherungsriese AIG die Pakete übernehmen, über den Markt wird es schwer – niemand hat so viel Kaufkraft“, sagt Döring.

Aktien finden sie auch nach dem Crash von Jahresanfang nicht günstig. „Nur weil andere Anlageklassen noch teurer sind, heißt das nicht, dass Aktien Potenzial haben“, so Döring. Vor allem Sondereffekte hätten die Kurse seit 2009 getrieben: Die Unternehmen kauften im großen Stil eigene Aktien an der Börse zurück, sie konnten das mit billigem Kredit hebeln, dazu stiegen die Gewinnmargen schneller als die Umsätze. „Das sind alles keine nachhaltigen Entwicklungen. Wir rechnen dieses Jahr mit einer echten Zitterbörse“, meint Döring, „kurzfristig kann es Erholungen geben, aber für konservative Langfrist-Anleger ist das keine Zeit, um groß Aktien zu kaufen.“

Ohne Aktien geht es nicht

Natürlich geht es trotz aller Gefahren nicht ganz ohne Aktien. Irgendwoher muss die Rendite kommen. Döring und Rosenfeld suchen deshalb nach Unternehmen in Sondersituationen, deren Kursverlauf kaum etwas mit der Richtung der großen Aktienindizes zu tun hat. Ein solcher Wert ist Wüstenrot. Wie alle Versicherer leiden die Schwaben am schwachen Lebensversicherungsgeschäft. Sie ziehen sich daraus zurück und bauen lukrative Bereiche dafür aus, etwa die Baufinanzierung. Die beflügelt auch den Verkauf von Bauherrenhaftpflicht- und Risikolebensversicherungen. Die Wüstenrot Holding ist Ankeraktionär (66,3 Prozent) und stellt als Stiftung anlegerfreundliche Dividenden sicher.

Auch Technotrans hat schwere Zeiten hinter sich. Das Urgestein vom ehemaligen Neuen Markt baut Komponenten für Druckmaschinen sowie CD- und DVD-Maschinen. Nicht gerade Wachstumsbranchen: Der Preisverfall bei Druckmaschinen und rückläufige CD-Verkäufe trafen den Maschinenbauer hart. „Doch neue Felder können den im Stammgeschäft ausgefallenen Gewinn inzwischen überkompensieren“, sagt Rosenfeld. Know-how mit Kühl- und Spülsystemen für Druckmaschinen kann Technotrans auf andere Branchen anwenden: Neue Kunden sind etwa Hersteller von Stanzmaschinen oder Batterien.

Weil die Kurse von Anleihen in der Regel weniger schwanken als die von Aktien, kommen sie trotz Niedrigzinsen nicht um diese Anlageklasse herum. Doch wer aus einem Bondportfolio noch ein bisschen mehr Rendite ziehen will als aus einem Sparbuch, muss kreativ werden. „Wir suchen nach Bonds möglicher Übernahmeziele“, sagt Rosenfeld, „denn die Bonität und das Rating verbessern sich durch den Firmenverkauf meist dramatisch.“ So griffen sie bei Anleihen von Kabel Deutschland zu, als ruchbar wurde, dass Vodafone das Unternehmen kaufen wollte, und bei Celesio, die vom Pharmariesen McKesson geschluckt wurde und deren Kurs binnen Tagen von 90 auf 106 Prozent sprang. Chancen gibt es also immer – man muss sie nur geduldig suchen und dann auch nutzen können. Und weil 2016 noch mehr Chancen kommen werden, halten sie das Pulver vorerst trocken.

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