Rentner gegen Funktionäre Aufstand gegen die Sparkasse

Der Rentner Rainer Gottwald nervt Sparkassenfunktionäre und hat es geschafft, dass Bürger sich für die Vorgänge in ihren kommunalen Geldhäusern interessieren. Endlich.

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Sparkassen machen Sparer wütend. Quelle: Getty Images

„Ja, Grüß Gott, ich hoffe, ich störe nicht.“ Mit dieser freundlichen Einleitung beginnt Rainer Gottwald alle seine Telefonate. Wenn er einen Journalisten am Hörer hat, erkundigt er sich höflich, ob die aktuelle Ausgabe schon fertig sei oder ob er lieber später noch mal anrufen solle. Nein, nein, es passt schon.

Besser gleich als später, der Rentner aus Landsberg am Lech ist immer im Einsatz. Er hat das Thema seines Lebens gefunden: Die Sparkassen. Dass diese im Geld schwimmen und mehr an darbende Kommunen ausschütten müssten. Dass die Verwaltungsräte unqualifiziert seien und mit den Vorständen gemeinsame Sache machten, statt den Chefs im Auftrag der Bürger auf die Finger zu schauen. Das sind Gottwalds feste Überzeugungen. Und natürlich, dass sich das Sparkassenwesen ändern muss.

Dieses Ziel treibt ihn an, deshalb versorgt er die Wirtschaftsredaktionen quer durch die Republik zuweilen mit mehr Informationen über die neuesten Streiche seiner bayerischen Bürgerinitiative, als die Journalisten jemals aufschreiben könnten.

Sparkasse in Zeiten von Minizins und Digitalisierung

Der unermüdliche Ruheständler ist kein Gelangweilter auf der Suche nach Streit für ein bisschen mehr Lebensinhalt. Seine Argumente sind es wert, sich mit ihnen auseinander zu setzen, auch wenn man seiner Meinung nicht immer bis zur letzten Konsequenz folgen muss.

Gottwald hat es geschafft, eine Debatte loszutreten. Und das ist gar nicht so einfach in der behäbigen und verschwiegenen Sparkassenwelt. Die Chefs lokaler Sparkassen zeigen sich zwar gern auf den Spendengalas oder Sportveranstaltungen im Ort, welche von den Geldinstituten öffentlichkeitswirksam gesponsert werden. Doch ansonsten reden sie nur ungern über Dinge, die in der Sparkasse so passieren und fällen ihre Entscheidungen lieber im Verborgenen. Das, obwohl die Kommunen als Träger der Sparkassen das Management eigentlich aufmerksam kontrollieren müssten.

Den Bürgermeistern und Landräten in den Aufsichtsräten gelingt es aber kaum, wirksame Kontrolle im Sinne einer guten Unternehmensführung auszuüben. Handelt es sich bei ihnen doch um banktechnische Laien, die es sich zudem mit „ihrer“ Sparkasse nicht verscherzen wollen. Schließlich sind die Institute mit dem weißen S auf rotem Grund einer der größten Gewerbesteuerzahler der Republik und geben gerade schrumpfenden Dorfgemeinschaften noch einen Rest gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Eine der wenigen Ausnahmen ist der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Er zwang die Großsparkasse der NRW-Landeshauptstadt nach einem langen juristischen Kampf zu höheren Ausschüttungen. Zu einem solchen Sieg gehören Mut und Glück, kein Wunder, dass kaum Politiker den Showdown mit der Sparkasse wagen – würden sie damit doch ihre Karriere aufs Spiel setzen.

Geisel halfen am Ende teure Gutachten teurer Anwaltskanzleien und die Tatsache, dass sich das für die Sparkassenaufsicht zuständige NRW-Finanzministerium, ebenfalls SPD-regiert, am Ende auf seine Seite stellte. Und was man im Vergleich zu kleinen Gemeinden nicht vergessen darf: Für Düsseldorf ist die Sparkasse zwar ein wichtiger aber sicher nicht der wichtigste Wirtschaftsfaktor. Ratsherren in Großstädten können sich einen Konflikt mit dem kommunalen Geldinstitut also eher erlauben als ihre Amtskollegen in kleineren Gemeinden.

Neues Vorbild

Der Bescheid, in dem das Finanzministerium NRW im vergangenen Jahr für die Stadt Düsseldorf und gegen die Sparkasse entschied, landete auf Umwegen auch auf Gottwalds Schreibtisch in Landsberg am Lech. Er munitionierte damit kurzerhand den Wirtschaftswissenschaftler Guido Eilenberger, der unter anderem gestützt auf die Argumente aus NRW die Sparkasse Allgäu einer Bilanzanalyse unterzog. Sein Ergebnis: Die Sparkasse rechne sich durch pessimistische Prognosen arm.

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Zu Ausschüttungen hat sich die betroffene Sparkasse dadurch zwar nicht wirklich bewegen lassen, aber immerhin zu einer Diskussionsrunde zwischen dem Wissenschaftler und dem Sparkassenchef, moderiert vom Bürgermeister der Stadt Immenstadt, nebst Gottwald im Publikum. Auch wenn vor den Zuhörern im Immenstädter Schlosssaal allenfalls Standpunkte ausgetauscht wurden und keine Annäherung stattfand, war das Signal deutlich: Sparkassenchefs müssen sich auf einen kontroversen Dialog mit ihren Bürgerkunden einrichten, auch wenn das bisher nicht unbedingt Teil der Kultur dieser Finanzgruppe war.

Gottwald hat Anfang 2016 eine anwachsende Debatte entfacht, weil er sich die Mühe gemacht hat, die Bilanzen aller rund 70 bayerischen Sparkassen zu durchforsten. Und siehe da: Laut Gottwald hätte die Mehrzahl der Institute deutlich höhere Ausschüttungen an die Kommunen leisten können, tat es aber nicht. Obwohl die bayerischen Sparkassen und ihr Landesverband deutlich widersprechen, ist das Thema nicht mehr tot zu kriegen.

Seit die WirtschaftsWoche im Januar vergangenen Jahres ihre erste Geschichte über Gottwald brachte, ist viel passiert. Der Unermüdliche hat mittlerweile Nachahmer gefunden. Quer durch die Republik eifern Kommunalpolitiker und Bürger jetzt ihrem neuen Vorbild nach. Neulich meldete sich sogar ein Cottbusser, der Gottwald um einen kritischen Blick auf die dortige Sparkasse Spree-Neiße bat. Ergebnis: Eine üppige Eigenkapitalquote von mehr als 40 Prozent aber keine Ausschüttungen. Auch in Ostdeutschland dürfte die Debatte nun starten.

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Im bayerischen Eichstätt hat Gottwald einen engagierten Mitstreiter gefunden. Dort kämpft der Geschäftsmann Wolfram Ruoff gegen die Fusion der Eichstätter Sparkasse mit dem größeren Nachbarinstitut aus Ingolstadt. Selbst eine Unterschriftenliste und ein Bürgerbegehren konnten den umstrittenen Zusammenschluss nicht stoppen. Das Veto kam formaljuristisch wohl zu spät, um die Fusion noch aufzuhalten. Ruoff und seine Unterstützer sind daher vor das Verwaltungsgericht gezogen, unterfüttert mit Gutachten von Gottwalds akademischer Geheimwaffe Eilenberger.

Die Sparkassenfusion ist den Bürgern ein Dorn im Auge, weil sie die ohnehin üppigen Bezüge und Pensionsleistungen für die Funktionäre deutlich anschwellen lässt. Denn die sich durch Fusionen addierenden Bilanzsummen bilden laut Sparkassengesetz einen wichtigen Teil der Bemessungsgrundlage für die Versorgungspakete.

Steigender Versorgungsaufwand

Der steigende Versorgungsaufwand wird auch dadurch nicht wieder wettgemacht, dass Fusionen alte Managementposten überflüssig machen. Denn die bestehenden Verträge werden oft bis zum Ende der Laufzeit ausbezahlt und die Pensionslasten bleiben auch nach dem Ausscheiden der Funktionäre aus dem aktiven Dienst bestehen.

Auch in den bayrischen Landkreisen Dachau, Landsberg und Fürstenfeldbruck stemmen sich daher Bürger und Oppositionelle in den Stadträten gegen die geplante Megafusion ihrer drei Sparkassen.

Ruoffs Bürgerinitiative in Eichstädt wollte sogar ein Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der fusionsbeteiligten Sparkassen einleiten. Der Vorwurf: Bilanzfälschung. Ein Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft München II zwar eingestellt. Doch der emeritierte Wirtschaftsprofessor Eilenberger ließ es sich nicht nehmen, den Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft in einer ausführlichen achtseitigen Stellungnahme als „oberflächliche Betrachtungsweise“ abzubügeln.

Aufmüpfige Bürger und eigenwillige Wissenschaftler, die Behördenentscheidungen nicht für die letztgültige aller Weisheiten halten, das ist eine Mischung, mit der viele alteingesessene Apparatschiki aus der Sparkassenwelt nicht klar kommen.

So soll der Vorstand der Sparkasse von Fürstenfeldbruck eine Informationsveranstaltung von Fusionskritikern per Beschwerde bei der Stadt blockiert haben. Die Stadtverwaltung untersagte der Bürgerinitiative auf Drängen der Sparkasse kurzerhand die bereits genehmigte Nutzung des städtischen Bürgerpavillons. Die Veranstaltung musste daraufhin beim Griechen um die Ecke stattfinden. Solche Aktionen schaden nicht nur dem offenen Dialog, sie bestätigen auch das Klischee der Kungelei zwischen Kommunen und Sparkassen.

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Daher wäre es zu begrüßen, wenn die Initiativen von Gottwald & Co. einen Kulturwandel in der Sparkassenwelt anstoßen würden. Wenn das einem gelingen kann, dann Gottwald. Denn er verfügt über drei wichtige Stärken: Er kennt sich mit Zahlen aus, lässt sich nicht abwimmeln und bleibt trotzdem freundlich.

Es schmeichelt ihm durchaus, dass die Süddeutsche Zeitung ihn 2016 auf den Spitznamen „Sparkassenschreck“ taufte. Das passt. Schließlich versteht es keiner wie er, die Verantwortlichen zu nerven und es macht ihm nichts aus, den Funktionären gehörig auf den Wecker zu gehen, beharrlich, aber eben höflich. Und wenn ihm und seiner Initiative mal wieder ein Etappensieg geglückt ist, dann fährt er mit Frau und Wohnmobil in den Urlaub. Fast wie ein normaler Ruheständler.

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