Risiko-Anleihen Wetten auf Firmenpleiten

Unternehmens-Bonds von Air Berlin bis Yioula Glass haben bis zu 70 Prozent verloren. Mutige Anleger wie Börsenguru Frank Lingohr machen mit ausfallgefährdeten Papieren selbst bei möglichen Konkursen noch ansehnlichen Gewinn. Wie Anleger mit Anleihen antizyklisch investieren.

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Vermögensverwalter Frank Lingohr Quelle: Presse

Aktionäre kennen die Strategie: „Wir werden ängstlich, wenn die anderen gierig sind, und gierig, wenn die anderen ängstlich sind“, hat Star-Investor Warren Buffett sie einst auf den Punkt gebracht. Buffett kauft Aktien, wenn an der Börse schlechte Nachrichten dominieren und die Kurse im Keller sind. Er steigt aus, wenn gute Nachrichten aus Konjunktur und dem Unternehmen den Kurs seit geraumer Zeit treiben und Analysten sich mit Kaufempfehlungen überbieten. Antizyklische Investoren werden Buffett und seine Nachahmer deshalb oft genannt.

Ihre Idee: Wenn eine Aktie überall zum Kauf empfohlen wird, haben die meisten Investoren schon gekauft, die künftige kurstreibende Nachfrage ist begrenzt. Lässt die Börse ein Papier links liegen, können aber schon wenige gute Nachrichten einen Nachfrageboom entfachen.

Studien haben die Überlegenheit des antizyklischen Investierens an den Aktienmärkten belegt – unter einer Bedingung: „Als Antizykliker haben Sie dauerhaft nur Erfolg, wenn Sie zwischenzeitliche Rückschläge aushalten und notfalls ein paar Jahre bei der Stange bleiben können“, sagt Vermögensverwalter Frank Lingohr, der mit seinen Fonds selbst als bekennender Buffett-Jünger mit antizyklischem Verhalten seit vielen Jahren überdurchschnittliche Renditen erzielt.

Diagramm: Meist überschaubare Verluste Quelle: Fitch, Bloomberg

Weniger bekannt ist der antizyklische Ansatz unter Anleiheinvestoren. Dabei funktioniert er tadellos. Auch Bonds werden an der Börse gehandelt, zu einem schwankenden Kurs – wenn auch ihre Notierungen in der Regel weniger stark variieren als die der Aktien. Schließlich winkt am Ende der Laufzeit der Papiere die volle Rückzahlung. Der Kurs nähert sich also seinem Ausgabepreis wieder an. Der liegt immer bei 100 Prozent – Anleihen werden anders als Aktien nicht in Euro, sondern in Prozent notiert. Wer für 1000 Euro eine Anleihe zu einen Kurs von 100 Prozent erwirbt, zahlt 1000 Euro. Dazu kommt noch ein Zinsaufschlag, den der Verkäufer für die bereits bis zur nächsten Zinszahlung aufgelaufenen Anleihezinsen erhält, der sogenannte Stückzins.

Während ihrer Laufzeit können auch Anleihen deutlich von ihrem Rückzahlungskurs von 100 Prozent abweichen – etwa dann, wenn das allgemeine Zinsniveau steigt. Neue Anleihen werden dann zu einem höheren Zinssatz ausgegeben, bereits gehandelte Papiere mit niedrigerem Zinskupon verlieren relativ an Wert. Größten Einfluss auf den Kurs aber haben die Unternehmenszahlen. Signalisieren sie Pleitegefahr, stürzen Anleihekurse in den Keller – Anleger fürchten, dass sie ihre 100 Prozent nicht zurückbekommen.

Für wagemutige, antizyklisch investierende Anleger bietet dies Chancen. Verbessert sich die Situation des Unternehmens, kann ein Anleihekurs ohne Weiteres auch wieder von 60 auf 100 Prozent steigen. Derzeit ist eine Reihe an Papieren, vor allem die von Mittelständlern, auf 50 oder gar 35 Prozent ihres Ausgabekurses gefallen. Entsprechend ist ihre jährlich Rendite gestiegen – bis auf 15, 37 oder 48 Prozent.

Totalverlust ist möglich

DAX Quelle: dapd

Die hohe Rendite soll für das hohe Risiko entschädigen. Denn die Spekulation auf eine Erholung kann natürlich auch schiefgehen: Jüngst erlitten Anleihegläubiger etwa bei den Solarwerten Solon und Q-Cells und bei dem Windenergiezulieferer Siag Schaaf Verluste von bis zu 99 Prozent. Die Unternehmen reichten vor Gericht Insolvenzanträge ein – das Geld der Anleihegläubiger ist zum Großteil weg.

Solange das Unternehmen nicht Bankrott macht oder in einer akuten finanziellen Notlage umschulden muss, bekommen die Anleihekäufer ihre jährlichen Zinsen (den Kupon) und zum Ende der Laufzeit den vollen Nennwert zurück. Von Solarworld bekämen Anleger, wenn alles gut geht, für rund 350 Euro Einsatz (Anleihekurs plus Stückzins) am 13. Juli 2016 insgesamt 1255 Euro (vier Mal den Kupon von 63,75 Euro und am Ende 1000 Euro Rückzahlung). Das entspricht einer jährlichen Rendite von rund 48 Prozent.

Statistisch fallen die wenigsten Unternehmensanleihen aus, weil ihre Emittenten Zins und Tilgung nicht mehr leisten können. Selbst in der Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre wurden gut 70 Prozent zurückgezahlt; Unternehmensanleihen waren eine weit bessere Anlage als etwa US-Aktien, die von 1929 bis 1932 rund 90 Prozent verloren.

Laut der Ratingagentur Fitch ist in den vergangenen zwölf Monaten per Ende März 2012 rechnerisch nur jede 50. Hochzinsanleihe in Europa ausgefallen. Über mehrere Jahre müssen Anleger deutlich mehr Pleiten einkalkulieren: Die Ratingagentur Standard & Poor’s erwartet, dass im Hochzinssegment zwischen 5,5 und 7,5 Prozent der Schuldner bis 2012 ihre Anleihen nicht mehr werden bedienen können. Das wäre keine ungewöhnlich hohe Rate: Im Krisenjahr 2009 mussten Investoren jeden zehnten Euro abschreiben.

Dax-Anleihen: Kein Inflationsausgleich
UnternehmenISINKursKuponRenditeLaufzeit
BMWXS0729046051102,39 %2,125 %1,27 %13.1.2015
DaimlerDE000A1MLSR4101,32 %1,750 %1,40 %21.5.2015
Deutsche TelekomXS0210318795106,90 %4,000 %1,44 %19.1.2015
E.OnXS0385754733112,95 %5,250 %1,36 %8.9.2015
Merck KGaAXS0497185511105,43 %3,375 %1,50 %24.3.2015
MetroDE000A0XFCT5115,48 %7,625 %1,95 %5.3.2015
RWEXS0412842428110,10 %5,000 %1,31 %10.2.2015
VolkswagenXS0731679907102,24 %2,125 %1,33 %19.1.2015
Quelle: Bloomberg, Stand: 3. Mai 2012

Dax-Papiere bringen wenig

Anleger, die einen Totalausfall im Depot vermeiden wollen, greifen zu Papieren solider Schuldner aus dem Dax – müssen sich aber mit Niedrigrenditen von unter 1,5 Prozent begnügen; deutlich weniger als die aktuelle Inflation von zuletzt 2,0 Prozent. Netto, nach Steuern und Preissteigerung, vernichten Anleger damit also einen Teil ihrer Kaufkraft.

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass ein Dax-Konzern, der derzeit ein Rating im sicheren Investmentbereich hat, binnen der nächsten Jahre pleitegehen wird, doch bieten die Niedrigrenditen keinen Ausgleich für die Bilanzrisiken vieler Dax-Konzerne. Die Telekom etwa hat gut 42 Milliarden Euro Nettoschulden; beim Versorger E.On, der 2011 in die roten Zahlen rutschte, türmt sich inklusive Entsorgungs- und Pensionsrückstellungen eine wirtschaftliche Verschuldung von gut 36 Milliarden Euro auf.

Volkswagen zum Beispiel hat eine Nettoverschuldung von derzeit gar 73 Milliarden Euro. Der Großteil davon stammt aus dem Finanzierungsgeschäft, ist also ein mehr oder weniger durchlaufender Posten. So lange zumindest, wie kreditfinanzierte Autos von den Käufern auch bezahlt werden können. Fazit: Anleihen von großen Dax-Konzernen dürften in den nächsten Jahren voll zurückgezahlt werden. Die Renditen bieten aber weder einen Risikoausgleich noch Kapitalerhalt.

Wer in diesem bescheidenen Zinsumfeld mehr herausholen will, muss höher verzinsliche Bonds kaufen. Bei einigen der im Folgenden vorgestellten Papiere erscheint ein Investment chancenreich. Die Gefahr, bei einer Pleite all sein Geld zu verlieren, besteht dennoch.

Die Alternative ist, eine Wette über zehn bis zwölf dieser Anleihen zu streuen. Die Idee dahinter: Wer sich für 10 000 Euro ein Depot aus abgestürzten Anleihen zusammenstellt, muss mit ein bis zwei Pleitefällen rechnen. Im Gegenzug hat er die Chance auf Gewinne weit über den derzeit erzielbaren Durchschnittsrenditen.

Das Risikodepot

Die 20 innovativsten Mittelständler
Sear GmbH Quelle: Screenshot
Telegärtner Karl Gärtner GmbHDas Technologieunternehmen ist ein Unternehmensverbund mit Sitz in Steinenbronn. Das 1945 gegründete Unternehmen beschäftigt mehr als 450 Mitarbeiter und ist spezialisiert auf Vor- und Endprodukte für die Tele- und Datenkommunikation. Quelle: Screenshot
Jöst GnbH & Co.KGDie Jöst GmbH & Co. KG ist ein inhabergeführtes Unternehmen, das auf dem Gebiet der Schwingungstechnik tätig ist. Hauptsitz der Gruppe ist seit 1990 Dülmen-Buldern im westlichen Münsterland. Quelle: Screenshot
MAJA-Maschinenfabrik Hermann Schill GmbH & Co. KGDer Firma Maja hat bei der Herstellung von Eismaschinen für die Fleischindustrie und den Handel, das Thema der Hygiene aufgegriffen und verbessert, heißt es in einer Mitteilung von Munich Strategy. Durch Änderungen bei der Maschinenkonstruktion lassen sich alle wasserführenden Teile dadurch ausbauen und täglich oder bei Bedarf auch öfter reinigen. Sitz des Unternehmens ist Kehl-Goldscheuer an der französischen Grenze. Quelle: Screenshot
IBAK Helmut Hunger1945 wurde das Unternehmen aus der Technologiebranche als Ingenieurbüro gegründet. Heute ist es Hersteller und Vertreiber von Kanalisationssystemen mit rund 250 Mitarbeitern an den Standorten Kiel und den Zweigstellen in Krefeld, Georgsmarienhütte/Osnabrück und Illerrieden/Ulm. In diesem Jahr wurde zum 66. Geburtstag des Unternehmens eine neue Kundenhalle in Kiel-Wellingdorf eingeweiht Quelle: Screenshot
Galileo Lebensmittel GmbH & Co. KGDas Unternehmen wurde 1993 gegründet und stellt Tiefkühlkost her. Spezialisiert ist es auf Pizzen, Wraps und Crostinis - kurz gesagt auf Produkte der italienischen Küche. Sitz der Gesellschaft ist Trierweiler. Quelle: Screenshot
TECE GmbHAuf Platz 14 des Rankings liegt die Gesellschaft TECE, die Haustechnik-Lösungen national und international fertigt und vertreibt. Die Wurzeln des Unternehmens reichen zurück bis ins Jahr 1955 und ist inhabergeführt. Sitz der TECE GmbH ist Emsdetten in Nordrhein-Westfalen. Quelle: Screenshot

Der Ausfall einzelner Bonds wird bei dieser Strategie bewusst in Kauf genommen: Selbst wenn in einem Depot aus zehn Anleihen mit einer Rendite von durchschnittlich je 15 Prozent eine nach einem Jahr mit Totalverlust ausfällt, sorgen die anderen dafür, dass unterm Strich über fünf Jahre Laufzeit noch eine Rendite von rund elf Prozent pro Jahr herauskommt.

Beispiel: Würde eine der niedriger rentierlichen Anleihen, etwa Air Berlin, 2013 ausfallen, reduzierte sich die Rendite des Zehnerdepots über die Laufzeit von fünf Jahren von 19,5 auf 15,0 Prozent pro Jahr. Auch wenn es eine sehr hoch rentierliche Anleihe wie etwa die von Solarworld schon 2013 erwischte, blieben in fünf Jahren noch 15,6 Prozent Rendite pro Jahr, denn der Anleger muss zwar den Ausfall eines Rendite-Knüllers verschmerzen, hat aber wegen des niedrigeren Kaufkurses dort weniger Kapital im Feuer. Bei einem Ausfall von Solarworld erst 2014 würde eine Gesamtrendite von 15,9 Prozent pro Jahr erwirtschaftet. Selbst wenn gleich drei Anleihen ausfielen, etwa die der IKB-Bank nach einem, die von Rena nach zwei und die von Nordex nach drei Jahren, bliebe noch eine Rendite von jährlich 7,7 Prozent des Gesamtdepots übrig.

Unternehmensanleihen mit Chance auf zweistellige Renditen und hohem Risiko

Die Rechenmodelle unterstellen, dass Anleger das Geld, das Unternehmen bei Fälligkeit einer Anleihe vor Ablauf der fünf Jahre zurückzahlen, für den Rest der Gesamtlaufzeit des Anleihedepots mit der Durchschnittsrendite des Depots wieder anlegen. In der Praxis böte sich an, das frei gewordene Kapital entsprechend auf die restlichen neun Bonds zu verteilen.

Statt Anleihen mit möglichst hohen Renditen (niedrigen Kursen) zusammenzukaufen, sollten Anleger das Verhältnis von Chance und Risiko optimieren:

  1. Ins Risikodepot kommen sollten nur Anleihen mit zweistelliger Rendite; schließlich sollen die Gewinne im Zweifel den Ausfall eines Bonds kompensieren.
  1. Die aktuelle Lage des Unternehmens darf angespannt sein (und ist es in der Regel auch, sonst wären die Kurse nicht so tief), jedoch sollte es eine reelle Chance geben, dass das Unternehmen zumindest bis zum Laufzeitende der Anleihe überlebt.
  1. Die Unternehmen sollten möglichst unterschiedlichen Branchen angehören, um Ansteckungseffekte und Klumpenrisiken zu vermeiden. Derzeit wäre es zum Beispiel leicht, zehn Ramsch-Bonds aus der Solarbranche zu finden. Nur würde es zum Beispiel bei einer erneuten Absenkung oder gar Streichung von Subventionen sicher nicht bei einer Pleite bleiben.

Keine Branche sehen Anleger derzeit so negativ wie die Solarwerte. Eine Solarworld-Anleihe, im Sommer 2011 zu 100 Prozent ausgegeben, notiert bei 30 Prozent, hat also 70 Prozent an Wert verloren.

Ungeliebte Solarwerte

Solarworld Quelle: dpa

Sicher: Die Solarbranche hat viele Probleme; sie produziert mit zu hohen Kosten, leidet unter der chinesischen Billigkonkurrenz und unter Förderkürzungen in Deutschland, Italien, Spanien und anderen Märkten. Das größte Problem sind die Überkapazitäten. Während sich die globale Nachfrage nach Solarzellen, einem Vorprodukt der Solarmodule, seit 2007 verfünffacht hat, haben sich die Produktionskapazitäten laut Fachmagazin „Photon“ knapp verzwölffacht, von unter fünf Gigawatt 2007 auf 58 Gigawatt Ende 2011.

In der Folge fallen die Preise. Vor allem chinesische Unternehmen wie Yingli Solar und Suntech haben dank staatlicher Subventionen wie zinsloser Kredite einen Wettbewerbsvorteil, der vielen westlichen Konkurrenten das Genick bricht. Fast alle Modulhersteller schreiben rote Zahlen.

Trotzdem könnte sich das Blatt wenden: Auch die Chinesen schreiben Verluste; Politbüro-Mitglieder mosern, die Subventionierung dürfte kein Dauerzustand werden. Die USA, neben China der wichtigste Solarmarkt, haben chinesische Module mit Dumping-Zöllen belegt. Steigende Transport- und Arbeitskosten in China dürften dafür sorgen, dass sich die Kostenvorteile der Asiaten verringern, sodass der Preisverfall der Module in den nächsten Jahren zum Stillstand kommen sollte.

Die Sonnenkönige der Solarbranche
Wer hat auf dem schrumpfenden Solarmarkt noch eine Chance? Das Zentrum für Solarmarktforschung (ZFS) hat exklusiv für die WirtschaftsWoche die Zukunftssaussichten der deutschen Solarindustrie unter die Lupe genommen. Und das ist das Ergebnis.... Quelle: dpa
CENTROTHERM Quelle: dpa
MANZ Quelle: Presse
SMA Quelle: dpa
SOLARWORLD Quelle: dpa
SUNWAYS Quelle: dpa
ALEO SOLAR Quelle: Pressebild

Hauen und Stechen

Wer das Hauen und Stechen überlebt, wird danach fett verdienen. Mittelgroße Anbieter wie Solarworld haben Chancen, wenn sie ihre Kosten drücken und ihr Geschäft weiter internationalisieren. Solarworld ist mit einem Umsatzanteil von nur noch 40 Prozent in Deutschland am weitesten und dürfte von den deutschen Herstellern den längsten Atem haben: „Noch haben wir rund 500 Millionen Euro Liquidität“, sagt Solarworld-Chef Frank Asbeck.

Auch Centrosolar-Chef Alexander Kirsch setzt darauf, dass sein Unternehmen aus der aktuellen Konsolidierung stärker hervorgeht. Sein Unternehmen konzentriert sich auf Dachanlagen, die weniger stark als große Freiflächenanlagen von Förderungskürzungen betroffen sind. Zeitweise profitierte Centrosolar sogar von fallenden Preisen für Solarzellen, da das Unternehmen diese einkauft, um dann daraus Module zu bauen. Fallen die Preise der Solarzellen jedoch zu schnell, drückt das auch die Preise der Module. „Das hat unsere Marge gefressen“, sagt Kirsch.

2011 hat Centrosolar so bei 293 Millionen Euro Umsatz 13 Millionen Euro Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) gemacht. Die Hoffnung: Sollte der Preisverfall nachlassen, stünde Centrosolar vergleichsweise gut da. Bis dahin will das Unternehmen weniger auf Wachstum als auf eine stabile Liquiditätslage achten. Tatsächlich sind die Überlebenschancen besser, als es die Kurse der Centrosolar-Anleihe (minus 63,5 Prozent) vermuten lassen. Die Eigenkapitalquote liegt bei 37 Prozent und soll stabil gehalten werden. Die Nettofinanzschulden betragen 69 Millionen Euro und machen damit 87 Prozent des Eigenkapitals aus.

Gebeutelter Zulieferer

Nordex Quelle: dapd

Rena aus Gütenbach im Schwarzwald stellt Anlagen für nass-chemische Prozesse wie Ätzen und Beschichten her. Die Abnehmer entstammen neben der Halbleiter- vor allem der Solarbranche. Laut eigenen Angaben arbeiten 80 Prozent der Solarzellenfertiger weltweit mit Anlagen von Rena, 1500 sollen global im Einsatz sein. Auch bei Rena dürften infolge der Solarkrise die Umsätze, Auftragseingänge und Gewinne 2011 den Rückwärtsgang eingelegt haben, Experten sehen aber noch keine ernste Gefahr für das Überleben der Schwarzwälder.

Vor allem die Transparenz lässt zu wünschen übrig; die aktuellsten Zahlen entstammen dem vergangenen Sommer, da Rena nur halbjährlich berichtet; der Bericht zum Gesamtjahr 2011 liegt noch nicht vor. Immerhin: Mit der Übernahme von Stulz H+E Ende April hat sich Rena breiter aufgestellt. Stulz stellt Abwasseranlagen her. Mit Stulz zusammen kommt Rena nun auf einen Umsatz von rund 650 Millionen Euro. Bei der Übernahme fließt kein Geld; die Eigentümerfamilie von Stulz bekommt stattdessen 15 Prozent an Rena. Der Einstieg der Familie ist ein Hoffnungsschimmer, der Kurs der Rena-Anleihe zog leicht an. Sie bringt jetzt 15 Prozent Rendite und läuft noch bis 2015. Die Chancen, dass Rena bis dahin überlebt, stehen gut. Helfen dürfte die globale Kundenbasis: Auch die chinesischen Solarhersteller, die den Deutschen das Leben schwer machen, arbeiten mit Rena-Maschinen.

Börsenperlen aus Krisenstaaten
Arbeiter auf einer Offshore-Plattform Quelle: PR
Arbeiter in einem Fiat-Werk in der Nähe von Neapel Quelle: dapd
Eine Fabrik des Geräteherstellers Indesit in Russland Quelle: PR
Zwei Passanten benutzen öffentliche Telefonanlagen des spanischen Unternehmens Telefónica. Quelle: PR
Logo der Lotteriegesellschaft Opap Quelle: PR

Keine akute Gefahr

Die Ratingagentur Euler Hermes meldete sich im vergangenen November zu Wort und wiederholte ihre Einstufung mit BB+, dem besten Rating in der sogenannten Schrottklasse. Der Ausblick sei stabil, meinen die Analysten. Damit setzt sich Rena von anderen Mittelständlern ab, die in den vergangenen Jahren Anleihen ausgegeben haben: Von 38 Ratings, die die Agentur Creditreform zum Zeitpunkt der Emissionen ausgegeben hatte, haben nur 27 noch Bestand, fünf sind ausgelaufen, sechs wurden teilweise drastisch heruntergestuft. Bei Rena beurteilen die Ratinganalysten die Entschuldungsfähigkeit als noch gut, das Unternehmen hat 100 Millionen Euro an liquiden Mitteln; sie bemängeln jedoch die dünne Eigenkapitaldecke von 43 Millionen Euro; die Eigenkapitalquote liegt bei schwachen zehn Prozent.

Nicht ganz so schlimm wie um die Solarbranche steht es um die deutschen Pioniere der Windenergie. Aber auch sie haben zu kämpfen: Neben der Konkurrenz aus China mischen auch noch indische Billiganbieter mit. So leidet auch die deutsche Nordex unter sinkenden Marktanteilen und Umsätzen. Nordex ist im internationalen Vergleich zu klein und braucht für teure Großprojekte wie Offshore-Anlagen einen größeren Partner, der noch gesucht wird.

Dennoch halten Großaktionäre wie Susanne Klatten, die ein Viertel der Nordex-Anteile hält, Nordex die Treue. Immer wieder gelingt es zudem, Aufträge aus Schwellenländern an Land zu ziehen. Das Überleben der Firma und die Rückzahlung der bis 2016 laufenden Anleihe sind nicht akut in Gefahr. Nordex schrieb zwar im vergangenen Jahr Verluste; nun wurde ein Sparprogramm aufgelegt, das rund 50 Millionen Euro einsparen soll; operativ, also ohne Abschreibungen, wird Nordex 2012 in die Gewinnzone zurückkehren.

Nemax-Urgestein braucht Geld

Air Berlin Quelle: dpa

Auch Maschinenbauer Singulus – seit 1997 an der Börse und neben Aixtron eines der ersten Unternehmen am damaligen Neuen Markt – hat schon bessere Zeiten gesehen. Singulus litt in den vergangenen Jahren schwer unter dem Rückgang des DVD- und CD-Geschäfts; die Franken stellen Maschinen zum Pressen der Rohlinge her. Weil immer mehr Filme und Musik online konsumiert oder als Downloads auf den Festplatten der Kunden gespeichert werden, sind die CD- und DVD-Absätze weltweit seit Jahren rückläufig. Singulus, das zwei Drittel seines Umsatzes mit DVD- und CD-Maschinen und ein Drittel mit Solarmaschinen macht, bescherte dies drei Verlustjahre in Folge.

Während die Solarmaschinensparte nach wie vor defizitär ist, arbeitet das Unternehmen insgesamt dank des Geschäfts mit dem Blu-ray-Format wieder profitabel: Sehr große Datenmengen wie Spiele oder 3-D-Filme packen die Medienunternehmen dann doch lieber auf eine Scheibe mit schneller Lesezeit und großem Speichervolumen. Nach einigem Hickhack hat sich die Blu-ray-Disc gegen Konkurrenzformate durchgesetzt. Singulus hatte früh auf diese Technik gesetzt und fährt die Ernte ein. Dank inzwischen preisgünstiger Blu-ray-Abspielgeräte soll der Bedarf an Blu-ray-Discs bis 2015 um 65 Prozent auf 2,8 Milliarden Scheiben pro Jahr weltweit steigen, hofft man bei Singulus. Eine Prognose für 2012 wagt der Vorstand nicht, geht aber davon aus, dass er den Gewinn (Ebit) von knapp sieben Millionen Euro aus 2011 steigern kann. 2010 war nach Abschreibungen ein Verlust von über 80 Millionen Euro bei rund 120 Millionen Euro Umsatz angefallen; 2011 waren es bereits wieder 160 Millionen Euro Umsatz. Das Management will die Geschäftsbasis verbreitern und „rund um unsere Kernkompetenz Vakuum-Beschichtung weitere Branchen erschließen“, so Vorstandschef Stefan Rinck. Neben der Halbleiterbranche hat er dabei etwa Automobilzulieferer und die optische Industrie im Blick.

Die Anleihe mit einem jährlichen Zinskupon von 7,75 Prozent war stark überzeichnet. Binnen Stunden hatte Singulus im März 60 Millionen Euro eingesammelt. Trotzdem fiel das Papier bis auf 94,20 Prozent und bietet rund 9,4 Prozent Rendite.

Singulus hat noch rund 140 Millionen Euro an Eigenkapital auf der Bilanz; Anfang 2011 glückte den Franken eine Kapitalerhöhung. Die Eigenkapitalquote liegt bei gut 50 Prozent. Da Singulus keine Verluste mehr schreibt, sollte die Rückzahlung der Anleihe klappen.

Geld vom Billigflieger

Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft Air Berlin hat gleich drei Anleihen über insgesamt 450 Millionen Euro ausgegeben. Die Renditen liegen bei 9,5 bis 11,2 Prozent pro Jahr. Attraktiv erscheint vor allem die Anleihe mit Laufzeit bis 2014. Das Risiko einer Pleite steigt naturgemäß mit der Anleihelaufzeit. Hinzu kommt im Fall Air Berlin, dass kurz nach Fälligkeit der 2014er-Anleihe zwei weitere, hohe Rückzahlungen anstehen. Somit ist die erste Tranche im Hinblick auf die Ausfallsicherheit sicherlich die am wenigsten riskante.

Es ist nicht auszuschließen, dass der Fluggesellschaft die Luft ausgeht. Aus dem laufenden Geschäft kann sie ihre Kapitalkosten derzeit jedenfalls nicht verdienen. Unter der Ägide des Gründers und langjährigen Vorstandschefs Joachim Hunold ist die Airline zu schnell gewachsen und hat es versäumt, sich eine der Größe angemessene Organisationsstruktur zu geben. Nachfolger Hartmut Mehdorn muss aufräumen. Keine leichte Aufgabe.

Die Mitte März vorgelegten Zahlen für 2011 waren verheerend. Den Verlust hat Air Berlin im abgelaufenen Geschäftsjahr glatt verdreifacht (auf 272 Millionen Euro) und die Hälfte des Eigenkapitals aufgezehrt; nur noch 254 Millionen Euro stehen davon in den Büchern. Zugleich erhöhten sich die Schulden auf 813 Millionen Euro. Helfen soll der neue Großaktionär, Etihad, eine Airline aus Abu Dhabi. Etihad macht zwar auch Verluste, hat aber das Herrscherhaus des Emirats im Rücken und zählt damit zu den kapitalkräftigsten Airlines der Welt. Im Dezember sicherten sich die Araber ein 29-Prozent-Paket an Air Berlin; auch wollen sie 255 Millionen Dollar an Krediten in das Unternehmen stecken. Mit Etihad haben sich die Überlebenschancen erhöht. Für die Anleihen mit Laufzeit bis 2014 und 2015 sollte es reichen.

Verhageltes Ergebnis

IKB Quelle: AP

Mit schwächeren Geschäften hat auch die vor elf Jahren gegründete SiC Processing zu kämpfen. Das Bautzener Unternehmen stellt mit seinen 900 Mitarbeitern Sägesuspension her, ein Gemisch aus Glykol und Siliziumcarbid, das in der Fotovoltaik und der Halbleiterindustrie verwendet wird. Mitte März stuften die Bonitätswächter von Creditreform das SiC-Rating von BBB+ auf BBB- herab. Damit liegt SiC so gerade noch in der als recht sicher geltenden Investitionsklasse. Nach den letzten Zahlen vom ersten Halbjahr 2011 schrieb SiC noch schwarze Zahlen.

Bei 90,9 Millionen Euro Halbjahresumsatz blieb ein Überschuss von 9,5 Millionen Euro hängen. Die Bilanzsumme war per 30. Juni 2011 zu einem Drittel mit Eigenkapital gedeckt. Kurzfristige Finanzschulden machten 12,8 Millionen, langfristige 101,5 Millionen Euro aus – addiert 35 Prozent der Bilanzsumme. In der Bilanz ist demnach Luft, die Schwierigkeiten der Solarindustrie einige Zeit lang durchzustehen.

Auch die Anleihe von 3W Power mit einer Restlaufzeit von knapp drei Jahren verspricht ebenso wie der SiC-Bond zwölf Prozent Rendite. 3W Power ist die Holding der AEG Power Solutions (AEG PS). Das Unternehmen bietet Lösungen in der Solarenergieerzeugung an, etwa Software für die Überwachung und Steuerung von Fotovoltaikanlagen und Systeme für die kontinuierliche Energieversorgung in kritischen Industriebereichen wie etwa auf Öl- und Gasplattformen. Mitte März warnte das Unternehmen, dass die Ergebnismarge vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Amortisation von 12,4 Prozent 2011 in diesem Jahr auf 9,0 bis 11,0 Prozent zurückgehen dürfte. Der Umsatz soll 2012 zwischen 430 und 460 (Vorjahr: 428) Millionen Euro liegen. Der Kurs der Anleihe stürzte jüngst um zehn Prozent, nachdem die deutsche Finanzaufsicht BaFin dem Private-Equity-Fonds Nordic Capital Fund VII mit 4,3 Milliarden Euro Volumen wegen etlicher Fehler in den Angebotsunterlagen untersagte, über seine Tochter Andrem 3W Power ein Übernahmeangebot zu unterbreiten. AEG PS kann aber allein überleben. Der Auftragseingang im ersten Quartal 2012 lag mit 91,1 Millionen Euro um immerhin 14,6 Prozent höher als im Schlussquartal 2011 und um zehn Prozent höher als der Umsatz in den Monaten Januar bis März 2012. Die Nettofinanzschulden summierten sich per Jahresende 2011 auf recht überschaubare 32 Millionen Euro.

Wem zwölf Prozent Rendite pro Jahr nicht reichen, der kann sich in Griechenland nach mehr umsehen. Der Bond des Glasherstellers Yioula Glassworks war 2011 bis auf 38 Prozent des Nennwertes abgestürzt. Aktuell notiert er wieder bei 50 Prozent. Die Finanzlage bleibt sehr angespannt. Per Ende 2011 kam Yioula auf 287 Millionen Euro Nettofinanzschulden bei 79 Millionen Euro Eigenkapital. Standard & Poor’s stuft die Anleihen mit CC (sehr hohes Kreditrisiko) ein, der drittschlechtesten Note.

Brüchiges Glas

Die Überlebenschancen von Yioula hängen vor allem an den griechischen Banken, die wiederum vom Euro-Rettungsfonds EFSF gestützt werden. Die größte griechische Privatbank, National Bank of Greece, hält sechs Prozent an Yioula. Bislang hat Yioula es immer geschafft, auslaufende Kredite zu verlängern – wenn auch oft in letzter Minute. Zuletzt wollte Yioula mit der Piräus Bank vereinbaren, dass ein im Oktober 2011 auslaufender Kredit über 14 Millionen Euro erst 2015 zurückgezahlt werden muss, er wurde aber nur bis Ende 2013 verlängert. Die Anleihe über 133 Millionen Euro läuft 2015 aus. Sie wird in Deutschland selten gehandelt. Ein Kauf ohne Limit ist riskant, Anleger müssen zudem 25 000 Euro in die Hand nehmen.

Nicht mehr lange müssen Anleger zittern, die sich in einem Papier der einstigen Düsseldorfer Skandalbank IKB engagieren. Binnen eines Jahres lassen sich knapp 15 Prozent Rendite erzielen. Allerdings trägt das Papier das Siegel „nachrangig“. Sollte die IKB, wie 2007, erneut in Schwierigkeiten geraten, erhalten Anleihegläubiger erst nach einer langen Kette anderer Kreditgeber ihr Geld. Meistens ist nach deren Befriedigung dann nichts mehr übrig. Richtig gut geht es den Düsseldorfern, die zu gut 90 Prozent der US-Private-Equity-Gesellschaft Lone Star gehören, nicht. Die Staatsschuldenkrise verhagelte das Ergebnis der ersten neun Monate des Geschäftsjahres 2011/12: 431 Millionen Euro Miese fielen an. Mit einer Kernkapitalquote von zehn Prozent liegt die IKB zurzeit im Schnitt deutscher Banken.

Daran gemessen sind 15 Prozent Rendite für die Nachranganleihe ein Schnäppchen.

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