Gerade an Ostern hat Schokolade Hochkonjunktur: Hasen, Eier, überzogenes Gebäck - am Feiertag gehören Süßigkeiten sowohl in Supermarktregale, als auch die Osternester in den Gärten. Wir haben es eben gerne süß bis edelbitter. Im Jahr 2011 hat jeder Deutsche durchschnittlich 9,6 Kilo Schokolade gegessen, den Großteil davon in Tafel- oder Riegelform. Darüber hinaus hat die Kakaobohne auch längst Einzug in die Badezimmer gehalten: Von Körperlotion mit Kakaobutter über Gesichtspeelings oder Badezusätze mit Schokosplittern - Schokolade ist aus dem Alltag kaum wegzudenken. Auch weil Kakaoprodukte bei uns - von Edelpralinen einmal abgesehen - sehr günstig sind.
Alte Bäume, knappe Ernten
Das könnte sich aber schon sehr bald ändern: Laut Berechnungen der internationalen Kakao-Organisation ICCO in London fehlen allein in dieser Saison 45.000 Tonnen Kakao. "Was wir hier haben, ist ein strukturelles Defizit, weil sowohl die Kakaobäume, als auch die Kakaobauern alt sind", sagte der ICCO-Geschäftsführer Jean-Marc Anga. So seien im Jahr 2011/2012 rund 4,1 Million Tonnen Kakao produziert worden, bis zum Ende des Geschäftsjahres 2012/2013 soll die Produktion nochmals um 72.000 Tonnen zurückgehen.
Kakaoproduktion | ||||
Jahr 2011/2012 | Vorhersage für 2012/2013 | Veränderung in Prozent | Veränderung in Tonnen | |
Afrika | 2,905 Mio. Tonnen | 2,796 Mio. Tonnen | -3,8 Prozent | -109.000 Tonnen |
Amerika | 639.000 Tonnen | 644.000 Tonnen | +0,8 Prozent | +5.000 Tonnen |
Asien und Pazifik | 531.000 Tonnen | 563.000 Tonnen | +6,0 Prozent | +32.000 Tonnen |
weltweit | 4,075 Mio. Tonnen | 4,003 Mio. Tonnen | -1,8 Prozent | -72.000 Tonnen |
Kommen zu den strukturellen Problemen noch witterungsbedingte Missernten, Schädlingsbefall oder politischen Unruhen in den Herkunftsländern hinzu, die den Transport nach Europa erschweren, wird Kakao noch knapper. Und hier wird es für Anleger spannend, denn momentan ist der Kakao günstig. Wer jetzt einsteigt, könnte entsprechend Gewinne abschöpfen.
"Der Preis hat Potenzial nach oben"
So prognostiziert auch Carsten Fritsch, Rohstoffexperte bei der Commerzbank, steigende Preise - die von der ICCO erwähnte Knappheit möchte er jedoch relativieren. Das Defizit betrüge lediglich rund ein Prozent der weltweiten Kakaoproduktion. Von einer Unterversorgung könne man deshalb nicht sprechen. Der Kakaopreis bewege sich allerdings seit rund fünf Jahren zwischen 2000 und 3500 Dollar pro Tonne. Aktuell kostet die Tonne Kakao um die 2190 Dollar. "Wir sind da am unteren Ende der Spanne, der Preis hat also Potenzial nach oben", ist sich Fritsch sicher.
Für diese Theorie spreche auch eine von der Regierung der Elfenbeinküste herausgegebene Schätzung zum Ertrag der Zwischen- und Haupt-Kakaoernte. Die Witterungsbedingungen in Westafrika, dem Hauptproduzenten von Kakao, seien ungünstig gewesen, sagt auch Fritsch. Denn die Kakaopflanze ist nicht pflegeleicht: Zu viel oder zu wenig Regen können die Ernte gefährden. "Insofern sind wir uns sicher, dass der Preis für Kakao steigen wird", bilanziert der Rohstoffexperte.
Die größten Kakaoproduzenten der Welt
Im Erntejahr 2011/2012 sind an der Elfenbeinküste 1,486 Millionen Tonnen Kakao produziert worden. Im Jahr 2012/2013 sollen es 16.000 Tonnen oder 1,1 Prozent weniger werden. Die ICCO rechnet mit einem Ertrag von 1,470 Millionen Tonnen.
Ghana lieferte 2011/2012 879.000 Tonnen Kakao. Im Erntejahr 2012/2013 sollen es nur noch 820.000 Tonnen, also 6,7 Prozent weniger sein.
Aus Indonesien sollen in diesem Jahr 475.000 Tonnen Kakao kommen. Das wäre ein Plus von 5,6 Prozent oder 25.000 Tonnen.
In Nigeria soll sich die Kakaoproduktion dagegen von 230.000 Tonnen auf 210.000 Tonnen reduzieren, was einem Minus von 8,7 Prozent entspräche.
Dafür soll die Brasilianische Kakaoproduktion etwas ansteigen: Brasilien war mit 220.00 Tonnen Kakao im Erntejahr 2011/2012 der größte Kakaolieferant Lateinamerikas. Im aktuellen Jahr soll sich die Ernte um 4,5 Prozent auf 230.000 Tonnen steigern.
Aus dem in Zentralafrika gelegenen Kamerun sollen in diesem Jahr 210.000 Tonnen Kakao kommen. Das wäre ein Plus von 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Ecuador ist das zweite südamerikanische Land in der Liste der internationalen Kakaoproduzenten. 190.000 Tonnen Kakao ernteten die Kakaobauern dort im vergangenen Erntejahr. Eine Veränderung am Ertrag ist derzeit nicht abzusehen.
In der Dominikanischen Republik soll die Ernte dagegen von 72.000 Tonnen auf 60.000 Tonnen zurückgehen. Das entspricht einem Minus von 16,7 Prozent.
Für Papua New Guinea erwarten die Experten von der Internationalen Kakao-Organisation in diesem Jahr eine gleichbleibende Ernte von 45.000 Tonnen.
Preissteigerungen beim Kakao ärgern vor allem die Süßwarenindustrie. Die müssen neben höheren Preisen für Kakao auch noch den gestiegenen Zuckerpreis und die Preise für Haselnüsse hinnehmen, die bei der Herstellung von Schokolade zum Einsatz kommen. Der Zuckerpreis in der EU ist von 2008 bis Anfang 2013 von 600 Euro auf 730 Euro geklettert, bei Haselnüssen haben sich die Preise binnen zweieinhalb Jahren verdoppelt. Die aktuelle Lage für die 220 Süßwarenhersteller in Deutschland sei bitter, sagt auch Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie.
Aber nicht für alle ist ein steigender Kakaopreis ärgerlich: Investoren können beispielsweise mit Indexzertifikaten, die auf Termingeschäfte setzen, von steigenden Preisen profitieren. Die Zertifikate auf Rohstoffe beziehen sich auf den Preis an den Terminbörsen Nybot in New York oder LIFFE in London.
Bittersüßes Vergnügen für Anleger
Ein solches Investment ist allerdings nicht ungefährlich, denn der Handel mit Rohstoffkontrakten ist - von ethischen Bedenken einmal abgesehen - auch nicht ganz einfach. Wer ein Zertifikat kauft, muss sich zwar nicht selbst mit dem Kaufen und Verkaufen von Rohstoff-Verträgen beschäftigen. Wissen, was dahinter steckt, sollten Investoren aber auf jeden Fall. "Es gibt natürlich viele Anleger, die sich sehr gut auf dem Terminmarkt auskennen, alle anderen müssen sich vorher wirklich gut informieren, sonst drohen Verluste", sagt auch Heiko Geiger, Zertifikatespezialist bei der Schweizer Bank Vontobel.
So funktioniert der Rohstoffhandel
Bei einem Future-Contract kauft der Investor Rohstoffe nicht an regulären Märkten zu aktuellen Preisen sondern handelt auf Terminmärkten wie der deutsch-schweizerischen EUREX, der Chicago Mercantile Exchange (CME) zu der die Chicago Board of Trade (CBoT) gehört oder der London International Financial Futures Exchange (LIFFE). Hier wird der jeweilige Rohstoff zu einem Termin in der Zukunft gekauft. Der Investor bestellt beispielsweise im Februar Kakao, der im Juli geliefert werden soll.
Spot-Geschäfte mit ihren kurzen Erfüllungsfristen sind das Pendant zu den Terminmärkten. Zwischen Bestellung und Lieferung liegen maximal zwei Börsentage. Der Spot-Preis ist dementsprechend der Preis, den Händler kurzfristig für den jeweiligen Rohstoff zahlen beziehungsweise erzielen. Bei Kassa-Preis dagegenhandelt es sich um den aktuellen Preis von Finanztiteln.
Die Costs of Carry bei Rohstoffen setzen sich beispielsweise aus Lager- und Speditionskosten zusammen. Der Wert eines Future-Kontrakts besteht aus dem Kassa-Preis, also dem bei Vertragsabschluss herrschendem aktuellen Kakaopreis, und den Costs of Carry. Deshalb liegen die Future-Preise bei Termingeschäften anfangs meist über den Kassa-Preisen. Wenn ein Investor im März Kakao für Dezember bestellt, entstehen schließlich Lagerkosten für neun Monate. Er zahlt also den aktuellen Preis plus die Lager- und Speditionskosten. Der Händler kann die Lagerkosten aber über die neun Monate hinweg abschreiben - je näher der Liefertermin rückt, desto stärker nähert sich der Future-Preis dementsprechend wieder dem Kassa-Preis an.
Der Nearby-Future ist der Rohstoff-Kontrakt mit der kürzesten Fälligkeit. Das Gegenteil, also der Future-Kontrakt mit der längsten Laufzeit, heißt dagegen Most-Distant-Futures-Contract.
Wer direkt in Rohstoffe investieren will, kauft statt einer Aktie oder eines Zertifikats einen Future-Kontrakt mit einer bestimmten Laufzeit und einem Erfüllungszeitpunkt. Der Erfüllungszeitpunkt ist nichts anderes als der Liefertermin. Das heißt, wer ein Kakao-Future mit einer Laufzeit bis Juli 2013 kauft, bekäme im Juli 2013 auch die gekaufte Menge Kakao geliefert.
Ursprünglich ging es bei Warentermingeschäften schließlich um den Kauf physischer Rohstoffe. Mittlerweile sind viele der Kontrakte Spekulationsgeschäfte. Wer nur Geld verdienen und nicht auf zig Tonnen Kakao sitzen möchte, muss also vor Ende der Laufzeit seinen Kontrakt verkaufen und einen neuen mit einem späteren Liefertermin kaufen. Dieser Vorgang nennt sich rollen.
Beim Rollen können Anleger sowohl Gewinne als auch Verluste machen: Wer seinen alten Kontrakt günstig verkauft und den neuen Kontrakt teuer kauft, erwirtschaftet eine negative Rollrendite, macht also Rollverluste. Verkauft er dagegen teuer und kauft billig, fällt die Rollrendite positiv aus, er macht Rollgewinne.
Bei einer Contango-Situation ist der Spot-Preis geringer als der ausgemachte Preis bei Fälligkeit des Future-Kontrakts. Wenn ein Anleger seinen Vertrag in so einer Situation weiterverkauft und in einen Most-Distant-Futures-Contract investiert, kann er Gewinne abgreifen. Wer dagegen bei niedrigem Spot-Preis und hohem Terminpreis seine Kontrakte abstößt und Kontrakte mit nächstmöglicher Lieferzeit kauft (Nearby-Futures) riskiert Verluste.
Das Gegenteil von Contango ist eine Backwardation.
Bei der Bachkwardation-Situation liegt der Preis der Future-Kontrakte unter denen am Kassamarkt. Der Anleger verkauft also vor Liefertermin seinen Kontrakt bei aktuell hohem Preis und kann günstig einen den Nearby-Future erstehen. Er verbucht also Rollgewinne.
"Bei Rohstoff-Kontrakten spielt die Entwicklung an den Terminmärkten eine Rolle, saisonale Entwicklungen, das Wetter, Schädlinge", erklärt Geiger. Dementsprechend seien Rohstoffkontrakte deutlich komplizierter als Rohstoffaktien.
Was Anleger bei Kakao-Investments beachten müssen
Wer über Zertifikate oder Futures in Kakao investiert ist, sollte daran denken, dass die Gefahr besteht, einen billigen Kontrakt in einen teureren tauschen zu müssen, der zu einem anderen Zeitpunkt fällig ist.
Der Ertrag einer Kakao-Ernte hängt von diversen Faktoren ab, eine wichtige Rolle spielt das Wetter. Sowohl Überschwemmungen als auch Dürreperioden können zu massiven Ernteeinbußen führen.
Dementsprechend wichtig für Qualität und Ertrag der Ernte ist Wasser. Kommt es - egal ob witterungs- oder konfliktbedingt - zu einer Wasserknappheit, nimmt auch die Kakaoernte Schaden. Dann steigt der Preis.
Rohstoffe wie Kakao oder Kaffee stammen überwiegend aus politisch instabilen Regionen. So sorgten politische Krisen an der Elfenbeinküste, dem weltweit größten Anbieter von Kakao, immer wieder für Preisausschläge.
Wie bei allen anderen Agrarrohstoffen auch, ist die Qualität der Kakaoernte oft abhängig von winzig kleinen Tieren und Organismen. Sind die Pflanzen von Pilzen wie dem sogenannten Hexenbesen oder der Kakaomotte befallen, bringen sie keine gesunden Früchte mehr hervor.
Doch selbst, wenn den Kakaobohnen an sich nichts geschehen ist, sollten Anleger auch an das Risiko des Transports von Südafrika oder Lateinamerika nach Europa denken. Unwetter und Streiks in Häfen können die Reise verlängern und so den Preis beeinflussen.
"Außerdem besteht das Risiko der Rollverluste (siehe oben), was viele Anleger übersehen", weiß Geiger. Auch Hedgefonds spielen eine wichtige Rolle. Als Kakao im Jahr 2010 sein 33-Jahreshoch erreichte, hatte der Londoner Hedgefonds Armajaro an einem Tag 240.000 Tonnen Kakao aufgekauft - das entsprach rund sieben Prozent der Jahresproduktion. Das beeinflusst den Preis. Deshalb gilt besonders bei strukturierten Produkten auf Rohstoffe: informieren, informieren, informieren. "Ich empfehle immer: Lieber einen Anruf mehr beim Emittenten, als einen zu wenig", so Geiger.
Warum Aktien sicherer sind
Die Unberechenbarkeit des Rohstoffmarktes mag mit ein Grund dafür sein, dass Anleger in der Regel eher Aktien als Rohstoff-Futures kaufen. Denn Schokoladenaktien und Futures sind von der Risikobetrachtung her zwei paar Stiefel, wie Geiger sagt: "Die Dürre in den USA im letzten Jahr beispielsweise hat sich derart auf den Weizenpreis ausgewirkt, so heftige Preisbewegungen gibt es bei Agraraktien nicht."
Außerdem entwickelten sich die Aktien von großen Schokoladenherstellern wie Barry Callebaut, Hershey oder Lindt & Sprüngli allein in den vergangenen zwölf Monaten mehr als positiv (siehe Galerie) - für Anleger lohnt sich also ein Blick auf die sichereren Papiere der Schokoladenhersteller. Bei den Aktien der Schokohersteller bleibt für Anleger natürlich das Managementrisiko, die Zahl der Unwägbarkeiten reduziert sich aber deutlich.
Wer ganz auf Nummer sicher gehen möchte, für den sind Konzernriesen wie Kraft Foods, dessen börsennotierte Tochter Mondelez beispielsweise Milka-Schokolade vertreibt, eine Option. Mit Riesen wie Kraft oder Nestlé gehen Anleger nicht unter, wenn der Kakaopreis dem Unternehmen das Geschäft vermiest. Die Nahrungsmittelunternehmen können ihre Kosten nämlich quer durch die Produktpalette weiterreichen und Schokoladenverluste mit Ketchup-Gewinnen abfedern. Dagegen profitieren sie bei Lebensmittelriesen aber auch nicht unbedingt vom steigenden Kakaopreis.