Rohstoffexperte "Gold bleibt erste Wahl"

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"Geld sucht Gold"

Goldbarren und Goldgranulat Quelle: REUTERS

Was muss passieren, damit die Rohstoffmärkte wieder reibungslos funktionieren?

Merath: Die Finanz- und Staatsschuldenkrise sollte sich zumindest nicht weiter verschlimmern. Irgendwann kommen die Marktteilnehmer zurück. Das müssen sie auch. Eine Fluggesellschaft hört ja nicht einfach auf zu fliegen. Die Politik hat verschiedene Anläufe gemacht, der große Wurf war noch nicht darunter. Das grundsätzliche Problem ist nicht gelöst. Banken haben Staatsanleihen gekauft, die jetzt wackeln. Und, weil sie Abschreibungen fürchten, leihen sie sich gegenseitig kein Geld mehr. Kehrt das Vertrauen zurück, können Rohstoffe einen schnellen Dreher nach oben bekommen. Im Moment ist das aber noch zu früh. Wir beobachten die Politik deshalb mit Argusaugen.

Gold trägt kein Kreditrisiko...

...wenn Sie es physisch halten. Der Barren verschwindet ja nicht einfach und sagt: „Ich zahle nicht.“ Das ganze Konzept der risikofreien Anlage ist ins Wanken gekommen. Konservative Anleger, die bisher viele Bonds gehalten haben, machen sich immer mehr Gedanken über Kreditrisiken. In Phasen, in denen die Bonität in Frage gestellt wird, sind Edelmetalle erste Wahl. Zudem entgehen Goldbesitzern, die ja keine Zinsen bekommen, anderswo kaum Einnahmen. Das heißt, die Opportunitätskosten der Goldhaltung sind minimal. Das Sparbuch bringt kaum Zinsen, Anleger tragen aber auch hier ein Kreditrisiko. Die Zentralbanken werden die Zinsen eher noch weiter senken und noch mehr Liquidität in die Finanzmärkte pumpen. Die Inflation mag sich abschwächen, aber die Realzinsen bleiben negativ und werden es noch eine ganze Weile bleiben. Je länger die Zinsen tief und die Kreditrisiken hoch bleiben, umso mehr Geld sucht Gold.

Warum fällt der Goldpreis dann an Tagen, an denen der Stress an den Kreditmärkten besonders hoch ist, etwa als die Renditen spanischer oder italienischer Staatsanleihen stark nach oben gingen?

Merath: Wenn kurzfristig Liquidität beschafft werden muss, wird alles verkauft, auch Gold. Das betrifft weniger physisches Gold, dafür aber Gold-Futures an den Terminmärkten, wo der Goldpreis gemacht wird. Da haben wir dann den gleichen Effekt wie bei Rohstoffen. Der bringt bei Gold aber immer wieder attraktive Kaufgelegenheiten.

Die europäischen Staaten sind blank, einige haben aber noch viel Gold. Drohen Verkäufe von Seiten der Notenbanken?

Merath: Das ist schwer denkbar, selbst im Fall von Griechenland. Verkaufen kommt politisch gesehen nicht in Frage. Das wäre den Bürgern nicht mehr vermittelbar und wirkte wie ein Offenbarungseid.

Werden Schwellenländer weiter Goldreserven aufbauen?

Merath: Davon gehe ich aus. Länder, die ihre Goldreserven erhöhen, sind ja oft jene mit einer gemanagten Währung, die also keinen freien Wechselkurs zulassen. China zum Beispiel verkauft permanent Renminbi gegen Dollar, hält die Dollar aber nicht in Münzen und Noten, sondern in US-Staatsanleihen. Entsprechend baut sich Peking so ein Kreditrisiko auf. Um das zu reduzieren, bleibt ihnen eigentlich nur Gold.

Welche Rohstoffsektoren bieten Chancen, wenn sich die Kreditmärkte beruhigen?

Merath: Die Korrektur hat die Metallpreise stark unter ihren fundamentalen Wert gedrückt. Trotz der jüngsten Verlangsamung des Wirtschaftswachstums sich die Versorgungssituation eher noch verschlechtert. Besonders angespannt ist die Lage bei Kupfer, weil die Minenproduktion nicht mit der Nachfrage Schritt hält. Die Lagerbestände decken gerade noch zehn Tage des Verbrauchs. China nutzt den Preisrückgang und kauft. Die chinesischen Nettoimporte ziehen stark an.

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