Roundtable zur Börse "Kaufchancen bei Aktien erst später im Jahr“

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"Der Markt kann bis zu sieben Prozent zulegen"

Was bedeutet das für den Aktienmarkt?

Black: Der S&P 500 notiert zum 16-fachen der geschätzten Gewinne. Damit sind Blue Chips, gemessen am historischen Durchschnitt, leicht überbewertet. Mid Caps und Small Caps sind teuer mit Gewinnbewertungen jenseits von 20. Das Marktumfeld verlangt eine individuelle Aktienauswahl. Aber es ist nicht einfach, attraktive Aktien zu finden.

Meryl, Ihre Einschätzung?

Witmer: Der starke Abverkauf zum Jahresauftakt hat die Bewertungen etwas nach unten gebracht. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Markt vom aktuellen Niveau aus fünf bis sieben Prozent zulegt.

Schafer: Im Vorjahr hatten wir einen verdeckten Bärenmarkt. Die Indizes haben sich zwar wenig bewegt, aber 70 Prozent der Titel im Russell 2000 befinden sich mehr als 20 Prozent unter ihren 52-Wochen-Hochs. Das gleiche gilt für 40 Prozent der Titel im S&P 500 und 68 Prozent der Aktien im Nasdaq Composite.

Die Anlageideen von Oscar Schafer für 2016

Einige Aktien, die im Kurs 30 oder 40 Prozent abgerutscht sind, bieten gute Kaufgelegenheiten. Es ist ein Markt für aktive Stockpicker.

Zulauf: Aus verdeckten Bärenmärkten werden immer reale Bärenmärkte. So beginnen Bärenmärkte gewöhnlich.

Schafer: Wir sind bereits mitten in einer Baisse, aber auch dann findet man immer auch gute Kaufgelegenheiten. Zinsen, Terrorismus, China und all die übrigen Faktoren, die wir hier diskutieren. Ich habe selten Zeiten erlebt, die von so vielen Unsicherheiten geprägt waren.

Zulauf: In Europa wächst die Kluft zwischen Euro-Anhängern und Euro-Kritikern, ebenso zwischen den Befürwortern und Gegnern einer multikulturellen Gesellschaft.

Gundlach: Felix, ich habe den Eindruck, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat das Ganze bisher zusammengehalten. Was passiert, wenn sie ihre Machtbasis verliert?

Zulauf: Sie war bisher eine große Moderatorin, beschwichtigend und vermittelnd. Aus politischen Fragen hat sie sich eher herausgehalten. Genau deshalb konnte sie sich so lange an der Macht halten. Aber jetzt rumort es in der deutschen Bevölkerung wegen des Flüchtlingszustroms.

Das bringt Merkel in die Bredouille. Sie hat an Einfluss verloren, in Deutschland und in Europa. Inzwischen kann sie die Rolle der Moderatorin auf der europäischen Bühne nicht mehr so überzeugend ausfüllen wie bisher.

Priest: Ich glaube auch, dass Merkel politisch an Popularität einbüßt. Sie hat irgendwie den Kontakt mit der Bevölkerung verloren und die Vorfälle in Köln haben den Eindruck noch verstärkt. Felix, was passiert mit dem Schengen-Abkommen? Wenn das nicht hält, wird das europäische Gebäude einstürzen.

Zulauf: Schengen ist tot. Positiv wäre natürlich, wenn sich die EU jetzt auf ihre wesentlichen Errungenschaften besänne und weniger zentralistisch würde. Das könnte das Ganze zusammenhalten. Aber wenn sich die Bürokraten in Brüssel darauf versteifen, andere Nationen in Reih und Glied zwingen zu wollen, besteht die Gefahr, dass die Eurozone zerbricht. Im Vorjahr überraschte die europäische Wirtschaft positiv – zumindest mich.

Aber wichtige Treiber werden verschwinden. Der Euro wird gegenüber dem Dollar nicht mehr stark abwerten; der Ölpreis wird nicht mehr im gleichen Tempo fallen und einige Länder haben ihre Sparpolitik bereits gelockert.

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