Roundtable zur Börse "Kaufchancen bei Aktien erst später im Jahr“

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"Sind die Verluste von Amazon in Wahrheit Investitionen?"

Cohen: Michael Porter von der Harvard Business School verwendet dieses Beispiel: Amazon baut sein Prime-Geschäft aus und macht damit Verlust. Aber eigentlich will Amazon neue Käufer anziehen. Haben wir es jetzt noch mit einem Verlust zu tun oder mit einer Investition im Stil des 21. Jahrhunderts? Unsere statistische Datenerhebung hat nicht nicht mitgehalten mit den strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft.

Zurück zu den Zinsen. Wo geht es hin mit den US-Renditen, Jeff?

Gundlach: Ich vermute, die Rendite zehnjähriger US-Treasuries wird steigen. Nun, wie kann ich das sagen, wenn ich mit keiner weiteren Zinserhöhung rechne, die Rohstoffpreise unten sind und Junk-Bonds in Turbulenzen stecken? Nun, die US-Renditen steigen schon seit Jahren. Zweijährige bildeten schon vor fünf Jahren einen Boden aus, die fünf- und die zehnjähren folgten im Juli 2012 aus, die 30-jährigen vor einem Jahr.

Der Grund, warum die Renditen können: Ausländische Investoren könnten ihre Bestände abbauen. Tatsächlich scheinen Verkäufe von ausländischen Zentralbanken und Staatsfonds die Nachfrage nach US-Staatsanleihen, die durch die Flucht in Qualität entsteht, inzwischen zu übertreffen.

Priest: Wie wird sich die Zinsstrukturkurve in diesem Jahr entwickeln?

Gundlach: Wenn die Fed tut, was ich erwarte, dann wird die Kurve steiler. Wenn die Fed die Geldpolitik strafft, verflacht sich die Kurve gewöhnlich. Die Finanzierungsbedingungen verschlechtern sich seit Juni 2014 und die Zinsstrukturkurve hat sich verflacht.

Priest: Für einige Finanzinstitutionen wäre eine flachere Zinsstrukturkurve der Todesstoß. Das haben wir zuletzt an den Kurseinbrüchen von Finanzwerten gesehen.

Gundlach: Weil die Fed ihre Rhetorik nicht zurückschraubt und weiter von vier Zinsschritten in diesem Jahr spricht. Wir erleben den katastrophalsten Jahresbeginn in der Geschichte und zwei Fed-Gouverneure stellen sich hin und sagen: „Wir planen vier Zinsschritte.“

Die Fed muss ihre Zinserhöhungsrhetorik zurückschrauben. Die Frage ist, wie lang sie sich damit noch Zeit lässt und wie stark Junk Bonds noch unter Druck kommen müssen. Viele Emittenten kommen aus dem Energie- und Bergbausektor. Selbst wenn der Ölpreis eine starke Rallye auf 40 Dollar je Barrel hinlegte, läuft die Zeit ab für viele Energieunternehmen. Die Ausfallraten und Ratingabstufungen werden zunehmen.

Zulauf: Es ist klar, dass die Fed die Zinsen zurück auf ein normales Niveau bringen will, aber die Umstände gestatten dies nicht. Ich setze gegen den Konsens. Die Fed wird die Zinsen nicht weiter anheben, weil die Konjunktur überraschend stark schwächelt.

Ich stimme Jeff zu: Ausländische Zentralbanken verkaufen US-Regierungstitel in großem Stil, um ihre Währungen zu stützen. Das sind nicht nur die Chinesen, sondern auch Saudis, Omanis und einige andere. Die Renditen sind nicht so stark gefallen, wie man hätte erwarten können. Das Abwärtspotenzial bei den Renditen ist wohl begrenzt.

Cohen: Der Ölpreisrückgang schwächt die Leistungsbilanzen der energieexportierenden Länder. Aber andere Länder dürften profitieren. Grob überschlagen bringen die aktuellen Energiepreise China einen Vorteil von rund 100 Milliarden Dollar bringen. Das ist kein Pappenstiel.

Zulauf: Die chinesische Leistungsbilanz weist einen Überschuss aus von etwa 300 Milliarden Dollar aus. Aber in der aktuellen Situation ist die Kapitalbilanz die kritische Größe, und die befindet sich mit rund 1000 Milliarden Dollar im Defizit.

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