Wir treffen uns im Stammhaus der traditionsreichen Privatbank Sal. Oppenheim in Köln. Wolfgang Leoni empfängt mich in einem kleinen Museum, überall Kunstwerke, selbst der alte Tresorraum ist irgendwie Kunst. Wir sprechen über die Börse und was Anleger im kommenden Jahr erwarten können. Aber nicht nur. Es geht auch um Reichtum, um die Faszination des Geldes und die Kunst der Börse, um finanzielle Bildung und persönliche Fehler bei der Geldanlage.
Herr Leoni, was bedeutet Ihnen Reichtum?
Wenn man es flapsig ausdrücken möchte: Geld macht nicht glücklich, aber das Gegenteil ist auch nicht bewiesen. Doch im Ernst: Reichtum ist mehr als Geld und kann ganz unterschiedlicher Art sein. Reichtum ist auch Bildung, Freunde zu haben – auch das ist etwas ganz Wertvolles.
In Ihrem Job geht es permanent um Geld. Hat Sie das Geld immer schon fasziniert?
Eigentlich nicht. Mein Vater war Werkzeugmachermeister. Das waren relativ überschaubare finanzielle Verhältnisse. Ich habe daher nie übermäßig viele Bezugspunkte zu viel Geld gehabt. Ich habe Volkswirtschaft studiert und meine Dissertation über Wechselkursprognosen geschrieben. So bin ich in den Bann der Kapitalmärkte geraten und habe mich in Richtung Vermögensverwaltung entwickelt.
So legen die Deutschen an
Deutsche Anleger bleiben ihrem Sparbuch sowie dem Tagesgeldkonto treu (77,3 Prozent) – und das obwohl zwei von drei Befragten davon ausgehen, dass das niedrige Zinsniveau in Europa noch mindestens drei bis fünf Jahre anhalten wird (65,4 Prozent). Auf dem zweiten Platz folgen Aktien bzw. Aktienfonds, in die 26,1 Prozent der Befragten investiert sind. Immobilien- oder Immobilienfondsanlagen halten 19,1 Prozent, Anleihen oder Rentenfonds 12,4 Prozent der Anleger. 9,5 Prozent der Befragten haben derzeit kein Geld in einer der genannten Anlageformen investiert.
Quelle: Goldman Sachs Asset Management/TNS Infratest (Oktober 2015)
Sicherheit bleibt unverändert das wichtigste Kriterium bei der Entscheidung über die eigene Geldanlage (61,8 Prozent). Die ständige Verfügbarkeit des Geldes ist 29,4 Prozent der Anleger am wichtigsten, eine hohe Rendite nannten lediglich 6,8 Prozent der Befragten als wichtigstes Kriterium.
Als größte Risiken für ihre Geldanlage sehen private Investoren wirtschaftliche Krisen (42,9 Prozent). Mit deutlichem Abstand folgen Inflation und politischen Krisen (22,1 Prozent bzw. 15,6 Prozent). Staatsverschuldung und Deflation spielen, wie im vergangenen Jahr, eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.
60,4 Prozent der Anleger, die ein Sparbuch oder Tagesgeldkonto haben, sind eher unzufrieden oder sogar äußerst unzufrieden mit ihrer Geldanlage. Mit ihren Erträgen bei Aktien/Aktienfonds, die gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld bessere Renditen versprechen, sind 69,2 Prozent sehr zufrieden oder eher zufrieden, mit Anleihen/Rentenfonds 62,7 Prozent. Am zufriedensten sind Immobilien- bzw. Immobilienfondsanleger mit ihren Erträgen: Hier geben über drei Viertel der Anleger an, sehr zufrieden oder eher zufrieden zu sein (78,4 Prozent).
Was reizt Sie daran?
Die Theorie besagt zwar, dass die Märkte effizient sind – das habe ich im Studium gelernt. Aber es gibt doch die Möglichkeit, besser zu sein als der Markt und Outperformance zu generieren. Das fasziniert mich. Auch wenn es zugegebenermaßen schwer ist. Aber es ist sehr reizvoll, sich mit Kapitalmärkten zu beschäftigen: Da ist Geld dann eher abstrakt. Ich sehe nicht die Geldscheine hinter all meinen Entscheidungen. Es ist ein analytischer Job, den man möglichst wenig emotional betreibt, um nicht die typischen Fehler zu machen, die sowohl private als auch institutionelle Anleger häufig begehen.
Das ist bekanntlich nicht so einfach …
Das ist sehr schwer! Es gibt Tonnen von Literatur über „Behavioral Finance“, die wunderbar beschreiben, welche typischen Anlegerfehler immer wieder gemacht werden. Und wenn man ehrlich zu sich selbst ist, ertappt man sich dabei, solche Fehler auch schon einmal gemacht zu haben. Beispielsweise eine Aktie gekauft zu haben, die dann gefallen ist. Und man verkauft sie einfach nicht, weil man hofft, wieder den Einstiegskurs zu bekommen ...
Ein ganz klassischer Fehler.
Über solche Fehler könnte ich stundenlang referieren. Diese Fehler als Profi zu vermeiden, das ist unsere Aufgabe. Und da können wir auch einen Mehrwert liefern.
Und wie verhindern Sie diese Fehler als Privatmann?
Ich mache dasselbe wie in der Bank. Also das, was ich auch unseren Kunden empfehle. Wir sind bei Sal. Oppenheim sogenannte Quants. Wir treffen unsere Anlageentscheidungen sehr regelbasiert und diszipliniert und versuchen so, die typischen Anlegerfehler zu vermeiden. An das Ergebnis dieses quantitativen Prozesses lehne ich mich auch in meiner privaten Geldanlage an.
Geldanlage hat mit Glücksspiel nichts zu tun
Dann haben Sie kein Spielgelddepot?
Zocken ist nicht das, was mich an den Kapitalmärkten fasziniert. Wenn ich zocken will, gehe ich in die Spielbank. Wenn ich Geld anlegen will, muss ich vernünftige Analysen und Prognosen machen. Die können falsch oder richtig sein – hoffentlich letzteres. Und auf dieser Grundlage lege ich dann Geld an. Geldanlage hat mit Glücksspiel meiner Ansicht nach nichts zu tun.
Sind Sie bei der Geldanlage schon mal auf die Nase gefallen?
(lacht) Ja, gleich bei meiner ersten. Das war eine Option auf Siemens, die ich gekauft hatte. Die ist wertlos verfallen.
Größte Tagesverluste aktueller Dax-Werte
Titel: Infineon
Datum: 03.12.2008
Quelle: Bloomberg. Analysiert wurden die Tagesverluste der Dax-Werte, die zum 08.10.2015 im Index notiert waren.
Titel: Continental
Datum: 22.12.2008
(Ausscheiden aus dem Dax)
Titel: K+S
Datum: 5.10.2015
Grund: Rücknahme des Übernahmeangebots durch den kanadischen Konkurrenten Potash
Titel: Commerzbank
Datum: 29.9.2008
Titel: Infineon
Datum: 29.9.2008
Titel: SAP
Datum: 23.10.1996
Titel: K+S
Datum: 30.7.2013
Titel: Volkswagen
Datum: 03.11.2008
Titel: Volkswagen
Datum: 23.10.2008
Sie haben gleich mit Optionen angefangen?
(lacht) Ich habe ja als Student nicht so viel Geld gehabt. Es war kein großer Betrag. Wobei 800 Mark damals für mich schon viel Geld waren. Die waren dann halt weg. Und so habe ich ganz schnell Theorie und Praxis überein bekommen und gelernt, was der Zeitwert bei einer Option bedeutet. Solche Dinge waren mir zuvor nur theoretisch ein Begriff, die habe ich dann am eigenen Leib erfahren.
Welche war denn Ihre erfolgreichste Anlage in den ersten Jahren?
Das waren Einzelwerte. Ich war damals im Aktienresearch beim Bankhaus Metzler. Das waren Titel wie Gerresheimer Glas oder SAP. Damit habe ich gut Geld verdient. Leider habe ich sie zu früh verkauft. Da hätte man mehr Rendite herausholen können. Trotzdem waren das damals in den frühen 1990er-Jahren gute Anlageentscheidungen.
Im Augenblick haben Prognosen Hochsaison. Wie wird 2016?
Natürlich wollen alle wissen, wo der Dax, die Zinsen und der Goldpreis Ende 2016 stehen. Wir haben unseren Kunden dieses Jahr aber mal gezeigt, wie die Prognosen die Banken über die letzten 15 Jahre ausgesehen haben: Wo lag die optimistischste Dax-Prognose, wo die pessimistischste und was war der Durchschnitt der Prognosen. Und wenn Sie sich das anschauen, wissen Sie, dass wir jetzt nicht intensiv über den Jahresendstand 2016 des Dax reden müssen. Den kann man nicht genau prognostizieren, muss man fairerweise sagen.
Aber Sie tun es doch trotzdem!
Prognosen über zwölf Monate sind beliebt, aber extrem schwierig. Es ist viel einfacher, Prognosen über zehn Jahre zu machen. Was ein Aktienmarkt im Schnitt über zehn Jahre bringen wird oder was er im nächsten Monat macht, ist leichter vorherzusagen.
Prognosen haben einen gewissen Unterhaltungswert
Warum ist das so?
Weil die Wahrscheinlichkeit, dass in zwölf Monaten unvorhersehbare, gravierende Dinge geschehen, die den Markt in eine bestimmte Richtung treiben, recht groß ist. Bei zehn Jahren gibt es natürlich auch solche Ereignisse, aber in der langen Frist halten sie sich die Waage – das heißt, es ist sehr wahrscheinlich, dass sich positive und negative Ereignisse ausgleichen. Deshalb können wir mit relativ hoher Überzeugung sagen: Über die nächsten zehn Jahre steigen die Aktienmärkte in den Industrieländern im Schnitt um etwa sieben Prozent. Aber wir können mit weitaus geringerer Trefferwahrscheinlichkeit sagen, wo der Dax am Jahresende 2016 steht. Deshalb verwenden wir bei Sal. Oppenheim zur Steuerung unserer Portfolien nur Prognosen für den kommenden Monat.
Die fatale Beziehung zwischen Karstadt-Quelle und der Sal. Oppenheim
Madeleine Schickedanz erhöht ihren Anteil an Karstadt-Quelle mit einem ersten Kredit von Sal. Oppenheim
Zweiter Millionenkredit an Schickedanz
Sal. Oppenheim gibt Schickedanz über eine Tarngesellschaft in der Schweiz einen weiteren Kredit von 380 Millionen Euro für die Übernahme der Mehrheit an dem Handelskonzern. Einige Gesellschafter und Josef Esch bürgen persönlich
Kursverfall des 2007 in Arcandor umgetauften Handelskonzerns. Das Risikomanagement der Bank fordert weitere Sicherheiten für die Kredite, die Bankführung ignoriert die Warnungen
September: Arcandor steht erstmals vor der Pleite, Sal. Oppenheim steigt als Großaktionär ein und gibt einen Rettungskredit
März Der Ex-Telekom-Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick löst Thomas Middelhoff als Arcandor-Chef ab
Juni Arcandor meldet Insolvenz an
August Die Deutsche Bank und Sal. Oppenheim beginnen Verhandlungen über eine Beteiligung
Oktober Die Deutsche Bank gibt die Komplettübernahme von Sal. Oppenheim bekannt
Dezember Matthias Graf von Krockow tritt als Chef zurück
Warum so kurzfristig?
Weil die Wahrscheinlichkeit, dass in 30 Tagen so ein gravierender Event auftritt, der uns in eine ganz andere Richtung bringt, weitaus geringer ist als in zwölf Monaten.
Trotzdem geben Sie solche Prognose ab.
Das ist für die Balustrade, sage ich immer. Die Journalisten wollen es wissen.
Die Leser auch.
(lacht) Die Leser vielleicht auch. Das hat einen gewissen Unterhaltungswert, aber keinen Informationsgehalt, auf dessen Basis man wirklich eine Anlagestrategie ausrichten sollte.
Wie lautet Ihre persönliche Prognose für 2016?
Das nächste Jahr wird sehr volatil. Das, was wir in diesem Jahr an Schwankungen gesehen haben, war schon außergewöhnlich. Und das wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch im nächsten Jahr fortsetzen. Diese Volatilität muss man sich zu Nutze machen, in dem man auch auf Anlagekonzepte abstellt, die Volatilität als Renditequelle nutzen – Optionsstrategien oder Zertifikate zum Beispiel. Volatilität als Renditequelle wird an Bedeutung gewinnen. Allerdings ist das nicht einfach zu managen. Dass die Märkte wesentlich komplexer werden, ist gut für professionelle Vermögensverwalter, denn „Do it yourself“ funktioniert nicht mehr.
Aufstieg und Niedergang von Sal. Oppenheim
Der 17-jährige Salomon Oppenheim gründet in Bonn ein Kommissions- und Wechselhaus.
Oppenheim verlegt den Sitz des Unternehmens nach Köln.
Die erste Krise: Nach Fehlinvestitionen in der Elektroindustrie wird die Bank in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Die Disconto-Gesellschaft, damals die zweitgrößte deutsche Bank, steigt bei Oppenheim ein.
Die Gründungsgesellschafter sind wieder Alleineigentümer.
Die Bankiers müssen auf Druck der Nationalsozialisten das Institut umfirmieren in Pferdemenges & Co. Robert Pferdemenges war seit 1931 Teilhaber und entpuppte sich als Retter in der Not.
Das Bankhaus erhält seinen ursprünglichen Namen zurück.
Der Ururenkel des Gründers, Alfred Baron von Oppenheim, wird persönlich haftender Gesellschafter. Er baut die Vermögensverwaltung als zweite Säule neben dem Firmenkundengeschäft aus.
Die Oppenheim-Esch-Holding wird gegründet.
Der Bereich Firmenkredite wird zum Großteil aufgegeben.
Sal. Oppenheim steigt mit der Übernahme der BHF-Bank zur größten unabhängigen Privatbank Europas auf.
Sal. Oppenheim wird durch Kredite an die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz Großaktionär bei Arcandor. Die Pleite von Arcandor reißt Oppenheim in die Krise. Zudem fallen im Investment-Banking Verluste an.
Matthias Graf von Krockow und Carl Janssen schließen den Einstieg eines externen Investors aus. Doch dann wird das Institut an die Deutsche Bank verkauft. Der Deal ist 2010 besiegelt. Die Tradition von 220 Jahren als eigenständiges Geldhaus sind vorbei.
„Long only“, also kaufen und liegen lassen nach bester Manier des Anlage-Altmeisters Kostolany, hat ausgedient?
Alles, was sich an einen gängigen Marktindex eng anlehnt – im Extremfall ein ETF, der ihn 1:1 abbildet –, wird schwierig werden. Mit einem ETF kauft man sozusagen Beta, also die bloße Marktentwicklung. Wenn aber die traditionellen Anlageklassen wie Aktien und Renten nicht mehr so viel hergeben, das Beta also nicht mehr so groß ist, dann wird Alpha umso wichtiger.
Also die Überrendite, die Sie als Vermögensverwalter erwirtschaften …
Ja, die Mehrrendite durch aktives Management wird zukünftig wichtiger und deshalb wird sich in unserer Branche die Spreu vom Weizen trennen. Ich bin nicht grundsätzlich gegen ETFs, wir nutzen sie auch, um sehr schnell taktische Entscheidungen umzusetzen. Aber das eigentliche Grund-Portfolio muss zukünftig aktiv gemanagt werden. Viele Vermögensverwalter haben von den guten Märkten der vergangenen 30 Jahre profitieren können. Diejenigen, die nur mit dem Markt mitgeschwommen sind, werden jetzt aussortiert werden.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Noch mal zu den Prognosen zurück: Sie haben ihre Doktorarbeit über Währungen geschrieben. Dann haben Sie doch bestimmt eine Prognose für Euro/Dollar?
(lacht) Ich habe zwar meine Dissertation 600 Seiten über Währungsprognosen geschrieben und dabei alle möglichen komplizierten Verfahren eingesetzt, wie die Spektralanalyse… aber ich gehe noch arbeiten. Aber im Ernst: Wir glauben, dass es in Richtung Parität geht, auch wenn wir in den vergangenen Tagen eine etwas andere Richtung genommen haben. Der Einstieg in den Ausstieg aus der Nullzinspolitik seitens der Fed und die dazu divergierende Geldpolitik der EZB wird dafür Sorge tragen, dass der Dollar in Richtung Parität geht und Stärke gegenüber dem Euro zeigt.
Da könnte man jetzt noch ein paar US-Unternehmensanleihen einsammeln…
Ja, aber Währungsspekulationen sind die schwierigsten und gefährlichsten. Währungen sind schwer zu prognostizieren, weil sie sich auch über längere Zeit von den Fundamentaldaten weg bewegen können. Das ist vielleicht der irrationalste Markt überhaupt, noch irrationaler als Aktienmärkte. Daher ist mit solchen Anlagen kurzfristig auch immer ein hohes Risiko verbunden.
Nach der Fed-Entscheidung entspannt sich die Lage an den Märkten aber doch.
Das ist wie im Fußballspiel: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Die Zinserhöhung war erwartet worden, der Markt hat etwas Volatilität gezeigt. Jetzt wird bald wieder die Diskussion losgehen, wie es konkret weitergeht. Wann kommt der nächste Schritt? Werden es wieder 25 Basispunkte? Oder werden es vielleicht sogar 50 Basispunkte sein? Diese Diskussion wird anhalten. Und sie wird sehr intensiv und auch kontrovers geführt werden, weil sie durch eine hohe Unsicherheit geprägt ist.
Trotz aller Ankündigungen von Janet Yellen?
Wir haben keine historische Erfahrung mit einem solchen geldpolitischen Experiment, das wir im Moment durchführen. Wir haben noch nie so eine expansive Geldpolitik erlebt und wissen nicht, welche Langfristwirkungen sie haben wird und ob es der Notenbank gelingt, ohne Verwerfungen am Markt wieder aus dieser Extremposition herauszukommen. Hinzu kommt noch, dass wir in den USA und Europa noch nie eine solch divergierende Geldpolitik hatten wie derzeit. Auch da wissen wir letztendlich nicht, was das am Ende für die Renditeentwicklung oder für den Wechselkurs bedeutet. Das erhöht die Unsicherheit und die Volatilität und wird uns mit Sicherheit auch 2016 begleiten und auch darüber hinaus.
Die Geschichte von Sal. Oppenheim
Salomon Oppenheim gründet in Bonn eine Bank
Umzug nach Köln
Mit der Finanzierung von Eisenbahnen und dem Einstieg ins Versicherungsgeschäft steigt die Bank auf
Auf Druck der Nazis Umbenennung in Pferdmenges & Co. (bis 1947)
Alfred von Oppenheim (gest. 2005) wird Chef und baut die Betreuung reicher Privatkunden auf
Verkauf der Anteile an der Colonia Versicherung, Beginn der Zusammenarbeit mit Josef Esch
Ex-Bundesbank-Präsident Karl Otto Pöhl führt Sal. Oppenheim.
Matthias Graf von Krockow folgt ihm.
Mit dem Kauf der BHF Bank wird Sal. Oppenheim zur größten Privatbank Europas. Esch-Projekte wie der Neubau der Kölner Messe geraten in die Kritik.
Die Bank macht erstmals Verlust
Durch die Pleite des Handelskonzerns Arcandor, mit dem die Bank über Kredite und Aktienbeteiligung eng verbunden ist, gerät Sal. Oppenheim in eine existenzbedrohende Krise
Die Deutsche Bank übernimmt Sal. Oppenheim komplett.
Zahlreiche Prozesse von Anlegern wegen Verlusten bei Oppenheim-Esch-Fonds. Die Staatsanwaltschaft Köln erhebt Anklage gegen die Ex-Bankführung und Josef Esch, Prozessbeginn wohl Anfang 2013
Für Anleger ist das eine ziemliche Herausforderung.
Klar, es ist schwieriger geworden. Es wird nicht mehr die schönen Trends geben, wie wir sie in den vergangenen 30 Jahren hatten, in denen wir nur fallende Renditen, nur steigende Rentenmärkte gesehen haben. Das kurzfristige Agieren wird notwendiger werden. Aktive Steuerung der Laufzeiten wird wichtiger sein. Ein schönes Beispiel ist Japan: Das Land hat schon ganz lange eine Niedrigzinspolitik. Aber hat das bedeutet, dass man am Rentenmarkt in Japan über die vergangenen 20 Jahre kein Geld verdienen konnte? Nein, es gab exzellente Rentenmarktjahre, in denen Sie sechs oder sieben Prozent Rendite erzielen konnten. Eben weil die Zinsen von niedrigem Stand noch einmal zwischen einem halben und einem Prozentpunkt zurückgegangen sind.
Klingt verlockend.
Das Problem wird nur sein, dass diese Bewegungen sehr schnell gehen. Ähnliches haben wir bereits in diesem Jahr erlebt. Ich habe noch nie eine Zinsbewegung gesehen, in der eine innerhalb von vier Wochen zehnjährige Bundesanleihe von null auf ein Prozent steigt. Allerdings habe ich den Zins auch noch nicht bei Null gesehen. Das war ein Renten-Crash, den es so in der Form noch nicht gegeben hat.
Das wird jetzt eher die Regel als die Ausnahme?
Die Zeiten haben sich geändert. Als ich vor 30 Jahren anfing, war die Rendite der Bundesanleihe nach einem dreiwöchigen Urlaub unverändert. Wenn überhaupt, hat sie sich um einen Tick in der zweiten Nachkommastelle verschoben. Heute gibt es große Bewegungen: Acht Prozent Kursbewegung innerhalb von vier Wochen am Rentenmarkt, das ist ein Wort. Die Herausforderung wird es sein, diese Bewegungen zu nutzen. Denn sie werden nicht graduell geschehen, sondern relativ zügig. Da kann man schnell viel Geld verlieren, aber auch gewinnen.
Welche Renditen sind denn überhaupt noch zu erwarten?
Über die nächsten drei Jahre schwankt die Wertentwicklung von Bundesanleihen wahrscheinlich um die Nulllinie. Nächstes Jahr wird der sogenannte Total Return, also die Summe aus Kupon und Kursentwicklung, negativ sein. Es gibt sicherlich Kurspotenzial, wenn Sie sich die europäische Peripherie anschauen. Aber das sind auch keine Wertsteigerungen, über die man sich wirklich freut. Real gesehen bleibt da sicherlich nicht viel übrig.
Anleihen bringen also nichts außer Stabilität im Depot?
Gerade dieses Jahr hat gezeigt, dass die Diversifikationsfunktion von Renten deutlich nachgelassen hat. In den ersten 15 Jahren meiner Berufslaufbahn war der Zusammenhang ganz klar: Wenn die Aktienmärkte gestiegen sind, gingen die Renditen von Anleihen runter und umgekehrt. Die nächsten 15 Jahre war es anders: Da hat die Rente wunderbar funktioniert als Absicherung gegen die Volatilität von Aktien. Immer dann, wenn die Aktienmärkte schlecht liefen, ist man in den vermeintlich sicheren Hafen Renten gegangen. Diese Flucht aus der risikoreichen in die sichere Anlage hat bewirkt, dass die Kurse auf der Rentenseite gestiegen und die Renditen zurückgegangen sind.
Diesen sicheren Hafen gibt es nicht mehr?
Ich glaube, das wird künftig schwieriger werden. Renten bieten beim aktuellen Renditeniveau keinen Schutz mehr. Es ist kein Zinskupon mehr da, der puffert. Deshalb verliert die Anleihe auch ihre Funktion des sicheren Hafens. Wenn es an den Aktienmärkten richtig kracht – und zwar wegen eines systemischen Risikos – dann dürften die Renten genauso darunter leiden. Das haben wir auch in der Finanzmarktkrise erlebt. Diversifikation funktioniert nur, wenn es keine systemischen Risiken gibt. Die unsystematischen Risiken kann man diversifizieren. Gibt es systemische Risiken, dann gibt es abgesehen vom Geldmarkt nichts, wo man sich verstecken kann. Und ich befürchte, dass wir systemische Risiken sehen werden, wenn es am Aktienmarkt wieder richtig kracht.
Was könnte das sein?
Einmal durchgespielt: Das Experiment mit dem Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik funktioniert nicht und die Fed muss zurückdrehen. Dann haben wir ein systemisches Risiko. Die Märkte werden dann erkennen, dass all die Anstrengungen über die vergangenen sechs Jahre den Patienten nicht haben gesunden lassen und er immer noch strukturell krank ist. Ob der Rentenmarkt dann der Platz ist, wo man überwintern kann, bezweifele ich. Der wird genauso mit in den Strudel gerissen.
Viele Leute haben Aktien nicht verstanden
Ist am Rentenmarkt nicht die viel größere Blase entstanden als am Aktienmarkt?
Sicher. Wir haben kürzlich das Kurs-Gewinn-Verhältnis von zehnjährigen Bundesanleihen, das es so eigentlich nicht gibt, berechnet. Es liegt bei 550. Am Aktienmarkt haben wir eins von 15. Das zeigt, wie viel Übertreibung im Rentenmarkt drin ist.
Welchen sicheren Hafen gibt es denn noch? Gold haben Sie ja auch aus den Depots Ihrer Kunden geschmissen...
Außer Kasse haben wir im Prinzip keine Möglichkeit mehr, uns gegen Wertverluste zu schützen. Man kann nirgendwo mehr sicher überwintern, vor allem nicht auskömmlich. Früher sind Sie in den Rentenmarkt gegangen und haben fünf Prozent bekommen. Da sind Sie nicht reich geworden, aber auch nicht arm. Jetzt ist die Gefahr relativ groß, dass die Tsunami-Welle auch in den sicheren Hafen schwappt.
Die meisten Deutschen lassen Ihr Geld lieber in Spareinlagen versauern.
Die Deutschen sind Weltmeister im Geldverdienen und strengen sich dabei auch mächtig an. Aber sie sind bei weitem keine Weltmeister, wenn es darum geht, Geld anzulegen. Die Kenntnisse diesbezüglich sind sehr schlecht, das muss man leider ganz offen sagen.
Millionen Deutsche spielen regelmäßig Lotto, mit fast garantiertem Totalverlust, aber Aktien meiden sie. Das Geld könnten sie auch monatlich in Fondssparpläne stecken.
Das hängt mit der fehlenden Finanzbildung zusammen. Viele Leute haben nicht verstanden, dass eine Aktie eine Beteiligung an einem Unternehmen ist. Wenn Sie sich direkt an einem Unternehmen beteiligen, würden Sie auch nicht erwarten, über Nacht reich zu werden. Wenn Sie aber in Aktien gehen, muss der Kurs relativ zügig nach oben gehen. Aktien sind für die Deutschen kein Vehikel, um sich an einem Unternehmen zu beteiligen, sondern Spekulationsobjekt. Befeuert wurde das zusätzlich durch den Aktien-Hype, sozusagen die Unkultur um die Jahrtausendwende. Und als sich da die Anleger die Finger verbrannt hatten, haben sie ihr Vorurteil, Aktien seien spekulativ, nur bestätigt bekommen.
Und wie ändern wir das?
Durch Ausbildung. Wir können das den jungen Menschen nur in der Schule vermitteln. Damit sie verstehen, dass man Geld nicht am Aktienmarkt anlegt, um in drei Monaten das Doppelte zurück zu bekommen. Aktien sind eine Beteiligung an einem Unternehmen, am Produktivkapital, keine kurzfristige Wette. Ich war von SAP und seiner Story damals überzeugt, weil das etwas Neues, Zukunftsweisendes war. Aus solchen Gründen investiert man in eine Aktie.
Wie haben Sie Ihren Kindern Geldanlage vermittelt?
Mein Sohn ist 16, meine Tochter 20. Die kriegen natürlich schon einiges mit, wenn ich Zuhause vom Job erzähle. Für meine Kinder habe ich, so langweilig das klingt, ein Depot eröffnet und kaufe regelmäßig bestimmte Fonds über einen Sparplan. Natürlich sind es Aktienfonds – die Kinder sind ja noch jung und haben einen langen Anlagehorizont.
Herr Leoni, vielen Dank für das Interview.