Sal. Oppenheim-Chef im Interview „Ich sehe nicht die Geldscheine hinter all meinen Entscheidungen“

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Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Noch mal zu den Prognosen zurück: Sie haben ihre Doktorarbeit über Währungen geschrieben. Dann haben Sie doch bestimmt eine Prognose für Euro/Dollar?
(lacht) Ich habe zwar meine Dissertation 600 Seiten über Währungsprognosen geschrieben und dabei alle möglichen komplizierten Verfahren eingesetzt, wie die Spektralanalyse… aber ich gehe noch arbeiten. Aber im Ernst: Wir glauben, dass es in Richtung Parität geht, auch wenn wir in den vergangenen Tagen eine etwas andere Richtung genommen haben. Der Einstieg in den Ausstieg aus der Nullzinspolitik seitens der Fed und die dazu divergierende Geldpolitik der EZB wird dafür Sorge tragen, dass der Dollar in Richtung Parität geht und Stärke gegenüber dem Euro zeigt.

Deutschlands traditionsreichste Privatbanken
Mit ihrem Geld wurden Könige gewählt und Kriege finanziert. Privatbankiers haben zum Teil schon vor 500 Jahren große Vermögen verwaltet. Heute kümmern sich die exklusiven Geldhäuser hauptsächlich um die Gelder von betuchten Privatkunden. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Zahl der unabhängigen Institute in Deutschland von über 1300 auf rund ein Dutzend zurückgegangen. Und mit der Notübernahme von Sal. Oppenheim durch die Deutsche Bank verliert das prominenteste und finanzstärkste private Institut in Deutschland seine Unabhängigkeit. Foto: PR
Sal. OppenheimMit 40 000 Talern in bar und 50 000 Talern in Wertpapieren gründete der 17-jährige Salomon Oppenheim Jr. im Jahr 1789 ein Kommissions- und Wechselhaus in Bonn. 220 Jahre und zwei Umzüge später sitzt die Privatbank nun in Luxemburg und beschäftigt rund 4300 Mitarbeiter. Mit einer Bilanzsumme von 41,4 Milliarden Euro (Stand November 2009) zählt sie zu den größten unabhängigen Privatbanken Europas. Im Jahr 2008 schrieb die Bank zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg rote Zahlen. Foto: PR
Berenberg-BankUm ihr Vermögen müssen die persönlich haftenden Gesellschafter der Berenberg Bank nicht bangen: Eine Eigenkapitalrendite von 45,3 Prozent und ein Überschuss von 62 Millionen Euro im vergangenen Jahr (2010) dürfte sie ruhig schlafen lassen. Die Berenberg Bank nennt sich selbst die älteste Privatbank Deutschlands. Sie ging aus einem familiengeführten Hamburger Handelshaus hervor, das 1590 gegründet wurde. Sie verfügt über eine Bilanzsumme von 3,2 Milliarden Euro (2010) und verwaltet über 25 Mrd. Euro. Ende 2010 beschäftigte die "Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG" 977 Mitarbeiter an 17 Standorten. Größte Gesellschafter sind die Familie sowie die persönlich haftenden Gesellschafter. Foto: PR
Hauck & Aufhäuser PrivatbankiersKnapp acht Prozent von Hauck & Aufhäuser gehören dem Kuwaitischen Königshaus. Die Gründerfamilie Hauck hält ebenfalls ein Aktienpaket, rund 80 Prozent der Anteile sind im Besitz privater Unternehmerfamilien. Der Bilanzgewinn lag 2010 bei 9,1 Millionen Euro, die Bilanzsumme betrug 3,2 Milliarden Euro. Hauck & Aufhäuser beschäftigt derzeit rund 600 Mitarbeiter. Foto: PR
Bankhaus LampeDas Motto des Bankhaus Lampe lautet "Für Wenige Besonderes leisten". Dem bleibt die Bank auch treu: Wenige, dafür wohlhabende Kunden bilden das Klientel. Gegründet wurde das heute in Bielefeld ansässige Unternehmen 1852 in Minden. Mittlerweile hat das Bankhaus Lampe 580 Mitarbeiter an 12 Standorten, darunter Dresden, Hamburg, Berlin und München. Hatte das Institut 2007 noch 24 Millionen Euro Jahresüberschuss, schrieb es 2008 zwölf Millionen Euro Verluste. Foto: PR
Fürstlich Castell'sche Bank, Credit-Casse AGDie älteste Bank Bayerns wurde 1774 als "Gräflich Castell-Remlingen´sche Landes-Kredit-Casse" gegründet. Nach der Erhebung in den Fürstenstand und der Übernahme einer anderen Castell`schen Bank heißt das Institut heute "Fürstlich Castell´sche Bank, Credit-Casse". Der Hauptsitz ist mittlerweile in Würzburg. Die Bank befindet sich im alleinigen Besitz der Fürstenhäuser Castell-Rüdenhausen und Castell-Castell. Die Bilanzsumme liegt bei 1,1 Milliarden Euro (Stand November 2009). Beschäftigt werden 270 Mitarbeiter in 15 Filialen. Foto: PR
Merkur-BankDie Merkur-Bank engagierte sich in den 90er-Jahren in der Republik Mosambik, was ihrem damaligen Vorsitzenden Siegfried Lingel den Titel Honorarkonsul von Mosambik einbrachte. Gegründet wurde die Bank 1959 von Zanwel Horowicz zusammen mit seiner Frau und seinem Bruder. 1986 stieg dann eine Investorengruppe um Siegfried Lingel ein. Der Bilanzgewinn sank im Jahr 2008 auf 282 000 Euro im Vergleich zu 956 000 Euro in 2007. Foto: PR

Da könnte man jetzt noch ein paar US-Unternehmensanleihen einsammeln…
Ja, aber Währungsspekulationen sind die schwierigsten und gefährlichsten. Währungen sind schwer zu prognostizieren, weil sie sich auch über längere Zeit von den Fundamentaldaten weg bewegen können. Das ist vielleicht der irrationalste Markt überhaupt, noch irrationaler als Aktienmärkte. Daher ist mit solchen Anlagen kurzfristig auch immer ein hohes Risiko verbunden.

Nach der Fed-Entscheidung entspannt sich die Lage an den Märkten aber doch.
Das ist wie im Fußballspiel: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Die Zinserhöhung war erwartet worden, der Markt hat etwas Volatilität gezeigt. Jetzt wird bald wieder die Diskussion losgehen, wie es konkret weitergeht. Wann kommt der nächste Schritt? Werden es wieder 25 Basispunkte? Oder werden es vielleicht sogar 50 Basispunkte sein? Diese Diskussion wird anhalten. Und sie wird sehr intensiv und auch kontrovers geführt werden, weil sie durch eine hohe Unsicherheit geprägt ist.

Trotz aller Ankündigungen von Janet Yellen?
Wir haben keine historische Erfahrung mit einem solchen geldpolitischen Experiment, das wir im Moment durchführen. Wir haben noch nie so eine expansive Geldpolitik erlebt und wissen nicht, welche Langfristwirkungen sie haben wird und ob es der Notenbank gelingt, ohne Verwerfungen am Markt wieder aus dieser Extremposition herauszukommen. Hinzu kommt noch, dass wir in den USA und Europa noch nie eine solch divergierende Geldpolitik hatten wie derzeit. Auch da wissen wir letztendlich nicht, was das am Ende für die Renditeentwicklung oder für den Wechselkurs bedeutet. Das erhöht die Unsicherheit und die Volatilität und wird uns mit Sicherheit auch 2016 begleiten und auch darüber hinaus.

Die Geschichte von Sal. Oppenheim

Für Anleger ist das eine ziemliche Herausforderung.
Klar, es ist schwieriger geworden. Es wird nicht mehr die schönen Trends geben, wie wir sie in den vergangenen 30 Jahren hatten, in denen wir nur fallende Renditen, nur steigende Rentenmärkte gesehen haben. Das kurzfristige Agieren wird notwendiger werden. Aktive Steuerung der Laufzeiten wird wichtiger sein. Ein schönes Beispiel ist Japan: Das Land hat schon ganz lange eine Niedrigzinspolitik. Aber hat das bedeutet, dass man am Rentenmarkt in Japan über die vergangenen 20 Jahre kein Geld verdienen konnte? Nein, es gab exzellente Rentenmarktjahre, in denen Sie sechs oder sieben Prozent Rendite erzielen konnten. Eben weil die Zinsen von niedrigem Stand noch einmal zwischen einem halben und einem Prozentpunkt zurückgegangen sind.

Klingt verlockend.
Das Problem wird nur sein, dass diese Bewegungen sehr schnell gehen. Ähnliches haben wir bereits in diesem Jahr erlebt. Ich habe noch nie eine Zinsbewegung gesehen, in der eine innerhalb von vier Wochen zehnjährige Bundesanleihe von null auf ein Prozent steigt. Allerdings habe ich den Zins auch noch nicht bei Null gesehen. Das war ein Renten-Crash, den es so in der Form noch nicht gegeben hat.

Das wird jetzt eher die Regel als die Ausnahme?
Die Zeiten haben sich geändert. Als ich vor 30 Jahren anfing, war die Rendite der Bundesanleihe nach einem dreiwöchigen Urlaub unverändert. Wenn überhaupt, hat sie sich um einen Tick in der zweiten Nachkommastelle verschoben. Heute gibt es große Bewegungen: Acht Prozent Kursbewegung innerhalb von vier Wochen am Rentenmarkt, das ist ein Wort. Die Herausforderung wird es sein, diese Bewegungen zu nutzen. Denn sie werden nicht graduell geschehen, sondern relativ zügig. Da kann man schnell viel Geld verlieren, aber auch gewinnen.

Welche Renditen sind denn überhaupt noch zu erwarten?
Über die nächsten drei Jahre schwankt die Wertentwicklung von Bundesanleihen wahrscheinlich um die Nulllinie. Nächstes Jahr wird der sogenannte Total Return, also die Summe aus Kupon und Kursentwicklung, negativ sein. Es gibt sicherlich Kurspotenzial, wenn Sie sich die europäische Peripherie anschauen. Aber das sind auch keine Wertsteigerungen, über die man sich wirklich freut. Real gesehen bleibt da sicherlich nicht viel übrig.

Die ältesten Geldhäuser der Welt
10. Bank of New York Mellon, 1784 gegründetNachdem Alexander Hamilton an der Verfassung die Vereinigten Staaten mitschrieb, gründete er die Bank of New York. Es war das erste Unternehmen, das im New York Stock Exchange gelistet wurde. Der Börsenindex wurde 1792 ins Leben gerufen. 2007 wurde das Traditionsinstitut schließlich von der Mellon Financial Corporation übernommen - es entstand die heutige Bank of New York Mellon. Quelle: AP
9. Halifax Bank of Scottland, 1695 gegründetDen Schotten wird bekannterweise ein gutes Händchen für Geld zugeschrieben. Die Bank of Scottland dürfte ihren Beitrag dazu geleistet haben. Während die Bank of England vor allem dem Staat finanziell unter die Arme greifen sollte, war die Bank of Scottland überwiegend für Betriebe und Geschäft da. Es ist die älteste existierende Bank im Vereinigten Königreich. Aus der Fusion mit der Halifax Bank ging 2001 die Halifax Bank of Scottland hervor. Quelle: dpa-tmn
8. Bank of England, 1694 gegründetAuch ein Schotte soll die Idee zur Gründung der englischen Zentralbank gehabt haben. Die Bank verhalf dem Vereinigten Königreich zum Aufstieg der führenden Seemächte im 18. und 19. Jahrhundert. Es ist nach der schwedischen Riksbank die zweitälteste Zentralbank der Welt. Quelle: dapd
7. Coutts & Co, 1692 gegründetDer Gründer und Schmied John Campbell of Lundie versorgte seine schottischen Landsleute in London mit Silbertellern und Juwellen. Nebenbei kümmerte er sich auch um das Finanzgeschäft seiner Kunden. Seitdem ist das Kerngeschäft die private Vermögensberatung. Im Jahr 2000 ging die Bank in den Besitz der Royal Bank of Scottland über und gehört zum Bereich Privatgeschäft der RBS Group. Quelle: dpa
6. Barclays Bank, 1690 gegründetDie heute drittgrößte Bank Großbritanniens wurde von Quäkern gegründet. 1967 stellte sie den ersten Geldautomat der Welt auf. Quelle: dpa
5. C. Hoare & Co., 1672 gegründetEs ist die letzte Privatbank aus der Riege der Institute, die im 17. und 18. Jahrhundert gegründet wurden. Das Geldhaus wird heute noch von einem der Nachfahren von Sir Richard Hoare geführt. Seit 1690 befinden sich die Räumlichkeiten der Bank in der Fleet Street und damit im Herzen der City of London - british tradition at its best. Quelle: Screenshot
4. Sveriges Riksbank, 1668 gegründetDas Gebäude sieht modern aus, doch der Schein trügt. Die schwedische Zentralbank ist die älteste Zentralbank der Welt. Erst 1904 erhielt sie das Monopol fürs Gelddrucken, seit 1999 ist sie im Bereich der Geldpolitik völlig unabhängig. Quelle: Presse

Anleihen bringen also nichts außer Stabilität im Depot?
Gerade dieses Jahr hat gezeigt, dass die Diversifikationsfunktion von Renten deutlich nachgelassen hat. In den ersten 15 Jahren meiner Berufslaufbahn war der Zusammenhang ganz klar: Wenn die Aktienmärkte gestiegen sind, gingen die Renditen von Anleihen runter und umgekehrt. Die nächsten 15 Jahre war es anders: Da hat die Rente wunderbar funktioniert als Absicherung gegen die Volatilität von Aktien. Immer dann, wenn die Aktienmärkte schlecht liefen, ist man in den vermeintlich sicheren Hafen Renten gegangen. Diese Flucht aus der risikoreichen in die sichere Anlage hat bewirkt, dass die Kurse auf der Rentenseite gestiegen und die Renditen zurückgegangen sind.

Diesen sicheren Hafen gibt es nicht mehr?
Ich glaube, das wird künftig schwieriger werden. Renten bieten beim aktuellen Renditeniveau keinen Schutz mehr. Es ist kein Zinskupon mehr da, der puffert. Deshalb verliert die Anleihe auch ihre Funktion des sicheren Hafens. Wenn es an den Aktienmärkten richtig kracht – und zwar wegen eines systemischen Risikos – dann dürften die Renten genauso darunter leiden. Das haben wir auch in der Finanzmarktkrise erlebt. Diversifikation funktioniert nur, wenn es keine systemischen Risiken gibt. Die unsystematischen Risiken kann man diversifizieren. Gibt es systemische Risiken, dann gibt es abgesehen vom Geldmarkt nichts, wo man sich verstecken kann. Und ich befürchte, dass wir systemische Risiken sehen werden, wenn es am Aktienmarkt wieder richtig kracht.

Was könnte das sein?
Einmal durchgespielt: Das Experiment mit dem Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik funktioniert nicht und die Fed muss zurückdrehen. Dann haben wir ein systemisches Risiko. Die Märkte werden dann erkennen, dass all die Anstrengungen über die vergangenen sechs Jahre den Patienten nicht haben gesunden lassen und er immer noch strukturell krank ist. Ob der Rentenmarkt dann der Platz ist, wo man überwintern kann, bezweifele ich. Der wird genauso mit in den Strudel gerissen.

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