Sal. Oppenheim-Chef im Interview „Ich sehe nicht die Geldscheine hinter all meinen Entscheidungen“

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Prognosen haben einen gewissen Unterhaltungswert

Warum ist das so?
Weil die Wahrscheinlichkeit, dass in zwölf Monaten unvorhersehbare, gravierende Dinge geschehen, die den Markt in eine bestimmte Richtung treiben, recht groß ist. Bei zehn Jahren gibt es natürlich auch solche Ereignisse, aber in der langen Frist halten sie sich die Waage – das heißt, es ist sehr wahrscheinlich, dass sich positive und negative Ereignisse ausgleichen. Deshalb können wir mit relativ hoher Überzeugung sagen: Über die nächsten zehn Jahre steigen die Aktienmärkte in den Industrieländern im Schnitt um etwa sieben Prozent. Aber wir können mit weitaus geringerer Trefferwahrscheinlichkeit sagen, wo der Dax am Jahresende 2016 steht. Deshalb verwenden wir bei Sal. Oppenheim zur Steuerung unserer Portfolien nur Prognosen für den kommenden Monat.

Die fatale Beziehung zwischen Karstadt-Quelle und der Sal. Oppenheim

Warum so kurzfristig?
Weil die Wahrscheinlichkeit, dass in 30 Tagen so ein gravierender Event auftritt, der uns in eine ganz andere Richtung bringt, weitaus geringer ist als in zwölf Monaten.

Trotzdem geben Sie solche Prognose ab.
Das ist für die Balustrade, sage ich immer. Die Journalisten wollen es wissen.

Die Leser auch.
(lacht) Die Leser vielleicht auch. Das hat einen gewissen Unterhaltungswert, aber keinen Informationsgehalt, auf dessen Basis man wirklich eine Anlagestrategie ausrichten sollte.

Wie lautet Ihre persönliche Prognose für 2016?
Das nächste Jahr wird sehr volatil. Das, was wir in diesem Jahr an Schwankungen gesehen haben, war schon außergewöhnlich. Und das wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch im nächsten Jahr fortsetzen. Diese Volatilität muss man sich zu Nutze machen, in dem man auch auf Anlagekonzepte abstellt, die Volatilität als Renditequelle nutzen – Optionsstrategien oder Zertifikate zum Beispiel. Volatilität als Renditequelle wird an Bedeutung gewinnen. Allerdings ist das nicht einfach zu managen. Dass die Märkte wesentlich komplexer werden, ist gut für professionelle Vermögensverwalter, denn „Do it yourself“ funktioniert nicht mehr.

Aufstieg und Niedergang von Sal. Oppenheim

„Long only“, also kaufen und liegen lassen nach bester Manier des Anlage-Altmeisters Kostolany, hat ausgedient?
Alles, was sich an einen gängigen Marktindex eng anlehnt – im Extremfall ein ETF, der ihn 1:1 abbildet –, wird schwierig werden. Mit einem ETF kauft man sozusagen Beta, also die bloße Marktentwicklung. Wenn aber die traditionellen Anlageklassen wie Aktien und Renten nicht mehr so viel hergeben, das Beta also nicht mehr so groß ist, dann wird Alpha umso wichtiger.

Also die Überrendite, die Sie als Vermögensverwalter erwirtschaften …
Ja, die Mehrrendite durch aktives Management wird zukünftig wichtiger und deshalb wird sich in unserer Branche die Spreu vom Weizen trennen. Ich bin nicht grundsätzlich gegen ETFs, wir nutzen sie auch, um sehr schnell taktische Entscheidungen umzusetzen. Aber das eigentliche Grund-Portfolio muss zukünftig aktiv gemanagt werden. Viele Vermögensverwalter haben von den guten Märkten der vergangenen 30 Jahre profitieren können. Diejenigen, die nur mit dem Markt mitgeschwommen sind, werden jetzt aussortiert werden.

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