Schließfächer Abschied von der Diskretion

Persönliche Banktresore gelten als letzter Hort der Verschwiegenheit. Doch strengere Sicherheitsauflagen für Bankschließfächer durchlöchern die Privatsphäre.

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Bankschließfächer: Strengere Sicherheitsauflagen durchlöchern Privatsphäre. Quelle: dpa Picture-Alliance

Spießig sieht er aus, der Ort, an den Sparer flüchten, wenn die Krisenangst sie plagt: 4000 Türchen, meist in Schubladengröße, akkurat durchnummeriert wie die Briefkästen einer Mietskaserne. Den Boden bedeckt abgetretene Auslegeware, von der Decke leuchten nüchterne Lampen. Es riecht leicht muffig. Wer hier eintritt, kann sich mit dem Inhalt seines Faches in eine enge Kabine einschließen – intim wie im Hallenbad. Beeindruckender ist da schon die Pforte der Anlage unter der Zentrale der Frankfurter Sparkasse mitten im Finanzviertel. Sie liegt im Kellergeschoss hinter einer einen Meter dicken Stahltür, die sich nur mit äußerster Kraft bewegen lässt. Massiv sind auch Wände, Boden und Decke des Schließfachraums.

Der tonnenschwere Stahl strahlt kühl seine Botschaft aus. Sie heißt: „Hier bist du sicher. Fühl dich geborgen. Wenn draußen die Welt untergeht, existiert sie hier noch ein bisschen länger.“ Doch wie zuverlässig ist der Finanzbunker wirklich? Gilt hier noch jener Wert, den die Finanzindustrie einst hochhielt wie die Abholer am Flughafen das Namenschild? Gilt hier noch Diskretion? Oder fegt die alles dominierende Transparenz die alten Werte hinweg wie der Entrümplungsdienst Omas olle Kaktusreste?

Schließfächer als letztes Refugium für das, was einem teuer ist, boomen. Manche Institute führen sogar Wartelisten, weil die Nachfrage größer ist als das Angebot. Keine Frage: Der Wunsch nach Diskretion ist groß. So groß, dass viele Banken nur Kunden akzeptieren, die schon länger ein Konto bei ihnen führen. „Aus Kundengesprächen wissen wir, dass der Hauptgrund für ein Schließfach die Sorge vor Einbrüchen ist“, ergänzt eine Commerzbank-Sprecherin. Das mag stimmen, ist aber eben nicht der einzige Grund: Die Finanzbranche selbst ist nicht ganz unschuldig am Schließfachboom. Denn das Vertrauen in die Sicherheit der Spareinlagen sinkt angesichts der immer wieder aufflammenden Angst vor neuen Banken- und Finanzkrisen sowie der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken.

Begehrte Bunker und Schließfachkonditionen

Im Euro-Raum sind Guthaben auf Bankkonten nur bis zur Sicherungsgrenze von 100 000 Euro gesetzlich geschützt, der freiwillige Schutz des deutschen Bankenverbands geht auf dem Papier weit darüber hinaus. Doch ist unklar, ob er im Fall einer flächendeckenden Krise wirklich greift. Gold oder Bargeld kann da ein Rettungsanker sein, sofern die Schätze sicher verwahrt sind. Der angenehme Nebeneffekt: Physische Werte schützen auch vor jenem Negativzins, der mittlerweile bei manchen Banken selbst auf Privateinlagen droht.

Die Jahresmiete liegt je nach Größe des Fachs zwischen 40 und einigen Hundert Euro (siehe Grafik). Schon ein schubladengroßes Fach kann Millionenwerte in Form von flachen Goldbarren, Münzen oder Schmuck fassen. Kunden gelangen bei den meisten Anlagen mit ihren persönlichen Schlüsseln an die Fächer, müssen sich vorher aber per Magnetkarte und Geheimzahl an der stählernen Pforte anmelden. Die Prozedur aktiviert das zugewiesene Fach, öffnen lässt es sich mit dem mitgebrachten Schlüssel. Das System speichert jeden Gang der Kunden zum Schließfach mit Datum und Uhrzeit – und versetzt damit der Diskretion den ersten Stich.

Banken informieren den Insolvenzverwalter

Mancher mietet ein Fach als Versteck des letzten Notgroschens vor Insolvenzverwaltern, Finanzämtern oder Ehepartnern. Ultimativen Schutz vor Staat und Steuer bieten die Miettresore aber nicht. Zwar darf die Bank nicht wissen, was sich hinter den Türchen verbirgt. Doch muss sie die Existenz eines Schließfachs auf Anfrage an Behörden melden. Wenn die den Verdacht auf eine Straftat sehen oder noch offene Forderungen gegen den Kunden haben, machen sie auch vor dessen Schließfach nicht halt. Gerichtsvollzieher oder Polizei und Zoll rücken dann mit dem Betroffenen im Schlepptau zur Räumung an. Wenn der sich weigert, bringen die Staatsdiener an seiner Stelle einen Techniker mit – bewaffnet mit einem Schneidbrenner, der sich dann erbarmungslos in die Privatsphäre des Kunden fräst.

Das Schweizer Bankgeheimnis ist tot? Nicht ganz. Schließfächer sind die letzte Bastion. Von günstig bis sehr groß ist alles im Angebot.

Zudem können Gläubiger problemlos eine Pfändung des Schließfachs durchsetzen. „Banken verfolgen Insolvenzbekanntmachungen täglich und melden sich oft direkt beim Insolvenzverwalter, wenn der Name eines ihrer Kunden in den Bekanntmachungsportalen auftaucht“, berichtet der Hamburger Rechtsanwalt Dominik Demisch von der Kanzlei BRL Boege Rohde Luebbehuesen. Auch schon bei einer Zwangsvollstreckung müssen Schuldner dem Gläubiger eine Vermögensliste zur Verfügung stellen, auf der auch die Wertsachen in Schließfächern aufzulisten sind.

Obwohl der Schutzwall ums letzte bisschen Privatheit also löchrig ist wie ein Schweizer Käse, sind die Minisafes begehrt. Wer einen mieten will, muss nicht nur bei Banken suchen. Im Frankfurter Westend heben Bagger gerade die Baugrube für die neue Zentrale des Edelmetallhändlers Degussa aus. Weil die Nachfrage nach Gold und Schließfächern boomt, will das Unternehmen in dem Neubau auch Kapazitäten für rund 3000 Privattresore schaffen, in denen Kunden ihre Schätze verstauen können. Einige Degussa-Standorte führen schon Wartelisten mit Interessenten für Schließfächer. „Im kommenden Jahr werden wir bei den bestehenden Schließfachanlagen wahrscheinlich an die Kapazitätsgrenzen stoßen“, sagt Geschäftsführer Markus Weiß.

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