Schuldenkrise Wie die Geldmanager von Blackrock arbeiten

Blackrock ist der größte Geldmanager der Welt und prüft die Kreditportfolios der klammen griechischen Banken. Warum die Experten die einzigen sind, die das können.

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Blackrock-CEO Fink Quelle: dapd

Aladin heißt das System, das zuletzt bei griechischen Banken spektakulär zum Einsatz kam – getauft nach dem Besitzer der Wunderlampe aus „1001 Nacht“. Mitarbeiter von Blackrock Solutions (BRS) nutzen die Software, um Risiken, die in Bankbilanzen verborgen sind, herauszufiltern. Das Unternehmen ist eine Tochter des 1988 von Larry Fink gegründeten Fondskonzerns Blackrock. Dem heute weltgrößten Geldmanager Blackrock haben Kunden 3680 Milliarden Dollar anvertraut. Die Blackrock-Truppe in Athen arbeitete unter dem Code-Namen Solar, 18 Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes bewachten sie rund um die Uhr. Angesichts von täglichen Demonstrationen schien Diskretion geboten: Kein Analyst durfte sich als Angestellter von Blackrock zu erkennen geben.

Um möglichst wenig Aufsehen zu erregen, ließen sich die Experten in einem staubigen Büroblock in einem heruntergekommenen Viertel Athens nieder – zwischen Stripclubs und ausgebrannten Gebäuden. Craig S. Philipps, der Chef der Blackrock-Truppe, hängte in seinem Büro ein Poster des Horrorfilms „Der Exorzist“ auf. „Wir mussten hier mit größter Umsicht vorgehen“, sagt er.

Prüfung von 35 griechischen Banken

Zusammen mit griechischen Dolmetschern wühlten sich die Aladins aus den USA durch die Bücher von 35 griechischen Banken. Binnen drei Monaten prüften sie zehn Millionen einzelne Bilanzpositionen – von Firmenkrediten über Baudarlehen bis zu Verbraucherkrediten. Bei der Bewertung gab es heftige Diskussionen zwischen den griechischen Banken und ihren amerikanischen Prüfern. Doch am Ende setzte sich Blackrock durch: Alle Kredite, für die es keine handfesten Sicherheiten gab, wurden mit einem Wert von null angesetzt.

Diagramm: Solide wie ein Fels Quelle: Thomson Reuters

Was die Analysten herausfanden, soll erst veröffentlicht werden, wenn sich in Griechenland eine neue Regierung gebildet hat. Bis spätestens Anfang Juni muss dies passiert sein, sonst könnten EU und IWF Athen den Geldhahn abdrehen. Athener Zeitungen wollen schon jetzt wissen, was bei der Prüfung herausgekommen ist: Die Hellas-Banken benötigen frisches Eigenkapital in Höhe von 50 Milliarden Euro.

In der Krise häuften die Geldhäuser immense Verluste an, die ihr Eigenkapital weitestgehend vernichtet haben. Allein bei der Alpha Bank und der Eurobank, zwei der größten Kreditinstitute Griechenlands, betrugen die Fehlbeträge 2011 zusammen 9,3 Milliarden Euro. Dies entspricht mehr als dem Zehnfachen des Börsenwerts der beiden Banken.

USA, Irland, Griechenland...

BlackRock Zentrale Quelle: AP

Ende 2011 hatten die griechische Zentralbank sowie die Troika aus EU, EZB und IWF neutrale Experten gesucht, die den Kapitalbedarf der griechischen Banken ermitteln sollten. Rasch wurde klar, dass hierfür praktisch nur BRS infrage kam. „Sie waren die Einzigen, die zu diesem Zeitpunkt bereits das Bankensystem eines ganzen Landes analysiert hatten“, sagt Charalampos Stamatopoulos von der griechischen Zentralbank.

Die Blackrock-Tochter bewertet permanent milliardenschwere, komplexe Anlage- und Kreditportfolios, die zum Teil schwer verkäufliche Kredite und Papiere enthalten, mit einem gigantischen Computersystem, das auf 5000 Großrechner in vier IT-Zentren weltweit zugreifen kann.

Im Sekundentakt ermitteln die Maschinen den Wert von Aktien, Anleihen und Derivaten. In die Berechnungen gehen zahllose ökonomische Größen ein – etwa Zinsen, Rohstoffpreise oder Wechselkurse. Entwickelt wurde die Technologie eigentlich, um die Anteilspreise der Blackrock-Fonds zu bestimmen.

Die US-Regierung betraute nach Ausbruch der Finanzkrise die BRS-Experten damit, Papiere der kollabierten Investmentbank Bear Stearns und des Versicherungskonzerns AIG zu untersuchen. 2011 kam BRS in Europa ins Geschäft. Die irische Notenbank wollte Licht in die Zahlenwerke der sechs größten Banken des Landes bringen. Angesichts der anhaltenden Krise in Irland wurde der Auftrag kürzlich erneuert.

Größter Dax-Aktionär

Für Blackrock sind derartige Regierungsaufträge gut fürs Image, das große Geld verdient der Konzern woanders. Besonders das Geschäft mit börsengehandelten Indexfonds (ETFs) boomt. ETFs sparen sich teure Fondsmanager, sie kaufen stur die in einem Aktienindex (zum Beispiel dem Dax) enthaltenen Aktien. Immer mehr Anleger wollen solche Produkte. Im ersten Quartal packten sie per Saldo 18,2 Milliarden Dollar neue Gelder in ETFs von Blackrock. Dass Blackrock-Chef Fink Ende 2009 die Sparte Vermögensverwaltung der britischen Großbank Barclays übernommen hat, erweist sich rückblickend als Geniestreich. Mit dem zu Barclays zählenden ETF-Anbieter iShares wurde Blackrock zum Weltmarktführer bei den boomenden Indexfonds.

Ganz nebenbei ist Blackrock so auch zum größten Investor im Dax geworden. Der Gigant hält mehr als fünf Prozent der gesamten Dax-Aktien. Bei vielen ist Blackrock sogar größter einzelner Aktionär, etwa bei BASF, Deutscher Bank, Lufthansa, Deutscher Börse und Allianz. Befürchtungen, Blackrock werde zu mächtig, treten die Amerikaner vehement entgegen: „Wir sehen uns als Treuhänder unserer Kunden“, sagt Deutschland-Chef Dirk Klee. „Wir streben keine Mandate in den Aufsichtsräten an und treten auch nicht auf den Hauptversammlungen auf.“ Vor einigen Wochen immerhin konnte sich Konzernchef Fink dazu durchringen, in einem Brief an 600 Aktiengesellschaften, an denen Blackrock mindestens fünf Prozent hält, eine „anlegerfreundliche Unternehmenspolitik“ zu fordern.

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