Einkommensteuer, Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Abgeltungsteuer – so manchem Deutschen schwant nach der Wahl Ungutes. Egal, welche Koalition regieren wird, der Staat drängt seinen Bürgern mit Macht ans Portemonnaie. Hinzu kommen Unsicherheiten über die weitere Linie in der Euro-Rettungspolitik und in Sachen Haushaltsverschuldung. So mancher macht sich Gedanken, ob es nicht gut wäre, etwas Vermögen zu haben, das Sicherheit in unsicheren Zeiten verheißt – und auf das der Fiskus keinen Zugriff hat: physisches Gold. Anleger sollten ihr Gold nicht ohne Not abgeben. Aufstocken statt abbauen erscheint das Gebot der Stunde.
Da trifft es sich gut, dass der Goldpreis kräftig zurückgekommen ist. Die großen Spieler im virtuellen Goldhandel – JP Morgan, HSBC, Citibank, Goldman Sachs – warten nur darauf, dass Anleger ihr Gold billig losschlagen. Die Investmentbanken handeln an der New Yorker Terminbörse Comex kaum physische Ware, bestimmen aber maßgeblich den Referenzpreis für physisches Gold, der am Handelsplatz London zweimal täglich festgelegt wird.
Dank Rückendeckung durch die Notenbanken verfügen die Banken über nahezu unbegrenzte Feuerkraft, um den Goldpreis immer mal wieder stark einbrechen zu lassen. Die schockartigen Rückgänge seien typisch für Markteingriffe, sagt Dimitri Speck. Der Rohstoffanalyst des Vermögensverwalters Staedel Hanseatic aus Riga hat sich auf die Erkennung von Kursmustern spezialisiert und spürt Marktanomalien auf. In seinem gerade aktualisierten Buch „Geheime Goldpolitik“ geht Speck auch auf den Goldpreiscrash im April ein. Sein Fazit: „Da hat jemand nachgeholfen.“
Goldanleger sollten sich davon nicht zermürben lassen. Sie haben inzwischen starke Verbündete in den Schwellenländern, allen voran in China. Dort wächst die Goldnachfrage unbeirrt, und nach dorthin verlagert sich allmählich auch das Zentrum des physischen Goldhandels. Der Arm von Wall Street und Londoner City reicht weit, aber nicht bis nach China. Auf lange Sicht wird sich der physische Goldmarkt durchsetzen und den Preis bestimmen.
Sieben Argumente sprechen vor allem anderen für das gelbe Metall.
1. Notenbanken drucken weiter
Dass Goldanleger weiter in der richtigen Spur sind, sollte spätestens am 18. September klar geworden sein. An diesem Tag entschied die US-Notenbank Fed, sie werde weiter US-Staatsanleihen und Hypothekenpapiere ankaufen und so monatlich 85 Milliarden frische Dollar in den Markt geben. Noch im Mai hatte Fed-Chef Ben Bernanke die Märkte auf eine Reduzierung des Kaufprogramms vorbereitet. Die glaubten daran, zumal Bernanke im Januar 2014 abtreten wird und alle Welt davon ausging, dass er sich nicht mit voll durchgetretenem Gaspedal verabschieden wolle.
Finanzmärkte wollen klare Ansagen, keine Unsicherheit und kein Lavieren. Auf Berechenbarkeit war Bernanke stets bedacht, umso erstaunlicher ist jetzt sein Umfaller. Der Ausstieg vom Ausstieg signalisiert jetzt, dass Wirtschaft und Arbeitsmarkt in den USA entgegen Bernankes Hoffnungen weit weniger rund laufen als gedacht. „Mit 7,3 Prozent liegt die Arbeitslosenquote weiter klar über einem akzeptablen Niveau“, begründete Bernanke seine Entscheidung. Nullzinspolitik und Anleihekäufe haben, wenn überhaupt, nur einen geringen Einfluss auf das reale Wirtschaftswachstum. Das räumten jüngst gar Bernankes Kollegen von der Federal Reserve Bank of San Francisco ein. Die Fed nahm in den vergangenen vier Jahren Staats- und Hypothekenpapiere in Höhe von 16 Prozent der amerikanischen Wirtschaftsleistung auf die eigene Bilanz. Zugleich wuchs die US-Wirtschaft seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama im Januar 2009 real nur um durchschnittlich 1,075 Prozent pro Jahr – von einem selbsttragenden Konjunkturaufschwung also keine Spur.
Einzig das Abgleiten in eine deflationäre Abwärtsspirale dürfte Bernanke verhindert oder verzögert haben. Erhöht hat die exzessive Geldschöpfung aber die Instabilität des weltweiten Finanzsystems – und das Entstehen von Anlageblasen.
Der Schweizer Vermögensmanager Felix Zulauf geht davon aus, dass die Rahmenbedingungen in den Industrieländern – hohe Verschuldung, alternde Bevölkerung, gefährdete Banken – kaum mehr Wirtschaftswachstum zulassen werden. Die Notenbanken würden „aus ihrer Rolle als Finanziers für Staatsanleihen nicht herauskommen“, sagt er. Weil Investoren allein die Staatsdefizite durch Käufe von Anleihen am Kapitalmarkt nicht mehr finanzieren können, werde neues Geld gebraucht. Dieses Geld werden Zentralbanken schöpfen.
Der eine oder andere Notenbanker lässt schon mal die Maske fallen. Ein von 2014 an im Offenmarktausschuss der Fed stimmberechtigtes Mitglied hat sich bereits dafür ausgesprochen, das Anleihekaufvolumen überhaupt nicht zurückzufahren, auch auf die Gefahr hin, dass dadurch Blasen an den Finanzmärkten entstehen.
Die Goldblase, so sie denn überhaupt einmal entsteht, dürfte die letzte Anlageblase sein, die dereinst platzt.
Denn Gold ist eben, anders als Dollar, Euro oder Yen, nicht beliebig vermehrbar. Geschätzt 5600 Millionen Unzen wurden jemals auf der Welt gefördert. Gemessen an der jährlichen Minenproduktion von zuletzt rund 87 Millionen Unzen, betragen die überirdischen Goldbestände das 65-Fache der Jahresproduktion aller Goldminen. So gesehen ist es vor allem die Konstanz der überirdischen Goldmenge, die Gold als Wertspeicher attraktiv macht. Stabilität und Sicherheit schaffen Vertrauen in eine Währung. Während die überirdische Goldmenge jährlich nur um etwa eineinhalb Prozent wächst, stieg das Angebot der Weltleitwährung Dollar allein im bisherigen Jahresverlauf um rund 35 Prozent auf zuletzt 3546 Milliarden Dollar. Gegenüber Ende 2000 erhöhte die Fed das Dollar-Angebot um 480 Prozent, die weltweite Goldmenge stieg nur um rund 22 Prozent.
Wird die Papiergeldmenge weiter erhöht, dann müsste auch der in Papierwährungen ausgedrückte Preis für Gold steigen. Investmentlegende Marc Faber setzt weiter auf Gold: „Intelligente Menschen sehen schon, dass, wenn man die Geldmenge erhöht, eine Papierwährung gegenüber einer Währung, die nicht erhöht werden kann, verliert.“ Der Besitz von physischem Gold sei für ihn zudem „eine Versicherung gegen Unfug, den Regierungen treiben“.
2. Wertspeicher in Währungskrisen
Der jüngste Kollaps von Währungen aus Schwellenländern mit hohen Leistungsbilanzdefiziten könnte die Welt einer globalen Währungskrise ein Stück näher gebracht haben. Gold dagegen, etwa in indischer Rupie gemessen, hat seine Eigenschaft als Wertspeicher in Krisen zuletzt wieder eindrucksvoll bestätigt (siehe Grafik), wie schon in allen Währungskrisen zuvor. Während der Tequila-Krise zum Beispiel stieg Gold in mexikanischen Peso zwischen Ende 1994 und Ende 1995 um über 150 Prozent, in der Asienkrise 1997/98 kletterte Gold in koreanischen Won und indonesischer Rupiah binnen weniger Monate um 100 und 400 Prozent, und die Russlandkrise 1998 beförderte den Goldpreis in Rubel um 350 Prozent in die Höhe.
Ein noch viel größeres Beben könnte ein unkontrollierter Absturz des japanischen Yen im Währungsgefüge auslösen. Die nach Regierungschef Shinzo Abe „Abenomics“ genannte japanische Variante monetärer Staatsfinanzierung schwächt den Yen ungemein. Ein exzessiver Yen-Rückgang könnte, wie schon 1997, einen „Sell Japan“-Effekt auslösen, also den gleichzeitigen Verkauf von Yen und japanischen Aktien und Anleihen. Bei einer massiven Flucht aus dem Yen würde sich die Inflation in Japan beschleunigen. Es drohten Kapitalkontrollen, die Staatspleite und eine Währungsreform. Der Yen wäre das erste Opfer unter den Reservewährungen.
Doch auch der Dollar entwickelt sich immer mehr zu einer Leid-Währung. Stutzig machte schon vor Bernankes Umfaller der Rückzug des ehemaligen US-Finanzministers Larry Summers als Bewerber um die Bernanke-Nachfolge. Summers hatte damit den Weg frei gemacht für die bisherige Bernanke-Stellvertreterin Janet Yellen, der eine ganz besondere Zuneigung zur Notenpresse nachgesagt wird. „Sie wird sich verhalten wie ein Kind im Süßigkeitenladen, das diesen Laden gleichzeitig führen soll“, erwartet Commerzbank-Goldexperte Eugen Weinberg.
Die Nachricht vom Rückzug Summers quittierte der Devisenmarkt mit deutlichen Abschlägen beim Dollar, abzulesen am Dollar-Index, der den Außenwert des Greenback gegenüber einem Korb aus sechs Währungen misst (siehe Grafik). Die Dollar-Schwäche hatte sich aber schon vorher angekündigt. Denn von der Zuspitzung der Syrienkrise konnte der Dollar kaum noch profitieren. Sein Status als sicherer Hafen bei Krisen verblasst, ebenso der als Abrechnungswährung im Ölhandel. Wegen ihrer Verschuldung sind auch die USA nicht mehr immun gegen Währungskrisen. Der Wertverfall des Dollar wird sich beschleunigen. Sichtbar ist das noch nicht, weil die Dollar-Schwäche von der Schwäche anderer Währungen verschleiert wird und so auch den Dollar-Preis der Alternativwährung Gold bremst.
Dass sich der Euro zuletzt vergleichsweise stabil hielt, dürfte allein der Stärke der deutschen Wirtschaft und der Reputation der Bundesbank zu verdanken sein.
3. Ausfallsichere Geldanlage
Bernanke begründete seinen Rückzieher auch mit dem Risiko der hohen Verschuldung der USA. Das trifft den Kern. Die Schuldenobergrenze rückt näher und damit die Zahlungsunfähigkeit der Bundesregierung in Washington. Der Kongress ist unverändert tief gespalten. Zur Erinnerung: Im Zuge des Gezerres um die Anhebung der Schuldengrenze vor zwei Jahren erreichte der Goldpreis sein bisheriges Rekordhoch von 1921 Dollar je Feinunze.
In den Anleihemärkten stecken gewaltige Summen, und es gibt immer weniger Investoren, die neue Anleihen kaufen wollen oder können. Weniger Nachfrage drückt die Kurse bestehender Anleihen, im Gegenzug steigen deren Renditen. Die gingen stark nach oben, nachdem Bernanke im Mai den Einstieg in den Ausstieg aus den Gelddruckprogrammen in Aussicht gestellt hatte.
Doch die Zentralbanken in den USA, Japan und Europa können einen spürbaren Renditeanstieg nicht zulassen. Die Renditen von Staatsanleihen beeinflussen auch die Zinsen, die Unternehmen Anlegern für neue Anleihen bieten müssen. Stark steigende Zinsen könnten weder die Volkswirtschaften der Industrieländer noch ihre überschuldeten Regierungen verkraften. Die Notenbanken werden deshalb nicht weniger, sondern immer größere Mengen Anleihen aufkaufen müssen.
Ziehen die Renditen von Staatsanleihen trotz schwacher Konjunktur und niedriger Leitzinsen an, signalisierte dies, dass die Notenbanken die Anleihemärkte nicht mehr komplett kontrollieren. Zugleich drohten ihren Portfolios aus Staatsanleihen gigantische Kursverluste. Scott Minerd, Chefanlagestratege des US-Vermögensmanagers Guggenheim Partners, beziffert die unrealisierten Verluste der Fed allein aus dem Renditeanstieg in den drei Monaten bis August auf 192 Milliarden Dollar. Ein weiterer Renditeanstieg würde das Eigenkapital der Fed in Höhe von 55 Milliarden Dollar gefährden. Nur noch 1,5 Prozent der Fed-Bilanzsumme ist mit Eigenkapital unterlegt. Die EZB kommt immerhin auf 3,8 Prozent, die Bank of Japan auf knapp zwei Prozent.
Eine Notenbank mit de facto insolventer Bilanz aber läuft Gefahr, zum Spielball der Märkte zu verkommen. Schwindet das Vertrauen in Notenbanken und in die Zahlungsfähigkeit von Regierungen, dann bleibt als Alternative faktisch nur Gold.
Goldskeptiker betonen immer, steigende Zinsen seien negativ für Gold, weil Gold keine Zinsen bringt. Je mehr Zinsen andere Anlagen abwerfen, desto unattraktiver wird das zinslose Gold im Tresor. Aktuell sind die entgangenen Zinsen noch kaum der Rede wert (siehe Grafik). Anleger sollten zudem im Hinterkopf behalten, dass der Zins immer auch ein Maßstab für Bonität ist. Steigende Zinsen signalisieren eine schwächere Bonität und ein höheres Ausfallrisiko des Schuldners. Hinter Gold steht kein Schuldner, der pleitegehen könnte. Es gibt kein Ausfallrisiko.
4. Reserve außerhalb des Finanzsystems
Die wichtigsten Fakten zu Gold
Die gesamte Goldnachfrage im dritten Quartal 2014 betrug 929,3 Tonnen. Damit ist die Nachfrage um 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Q3'13: 952,8) gefallen.
Quelle: World Gold Council
Die weltweite Nachfrage nach Schmuck betrug im dritten Quartal 2014 insgesamt 534,2 Tonnen und ist damit um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Q3'13: 556,3) gefallen.
Die Nachfrage des Technologiesektors belief sich im dritten Quartal 2014 auf 97,9 Tonnen und fiel, verglichen mit den 103,1 Tonnen im dritten Quartal 2013, um fünf Prozent.
Die Nachfrage nach Goldbarren und -münzen ist im dritten Quartal 2014 deutlich gesunken – auf 245,6 Tonnen. Ein Minus von 21 Prozent im Vergleich zu 2013 (Q3: 312,3).
Dass die Gesamtnachfrage nach Gold gefallen ist, ist auch auf die Abflüsse aus Gold-EFTs zurückzuführen. Im dritten Quartal 2014 beliefen sich diese auf 41,3 Tonnen. Allerdings ist das deutlich weniger als im Vorjahr. Im dritten Quartlal 2013 betrugen sie noch 120,2 Tonnen.
Die Nettoeinkäufe von Zentralbanken betrugen im dritten Quartal 2014 92,8 Tonnen. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Rückgang von neun Prozent (Q3'13: 101,5).
Die Goldnachfrage im Investment belief sich im dritten Quartal 2014 auf 204,4 Tonnen. Das ist eine minimale Steigerung von sechs Prozent, im Vorjahresquartal waren es 192 Tonnen.
Auf jeden Fall aber bietet physisches Gold, auf das Anleger direkt zugreifen können, stets eine Liquiditätsreserve außerhalb des Finanzsystems. „Physisch bedeutet, dass ich immer zu meinem Safe gehen, meine Barren und Münzen rausnehmen und am Markt verkaufen kann, wenn ich das muss“, erklärt Zulauf. Das macht Gold zu einer begehrten Notfallreserve. Auf die zurückgreifen könnten Anleger beispielsweise, wenn der Zugriff auf Konten, Depots und Bargeld versperrt sein sollte – etwa bei einem Crash der Computersysteme, einem Zusammenbruch der eigenen Bank oder beim Übergang zu einer neuen Währung.
Was den unglücklichen Besitzern von Rohstoffkonten beim US-Brokerhaus MF Global passiert ist, sei nur der Vorgeschmack auf das, was eines Tages bei allen Banken geschehen werde, prophezeit der bekennende Pessimist Faber. „Investoren und Sparer werden keinen Zugriff mehr auf ihre Vermögenswerte haben.“ Die Bedeutung von Gold liegt also weniger in seinem Preis als in seinem Besitz.
Goldbesitz unterscheidet sich ganz erheblich von Goldforderungen, etwa aus verliehenem Gold oder in Form von Zertifikaten. Die Notenbank von Portugal etwa verlor in den Achtzigerjahren über eine halbe Million Unzen Gold, als ihre Vertragspartnerin, die US-Investmentbank Drexel Burnham, in Konkurs ging.
Wer einen Teil seines Geldes in Gold anlegen will, sollte es deshalb physisch besitzen und dort aufbewahren, wo es am besten geschützt ist vor staatlichem Zugriff.
Seit der Zypernrettung in diesem Frühjahr, anlässlich derer erstmals Spareinlagen in die Haftung für Pleitebanken genommen wurden, machen sich Anleger Gedanken, ob ihre Einlagen auf der Bank noch sicher sind vor dem Zugriff der Euro-Retter. Goldhändler berichteten von einem Käuferansturm. Etliche Sparer nahmen einen Teil ihrer mager verzinsten Einlagen von der Bank und kauften dafür zinsloses, aber pleiteungefährdetes Gold.
Angesichts der Koalitions-Pokerspiele um Steuererhöhungen, Vermögensteuer und Erhöhung der Abgeltungsteuer rücken jetzt auch steuerliche Motive in den Vordergrund: Bis 15.000 Euro können Anleger Gold völlig anonym kaufen. Barren und Münzen tauchen in keinem Depotauszug auf, die mit Barren besicherten börsennotierten Goldfonds dagegen schon. Gold, das Anlagezwecken dient – also Barren und in hohen Stückzahlen aufgelegte Münzen –, ist in der Europäischen Union zudem, anders als etwa Silber, von der Mehrwertsteuer befreit. Spekulationsgewinne können Anleger nach mindestens einem Jahr Haltedauer steuerfrei vereinnahmen. Auf Kursgewinne bei Goldzertifikaten und den meisten Goldfondskonstrukten wird dagegen Abgeltungsteuer fällig.
5. Aufsteiger aus Asien kaufen
Goldfonds haben auch Vorteile: Sie sind kostengünstig und hochliquide, können also schnell veräußert werden. Großinvestoren hatten während der Finanzkrise 2008 in großem Stil Goldfonds gekauft, in den vergangenen Monaten aber Teile davon wieder abgestoßen, darunter die Hedgefondsikonen George Soros und John Paulson. Die Bestände aller vom Börsendienst Bloomberg registrierten Goldfonds sind von ihrem Hoch am 20. Dezember 2012 bei 84,6 Millionen Unzen bis auf zuletzt 62,1 Millionen Unzen eingebrochen. Allerdings hat die Dynamik der Abflüsse seit Anfang Juli spürbar nachgelassen.
Die Goldfonds mussten über ein Viertel ihrer Barren verkaufen. Wer aber hat sie ihnen abgenommen? „Historisch wanderte Gold immer aus Regionen ab, in denen der Wohlstand abnimmt, dorthin, wo der Wohlstand wächst“, sagt Vermögensverwalter Zulauf. Die Handelsstatistiken bestätigen das (siehe Grafik): Das Gold der Fonds lagert meist in London, in Barren zu je 400 Unzen (12,44 Kilo). Im ersten Halbjahr 2013 exportierte Großbritannien 25,6 Millionen Unzen Gold in die Schweiz, fast neunmal so viel wie im gesamten Jahr 2012. Weil in England kein Gold gefördert wird, muss das Gold aus Londoner Tresoren gekommen sein.
Einige Barren landeten sicher in Schweizer Schließfächern, weil Investoren es dort besser vor staatlichem Zugriff geschützt wissen. Die Schweiz verfügt aber auch über die weltgrößten Kapazitäten für das Umschmelzen von Gold. Dort dürften sich viele der 400-Unzen-Barren aus London in kleinere Barren und Münzen verwandelt haben, für den Export nach Asien.
So meldete Hongkong, wichtigster Umschlagplatz für Gold nach Festlandchina, im ersten Halbjahr 300 Prozent mehr Importe aus der Schweiz, fast zwölf Millionen Unzen. Und weiter: Von Januar bis Juli 2013 kamen über Hongkong 20,3 Millionen Unzen Gold auf das chinesische Festland, mehr als im gesamten Vorjahr. Nach Indien dürfte die Schweiz etwa 3,2 Millionen Unzen mehr geliefert haben als vor einem Jahr. In Indien, etwa gleichauf mit China der wichtigste Goldabsatzmarkt der Welt, hat zwar die Regierung zur Verbesserung der Leistungsbilanz die Importsteuern auf Gold mehrfach erhöht und gar ein Importverbot für Münzen und Medaillen verhängt. Statt über offizielle Kanäle kommt Gold jetzt vermehrt illegal ins Land. Allein schon der hohen Inflation von rund zehn Prozent wegen wird Gold auf dem Subkontinent weiter begehrt bleiben.
Zudem dürfte es demnächst wieder zu vermehrten Goldimporten kommen. Der indische Zoll hat gerade größere Mengen Gold auf Flughäfen freigegeben, die dort aufgrund der Unsicherheit über neue Einfuhrbestimmungen lange Zeit lagerten. In Indien steht die Feiertags- und Hochzeitssaison unmittelbar bevor. Während dieser wird traditionell viel Gold verschenkt.
6. Kaufpanik jederzeit möglich
Der schockartige Goldpreiseinbruch vom 12. April, so viel steht heute fest, wurde bewusst herbeigeführt. Direkt zum Handelsstart an diesem schwarzen Freitag drückte eine Verkaufsorder einer US-Großbank über Lieferansprüche von gut 3,2 Millionen Unzen den Goldpreis an die charttechnische Unterstützung bei 1540 Dollar je Feinunze. An dieser Kursmarke lagen zahlreiche Verkaufsaufträge, die bei einem Unterschreiten automatisch ausgelöst würden. Das passierte gut zwei Stunden später, nachdem in einer zweiten Verkaufswelle Lieferansprüche über 9,6 Millionen Unzen auf den Markt kamen.
Um an der Comex diese Goldmenge virtuell bewegen zu können, genügen 750 Millionen Dollar, die als Sicherheit hinterlegt werden müssen. Für eine der großen Wall-Street-Adressen wäre dies ein Klacks, allen voran für JP Morgan oder Goldman Sachs. Goldman-Analysten hatten schon in den Monaten zuvor begonnen, das Ende der Goldhausse öffentlichkeitswirksam vorauszusagen. Sie rieten ihren Kunden, auf fallende Preise zu spekulieren. Mit Erfolg, wie sich zeigte. Insgesamt wechselten an dem besagten Freitag auf dem Papier fast 37 Millionen Unzen Gold den Besitzer – gut 40 Prozent der jährlichen Minenproduktion.
Für Verunsicherung war also gesorgt – angeheizt durch Titelzeilen à la „Goldrausch ade“. Entsprechend setzte sich der Abverkauf in den folgenden Tagen fort. Ungereimtheiten am virtuellen Goldmarkt ließen sich bereits Anfang Februar beobachten. Zunächst wurden ungewöhnlich viele Verkaufsoptionen auf Gold gehandelt, deren Käufer von fallenden Goldpreisen profitieren. Kurz darauf folgten in unregelmäßigen Abständen sehr hohe Verkäufe, just zur Eröffnung des Goldhandels in New York. Teils wurden eine Million Unzen Gold und mehr unlimitiert zum Verkauf angeboten. Verkaufsorders dieser Größenordnung ohne Limit in den Markt zu stellen ist ungewöhnlich – ein Verkäufer, der das tut, macht sich den Preis selbst kaputt. Der Verkäufer müsste also noch andere Interessen haben, als Gold gegen Preiseinbrüche abzusichern.
Auch der Preissturz vom vergangenen Mittwoch erstaunt. Mit Blick auf das vorläufige Scheitern der Haushaltsverhandlungen in den USA hätte eigentlich alles für einen steigenden Goldpreis gesprochen, zumal mit Blick auf die gleichzeitige Schwäche des Dollar-Index. Das ganze deutet auf gezielte Leerverkäufe hin. Die Erfolgsaussichten, den Goldpreis zu drücken, waren zudem recht gut, weil das Gegengewicht physischer Käufe aus China wegen der Feiertagswoche („Golden Week“) dort fehlten.
Wer Lieferansprüche auf Gold verkauft, wettet damit auf einen fallenden Goldpreis. Wenn der Kurs gefallen ist, streichen sie die Preisdifferenz als Gewinn ein. Bis zum 9. Juli stiegen die von der US-Terminmarktaufsicht CFTC erfassten Shortpositionen nicht gewerblicher Marktteilnehmer, vulgo: Spekulanten, auf 14,4 Millionen Unzen. So viel Gold wurde von Spekulanten noch nie zuvor leer verkauft.
Pech für die Shortseller: Der Goldpreis ist anschließend nicht weiter gefallen, sondern konnte zeitweise 20 Prozent gutmachen. Steigt der Preis aber, drohen den Shortsellern theoretisch unbegrenzte Verluste. Ihre Risikosysteme schlagen Alarm, sie verlieren die Nerven, kreditgebende Banken machen Druck. Sehr schnell schließen die Spekulanten dann Shortpositionen, um Verluste zu begrenzen.
Eine Kaufpanik (Short Squeeze), bei der Leerverkäufer durch steigende Kurse gezwungen werden, sich mit Gold einzudecken, ist jederzeit möglich. Wenn Gegenparteien mit tiefen Taschen auf die Auslieferung von physischer Ware pochen statt auf einen Ausgleich in Cash, dann wird es eng am Goldmarkt. Auch der Markt für Goldleihegeschäfte (siehe Grafik) signalisiert, dass Gold zeitweise dringend gesucht wurde. Es ist schon eine Eigenart des Goldmarktes, dass das physische Angebot bei fallenden Preisen knapp werden kann.
2001 gab diese Goldmarktanomalie den Startschuss für den Goldbullenmarkt, 2008 war sie das Signal für die Wiederaufnahme des langfristigen Aufwärtstrends. Gleiches könnte jetzt erneut passieren.
7. Extremwerte stehen noch aus
Nach Bernankes Rückzieher geriet der Dollar unter Druck, die Renditen von US-Staatsanleihen fielen mit der Hoffnung auf anhaltend hohe Nachfrage durch die Fed. Schwacher Dollar, tiefe Zinsen – beides ist eigentlich gut für Gold. Doch der Preis ist nur kurz gestiegen, vor allem wegen Eindeckung von Shortpositionen. Dass sich der Goldpreis noch nicht weiter nach oben bewegt hat, begründen Analysten mit den steigenden Börsen. Investoren, die Trends folgen, schichteten Gold um in Aktien, weil Aktien eben besser laufen.
Trotzdem bleibt unklar, warum Aktien mit der Aussicht auf weitere Alimentierung der Märkte durch die Fed weiter zulegen sollten, aber ausgerechnet Gold nicht? Noch mehr als Aktien gilt Gold als Sachwert mit Inflationsschutz. Die Dow-Gold-Ratio, ein Quotient aus dem US-Aktienbarometer Dow Jones und dem Goldpreis, steigt seit August 2011 – Aktien laufen also besser als Gold. Über einen längeren Zeitraum gesehen, fällt die Rate aber und hat noch viel Luft nach unten (siehe Grafik). Denn lange Haussen, wie die von Gold seit 2000, enden normalerweise in Extremen, in einer Preisblase, die dann platzt. 1980 war dies so: Als der Goldpreis am 21. Januar sein damaliges Rekordhoch von 872 Dollar erreichte, hatte er sich zuvor in acht Wochen verdoppelt. Die Dow-Gold-Ratio erreichte den Extremwert von 1,03. Doch in der aktuellen Goldhausse verlief der Preisanstieg bis zum Rekordhoch bei 1921 Dollar am 6. September 2011 kontinuierlich, und der Einbruch erfolgte erst 19 Monate später, sagt Commerzbanker Weinberg. Ihn erinnert die aktuelle Preisschwäche eher an die Korrektur von 2008. Eine Goldblase habe es noch nicht gegeben.
Historisch wäre ein Extremum bei einer Dow-Gold-Ratio unter drei erreicht. Jetzt darf gerechnet werden: Bliebe der Dow konstant, entspräche eine Rate von drei einem Goldpreis von über 5000 Dollar. Bliebe der Goldpreis konstant, drohte dem Dow ein Absturz auf unter 4000 Punkte.
Aktuell steht die Dow-Gold-Rate bei knapp zwölf. Bis zum Extremum wird Gold besser laufen als Aktien – aber nicht als alle Aktien.
Deshalb sollte die Losung nicht lauten: Gold statt Aktien, sondern Gold und Aktien. Marc Faber schlägt einen Kompromiss vor: Goldminenaktien.