WirtschaftsWoche: Herr Weinberg, Banken haben es geschafft, den Referenzzinssatz Libor zu ihren Gunsten zu manipulieren. Warum sollte ihnen das nicht beim Goldpreis gelingen?
Weinberg: Ausschließen kann man zwar nichts mehr. Ich behaupte auch, dass der Goldpreiscrash im April bewusst herbeigeführt wurde. Aber das war keine Manipulation.
Was war es dann?
Der Einbruch kam mit Ansage. Überall war zu lesen und zu hören, dass die Unterstützung bei 1520 Dollar pro Unze auf keinen Fall unterschritten werden dürfe. Negative Kommentare von Analysten und die Gerüchte über Goldverkäufe Zyperns hatten den Preis dann in diese Richtung gedrückt. Und als George Soros und Goldman Sachs nachlegten, war es dann so weit. Wenn aber jemand nur sagt, dass der Preis fallen wird, ist das ja noch keine Manipulation. Wenn Leute auf die vermeintlichen Gurus hören und ihr Gold verkaufen, würde ich das eher als Dummheit bezeichnen.
In der Rückschau ist ja eigentlich nicht viel passiert.
Richtig, aber als es in Richtung 1300 Dollar ging, war die Stimmung am Boden. Der Schreck sitzt einigen noch in den Gliedern. Der Status von Gold als sicherer Hafen hat darunter gelitten.
2008 gab es auch einen starken Einbruch. Damals wie heute ging der Preiseinbruch von den Terminmärkten aus.
Es gibt gewisse Parallelen, wenn auch die Gründe andere waren. Damals wurde Liquidität knapp, heute eigentlich nicht. Aber wie 2008 standen auch jetzt wieder die spekulativen Finanzinvestoren auf der Verkaufsseite.
Also sorgte der Crash für eine gesunde Bereinigung?
Ja, das spekulative Element ist raus aus dem Markt. Es haben auch ungewöhnlich viele Kleinspekulanten, von denen möglicherweise viele auf Kredit gezockt hatten, ihre Kaufpositionen geschlossen. Per saldo setzen sie jetzt gar auf fallende Notierungen.
In den USA werden über 90 Prozent der ausstehenden Goldderivate von nur vier Großbanken gehalten. Da liegt ein Manipulationsverdacht nahe.
Vergessen Sie nicht, dass der überwiegende Teil dieser Derivate von den Banken im Kundenauftrag gehalten wird. Außerdem gibt es Positionsobergrenzen für jeden Marktteilnehmer. Diese werden von den Aufsichtsbehörden überwacht, damit eben keine Manipulation stattfinden kann.
Gewaltige unlimitierte Verkaufsorders haben den Goldpreis in die Knie gezwungen.
Auch am Goldmarkt wird ein großer Teil des Handels emotionslos durch Computer erledigt. Fällt eine Unterstützung, wird automatisch liquidiert. Am 15. April wurden an der Comex in New York Lieferansprüche über 2300 Tonnen Gold gehandelt, also gut 80 Prozent der Jahresfördermenge. Das war kein normaler Tag.
Ein Gold-Flash-Crash also?
Sozusagen. Überrascht hat mich aber, dass die Investoren nicht sofort realisiert haben, dass es eigentlich keinen fundamentalen Auslöser gab für den Crash.
Der Krügerrand-Käufer liegt richtig
Vielleicht fürchteten sie, dass das Modell Zypern Schule machte und auch andere Zentralbanken in der Euro-Zone von der EZB zu Goldverkäufen genötigt werden könnten?
Die Notenbanken sind unabhängig in der Verwaltung der Goldreserven. Freiwillig wird keine von ihnen Gold verkaufen. Zumal die Erlöse daraus die Schuldenquoten der Krisenländer kaum senken würden. Goldverkäufe wirkten wie ein Offenbarungseid. Die Notenbanken wären blank, hätten keine Basis zur Rückkehr zu einer eigenen Währung.
Wenn keiner aus dem Euro mehr rauskäme, wäre das doch ganz im Interesse der EZB.
So gesehen schon. Sinnvoller nutzen könnten die Südländer ihre Goldreserven aber als Sicherheit bei der Ausgabe von neuen Staatsanleihen.
Gäbe es dafür Nachfrage?
Davon gehe ich stark aus. Investoren bekommen Gold als Sicherheit plus Zinsen, und die Länder reduzierten ihre Finanzierungskosten und können ihr Gold behalten.
Werden die Schwellenländer den Goldanteil an den Währungsreserven weiter erhöhen?
Mit Blick auf den Husarenritt, den die Bank of Japan gerade unternimmt, werden die Schwellenländer ihre Goldquoten eher noch ausweiten. Für sie ist Gold die einzige Alternative, ihre wachsenden Währungsreserven zu diversifizieren. Zumal der Zinsverzicht der Goldhaltung im Vergleich etwa zu amerikanischen, deutschen oder japanischen Staatsanleihen kaum eine Rolle spielt.
Der Goldbedarf der Schwellenländer
Wie viel zusätzliches Gold Schwellenländer mit großen Währungsreserven benötigten, damit der Goldanteil an ihren Reserven den internationalen Durchschnitt von 12,6 Prozent erreichte*
* auf Basis von 1697,65 Dollar pro Feinunze
Quelle: Bloomberg, IWF, WGC
Goldreserven: 33,9 Mio. Unzen = 57,5 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 3342,6 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 1,7 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 239,7 Mio. Unzen = 416,1 Mrd. Dollar
Goldreserven: 10,4 Mio. Unzen = 17,6 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 645,5 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 2,7 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 40,7 Mio. Unzen = 72,9 Mrd. Dollar
Goldreserven: 1,7 Mio. Unzen = 2,9 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 381,8 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 0,8 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 29,8 Mio. Unzen = 51,8 Mrd. Dollar
Goldreserven: 0,07 Mio. Unzen = 0,1 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 301,8 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 0,0 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 25,1 Mio. Unzen = 43,4 Mrd. Dollar
Goldreserven: 2,7 Mio. Unzen = 4,6 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 330,7 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 1,4 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 24,7 Mio. Unzen = 42,4 Mrd. Dollar
Goldreserven: 13,6 Mio. Unzen = 23,1 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 424,1 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 5,5 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 19,6 Mio. Unzen = 34,7 Mrd. Dollar
Goldreserven: 4,1 Mio. Unzen = 7,0 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 261,2 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 2,7 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 17,1 Mio. Unzen = 29,7 Mrd. Dollar
Goldreserven: 30,1 Mio. Unzen = 51,0 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 526,3 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 9,7 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 8,9 Mio. Unzen = 17,5 Mrd. Dollar
Goldreserven: 1,2 Mio. Unzen = 2,0 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 135,4 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 1,5 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 9,9 Mio. Unzen = 17,2 Mrd. Dollar
Goldreserven: 4,0 Mio. Unzen = 6,8 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 169,9 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 4,0 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 9,5 Mio. Unzen = 16,7 Mrd. Dollar
Goldreserven: 4,9 Mio. Unzen = 8,3 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 179,0 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 4,6 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 9,3 Mio. Unzen = 16,3 Mrd. Dollar
Goldreserven: 2,4 Mio. Unzen = 4,0 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 114,3 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 3,5 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 6,8 Mio. Unzen = 11,9 Mrd. Dollar
Goldreserven: 17,9 Mio. Unzen = 30,4 Mrd. Dollar
Währungsreserven inklusive Gold: 290,6 Mrd. Dollar
Goldanteil an den Währungsreserven: 10,5 Prozent
Theoretischer Zusatzbedarf: 3,6 Mio. Unzen = 7,1 Mrd. Dollar
Goldhändler berichten von starker physischer Nachfrage, die mit physischem Gold besicherten Fonds melden starke Abflüsse. Wer liegt am Ende richtig, der Krügerrand-Käufer oder der ETF-Verkäufer?
Ich tippe auf den Krügerrand-Käufer.
Wer steckt hinter den Verkäufen bei den ETF?
Das ist auch mir gegenwärtig noch ein Rätsel. Zumal die Verkäufe größtenteils den SPDR Gold Shares betreffen. Andere Anbieter melden kaum Abflüsse. Das ist nebulös.
Zweifeln Investoren daran, dass ihre Anteile dort komplett mit Barren besichert sind?
Das ist Spekulation, wäre aber eine Erklärung.
Dann bedeuteten die Abflüsse nicht zwingend den Abschied der Anleger vom Gold?
Zumindest ein Teil davon könnte umgeschichtet worden sein in Gold, auf das Anleger direkten Zugriff haben. Auch die hohen Abflüsse aus den Lagerhäusern der Comex führe ich auf starke physische Nachfrage aus Asien zurück.