Tonnenweise Silber hatte die kriminelle Bande quer durch die Republik kutschiert. Aber nicht etwa der Diebstahl des Edelmetalls sollte ihnen zu illegal erworbenem Reichtum verhelfen, sondern die Steuer. Die Idee: Silber über Scheinfirmen im Ausland kaufen und in Deutschland mit aufgeschlagener Mehrwertsteuer wieder verkaufen. Geld heimste der Gangsterclub ein, weil er die vereinnahmte Mehrwertsteuer nicht an das Finanzamt abführte. Als die Polizei vor einigen Wochen mit einer groß angelegten Razzia in fünf Städten gleichzeitig zuschlug, fand sie allein zwei Tonnen Silber im Wert von zwei Millionen Euro. Den 16 verdächtigen Personen winken nun Strafen von bis zu zehn Jahren Gefängnis.
Der Fall hat Symbolkraft. Die Botschaft: um mit Silber kurzfristig Geld zu verdienen, eignet sich Steuerbetrug besser als die Spekulation auf einen steigenden Silberpreis. Der vergleichsweise hohe Wert von Silber bei geringem Volumen machte das Edelmetall für den Steuerbetrug wohl zur geeigneten Handelsware. Dabei ist Silber derzeit billig. Eine Feinunze des Edelmetalls kostet rund 16,40 Dollar, in Euro sind es 14,76 Euro je Unze. Noch im Sommer 2014 kletterte der Silberpreis in der Spitze nahe an die 22-Dollar-Marke. Wer damals glaubte, es würde weiter aufwärts gehen und der Silberpreis wieder in die Regionen oberhalb von 30 Dollar je Unze steigen, wurde bitter enttäuscht.
Die Spekulation auf Edelmetalle und insbesondere Silber ist ein riskantes Geschäft. Der Silberpreis schwankt nämlich sehr stark, im Mittel um die 30 Prozent innerhalb von drei Monaten. Das mussten seit Jahresbeginn vor allem Silberanleger erfahren, die schon Hoffnung auf eine längere Silberpreisrally hatten. Nach den Rückschlägen im Vorjahr, kletterte Silber von 15,50 Dollar im Januar bis auf ein Zwischenhoch bei knapp 19 Dollar. Aber seitdem ging es wieder kräftig runter.
Silberoptimismus mit Pausen
Deutschlands bekanntester Silber-Experte, „Silberjunge“ Thorsten Schulte, ist zwar daueroptimistisch für das weiß glänzende Edelmetall, hatte aber rechtzeitig vor neuen Rückschlägen gewarnt. „Sowohl bei Gold als auch bei Silber waren viele Privatinvestoren aus Angst vor einem Euro-Austritt Griechenlands in Edelmetalle geflüchtet. Aber schon nach der ersten Griechenland-Krise im Mai 2010 hatte es eine Korrektur gegeben.“ Zudem, so Schulte, habe der gesamte Rohstoffmarkt zur Schwäche geneigt. „Da ist es stets unwahrscheinlich, dass Gold und Silber als einzige strahlen können.“
Wie Anleger in Silber investieren können
Silbermünzen und Barren bieten als physisches Investment viel Sicherheit. Beim Kauf von Silberbarren werden jedoch 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Und der für Silbermünzen derzeit noch gültige reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent entfällt ab 1. Januar 2014. Deswegen: Anleger, die Silbermünzen kaufen wollen, sollten dies bis zum Jahresende tun.
Diese börsengehandelten Indexfonds (ETF) kaufen Silber physisch und bieten dank des Fondsmantels Sicherheit. Es besteht kein Emittentenrisiko. In Deutschland sind sie aber nicht zum Vertrieb zugelassen. Deutsche Anleger können die ETFs aber über die Börse in Zürich kaufen. Alternative: Ein Depot im Ausland anlegen und Kursgewinne sowie Zinsen in Deutschland versteuern.
Der Aktienfonds Stabilitas Silber- und Weißmetalle (LU0265803667) kauft fundamental unterbewertete Silberaktien. Er hält Anteile an den weltgrößten Silberminen, ist aber auch bei kleineren Produzenten sowie an Silberexplorationswerten beteiligt. Von einer Trendwende des Silberpreises profitiert dieser Fonds besonders stark. Denn die Aktienkurse der Silberminen reagieren in der Regel überproportional auf einen Anstieg des Silberpreises.
Mit Zertifikaten können Investoren auf steigende oder fallende Preisentwicklung von Silber setzen. Dabei stehen Papiere mit oder ohne Hebel zur Verfügung. Allerdings gehen Anleger mit dem Kauf von Zertifikaten ein Emittentenrisiko ein. Das Silber X-pert Zertifikat (ISIN: DE000DB3XAG6) der Deutschen Bank bildet den Silberpreis eins zu eins ab. Dagegen profitieren Anleger beim Open End Turbo auf Silber der Société Générale (DE000SG1AXF0) wegen des Hebels von 3,3 stark von einem Preisanstieg des Edelmetalls.
Die kleine Silberpreisrally um den Jahreswechsel dürfte vor allem auf das Konto der Hedgefonds gegangen sein, die am Terminmarkt rekordhohe Kaufpositionen anhäuften. Ihre Gegenspieler waren die sogenannten Swap-Händler, hinter denen sich im Grunde Großbanken verbergen, die im Januar auf die Verkäuferseite wechselten. Ihre Netto-Leerverkäufe der Silberkontrakte machten in der zweiten Januarhälfte rund ein Sechstel der Jahresproduktion an Silber aus. Sie erwarten über eine längere Zeit einen niedrigen oder sogar weiter fallenden Silberpreis.
Spitzenpreise wie im Frühjahr 2011, als die Feinunze Silber für fast 50 Dollar die Unze gehandelt wurden, sind daher für die nähere Zukunft in weite Ferne gerückt.
Heute ist der Silberpreischart ein Trauerspiel. Seit vier Jahren dauert die Korrektur des Silberpreises nun schon an – und noch immer ist sie nicht abgeschlossen.
Viele Experten sehen bei Silber den Abwärtstrend trotz des kurzen Aufbäumens im Januar als intakt an. Philip Klinkmüller vom Marktanalyst Hopf-Klinkmüller Capital Management betrachtet den Silberpreis rein technisch, jegliche Fundamentaldaten werden dabei komplett ignoriert. Ihre Analysemethodik konnte nach eigenen Angaben in 2014 Zielbereiche in acht von zehn Fällen korrekt vorhersagen. Sie sehen die Korrektur in den Edelmetallen keineswegs als beendet an. "Erst bei kompletter Resignation und Panik der Silberinvestoren ist der Markt antizyklisch bereit für eine Trendwende. Noch ist der Markt von großer Hoffnung geprägt“, sagt Klinkmüller. „Zwar ist ein kurzfristiger Anstieg beim Silberpreis möglich, jedoch wird das weiße Metall seine Korrektur nicht beenden bevor der notwendige Zielbereich von 12,70 bis 13,80 Dollar erreicht wurde."
Lichtblicke für den Silberpreis
Klinkmüller sieht auch die Korrelation zum Goldpreis nicht in dem Ausmaß wie viele andere Analysten. Doch gerade die ist für viele Silberliebhaber ein entscheidender Grund dafür, dass Silber über kurz oder lang wieder an Wert gewinnen wird. Nicht zuletzt hat sich das Verhältnis von Gold- zu Silberpreis in den vergangenen Monaten geändert. Lag der Goldpreis 2014 noch beim 63-fachen des Silberpreises, stieg dieser Wert zuletzt auf 74. Silber ist somit auch im Verhältnis zu Gold deutlich billiger geworden.
Von einem Edelmetallhändler in London war dennoch zu hören, dass der Silberpreis eng am Goldpreis hängt. Der wiederum hängt dem Händler zufolge derzeit vor allem von der Entwicklung der Devisenkurse ab. Gerät - wie seit Monaten - der Euro im Vergleich zum US-Dollar unter Druck, steigt der Goldpreis in Euro, obwohl er in Dollar stagniert. Gold gilt eben vielen als das einzig wahre Geld und als die ultimative Versicherung gegen Währungsturbulenzen und Inflation.
Auch Silber fungiert für viele Privatanleger als so eine Versicherung. Tatsächlich meldeten die Verkaufsstellen in den vergangenen Monaten immer wieder den reißenden Absatz von Silbermünzen, die im Gegensatz zu Goldmünzen auch schon für den kleinen Geldbeutel erschwinglich sind. Wer physisches Silber in Form von Anlagemünzen oder Barren hortet und seinen Bestand schrittweise aufbaut, kann die Preistiefs zumindest als günstige Kaufgelegenheiten nutzen. Kommt es doch noch zur Entwertung der Papiergeldwährungen, sollten der Silber- wie der Goldpreis sprunghaft steigen.
Inflation ist jedoch derzeit nicht in Sicht, im Gegenteil. Zuletzt sank die Inflationsrate in Deutschland auf Monatsbasis sogar in den negativen Bereich. Das Risiko einer langfristigen Aufwertung des Papiergeldes - also einer den Konsum lähmenden Deflation - ist somit real. Die Europäische Zentralbank will daher durch eine extrem expansive Geldpolitik die Inflationsrate wieder in Richtung zwei Prozent treiben. Ob und wann sie das durch Anleihekäufe im Wert von 60 Milliarden Euro monatlich erreicht, ist noch vollkommen unklar. Erst im März beginnt die EZB mit den Anleihekäufen. Für den Silberpreis ist das zumindest ein Lichtblick, zumal auch andere Notenbanken wie die japanische die Inflation anheizen wollen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten
Die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von Sammlungsstücken unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %. Diese generelle Begünstigung verstößt gegen Artikel 103 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, nach dem lediglich die Einfuhr der Steuerermäßigung unterworfen werden darf. Ab dem 1. Januar 2014 kommen auf im Inland ausgeführte steuerpflichtige Lieferungen von Silbermünzen 19 % Steuern.
Umsätze mit gesetzlichen Zahlungsmitteln sind von der Umsatzsteuer befreit. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Zahlungsmittel wegen ihres Metallgehalts oder ihres Sammlerwerts umgesetzt werden. In diesem Fall sind die Umsätze steuerpflichtig.
Silberbarren sind von der Änderung nicht betroffen, da deren Lieferungen bereits nach geltendem Recht dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegen.
Umsätze mit Goldmünzen können entsprechend der Mehrwertsteuersystemrichtlinie als Anlagegold steuerfrei sein. Dazu heißt es: „Lieferungen von Gold zu Anlagezwecken entsprechen ihrer Art nach anderen Finanzanlagen, die von der Steuer befreit sind. Die Steuerbefreiung erscheint daher als die geeignetste steuerliche Behandlung der Umsätze von Anlagegold.“ Davon abgesehen unterscheiden die gesetzlichen Regelungen nicht zwischen Gold- und Silbermünzen.
Wenig Impulse von der Nachfrageseite
Mehr als 60 Prozent des gehandelten Silbers findet Anwendung in der Industrie, etwa für Leiterplatten oder in der Medizintechnik. Auf Seiten der Verwendung ist Silber viel mehr ein Industrie-, denn ein Edelmetall. Zieht die weltweite Konjunktur also an, wird Silber stärker nachgefragt.
Wo die Nachfrage steigt, sollten eigentlich auch die Preise steigen. Kurzfristig wird das den Silberpreis jedoch kaum beflügeln. Das hat mehrere Gründe. Zum einen steigt die Nachfrage noch nicht stark genug. Laut Silberjunge Schulte hat etwa China 2014 netto 1344 Tonnen Silber importiert – 84 Tonnen mehr als im Vorjahr. Doch als 2011 der Silberpreis auf fast 50 Dollar kletterte, lagen Chinas Silberimporte um fast 900 Tonnen höher.
Chinas Nachfrage ist für die Entwicklung der Rohstoffmärkte entscheidend. Das Land steht für die Hälfte der Nachfrage aller Metalle. Auch die wichtige Silbernachfrage aus Indien stieg im Januar um 29 Prozent, der Silberpreis fiel dennoch. „Entscheidend für die Rohstoffmärkte ist nicht, ob die Wirtschaft in den Industrieländern um ein oder zwei Prozent wächst, sondern ob die Schwellenländer wieder neue Aufwärtsdynamik entfalten“, sagt Schulte. Offenbar genügen die Nachfrageschübe derzeit noch nicht, um ein höheres Preisniveau zu etablieren.
Das Problem: Während die Nachfrage dank guter Konjunktur steigt, ist das Angebot ebenfalls auf einem neuen Hoch angelangt. „Gold und Silber leiden momentan darunter, dass die Minengesellschaften aufgrund hoher Verschuldungen und hoher Förderkosten bei den jetzigen Preisen die Produktion nach Kräften hochfahren, um ausreichend Einnahmen zu erzielen. Damit verlängern und vertiefen sie die Abwärtsbewegung noch“, konstatiert Schulte. Ihm zufolge haben die sechs wichtigsten Silberproduzenten, die für das letzte Quartal 2014 ihre Geschäftszahlen bereits vorgelegt haben, zusammen abzüglich von Sondereffekten knapp 250 Millionen Dollar Verlust gemacht. Ihre Silberproduktion arbeitet somit nicht kostendeckend.
Inflationsschutz und Industriemetall
Die Minengesellschaften dürften jedoch ähnlich den Ölförderern bei anhaltend niedrigen Silberpreis alles daran setzen, um in die Gewinnzone zurückzukehren. „Die erreichten Preisniveaus sind auf Dauer nicht ausreichend“, sagt Schulte. Haben die Silberminen ihre Schulden abgebaut, dürften sie auch wieder höhere Silberpreise durchsetzen, indem sie die Produktion zurückfahren.
Da Silber vor allem als Beiprodukt bei der Förderung anderer Metalle wie Kupfer oder Zink anfällt, können die Minengesellschaften allerdings nicht nur den Silberpreis im Blick behalten. Hoffnungsfroh stimmt, dass zuletzt auch der Kupferpreis ordentlich zulegen konnte. Das wichtige Industriemetall gilt weithin als Konjunkturindikator.
Wie schnell sich bessere Förderbedingungen auf den Kurse der Minenaktien auswirken, bewies erst jüngst die Aktie von Eloro Resources. 300 Gramm Silber pro Tonne Gestein ließen deren Aktienkurs hüpfen. Einen so hohen Silbergehalt will die Minengesellschaft aus Peru nämlich bei neuen Bodenanalysen gefunden haben. Der Wert ist ungewöhnlich hoch. Im Durchschnitt aller neuen Abbaugebiete von Elore beträgt der Silbergehalt nur 27,5 Gramm pro Tonne. Die Eloro-Aktie stieg nach der Meldung Anfang März um fast 17 Prozent. Das Papier ist allerdings nur ein Pennystock. Zuletzt notierte Elore in Frankfurt bei knapp elf Cent je Aktie. Dementsprechend stark wirkt sich ein Kursplus von nur ein paar Cent aus.
Hoffen auf mehr Silberglanz
Während es also von Seiten der Charttechnik keine Entwarnung für den Silberpreis gibt und sogar weitere Preisrückschläge im laufenden Jahr wahrscheinlich sind, wecken die Anleihenkäufe von EZB und Bank of Japan die Hoffnung auf einen Anstieg der Inflation, der den Gold- und damit auch den Silberpreis beflügeln sollte. Auch auf der Nachfrageseite sind die Anzeichen eher positiv, solange China und Indien ihre Edelmetallnachfrage weiter erhöhen. Mittel- bis langfristig sind die Voraussetzungen für einen deutlich höheren Silberpreis also durchaus gegeben.
Eins der wichtigsten Argumente von Silberjunge Thorsten Schulte: Der Silbermarkt ist mit einem bereits geförderten Silberbestand von nicht einmal 40 Milliarden Dollar recht klein, Silber also trotz Recycling und einer Förderung auf Hochtouren tendenziell knapp. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank schätzte in einer Studie vom Dezember 2014 den Marktwert aller Anleihen für 2014 auf 139 Billionen Dollar. „Das ist für mich die größte Blase aller Zeiten“, sagt Schulte.
Sollte diese Blase platzen, kann sich glücklich schätzen, wer etwas Silber und Gold sein eigen nennt. Dann kommt die Rolle der Edelmetalle als Versicherung sicher zum Tragen. Wer aber auf Silber setzt, um kurzfristig Kursgewinne einzustreichen, geht mit dem schwankungsfreudigen Edelmetall ein hohes Risiko ein. Da könnte es sich eher lohnen, auf die arg gebeutelten Minenaktien zu setzen. Die Leerverkäufe etwa bei Silver Wheaton, mit denen Spekulanten auf einen fallenden Aktienkurs setzen, sind jedenfalls im vergangenen Halbjahr um rund drei Viertel gesunken. Ein Hoffnungsschimmer.