Sicher ist: Auch hierzulande wächst der politische Druck. Zwar erhöhen die Vergütungen für den Ökostrom – anders als in Spanien – nicht die Staatsschulden. Dafür belasten sie die Stromverbraucher immer stärker. Schon Anfang Januar steigt die sogenannte EEG-Umlage, die auf Basis des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) festgelegt wird, erneut – von 6,35 auf 6,88 Cent je kWh. Zusätzlich verteuern sich wegen des notwendigen Ausbaus der Stromtrassen im Zuge der Energiewende auch die Netzgebühren.
Beides katapultiert den Preis für Elektrizität vielerorts erstmals über die Grenze von 30 Cent pro kWh. Zum Vergleich: Noch vor zehn Jahren kostete Haushaltsstrom im Durchschnitt weniger als 20 Cent.
Kein Wunder, dass der Unmut wächst – unter den privaten Stromkunden wie bei den Unternehmen. „Es kann nicht sein, dass Wirtschaft und Verbraucher ständig mehr zahlen“, schimpft der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer.
Den Kritikern sind vor allem die Hunderttausenden Bestandsanlagen ein Dorn im Auge. Sie treiben die Kosten am stärksten. Denn ihre Eigentümer kassieren für 20 Jahre garantierte Vergütungen, deren Höhe von der Art der Anlage und vom Jahr des Netzanschlusses abhängt. Ein Hausbesitzer, der 2004 eine typische Fotovoltaikanlage mit einer Leistung von 10 Kilowatt aufs Dach schraubte, erhält seither satte 57,4 Cent für jede Kilowattstunde. Und das bis 2024.
Solarkosten ufern aus
Offenbar hat die Bundesregierung lange unterschätzt, in welchen Massen die üppige Subventionierung der Solartechnik Investoren anlocken würde – und zu spät gegengesteuert. Ein aktuelles Gutachten des Düsseldorf Institute for Competition Economics taxiert die Kosten der Energiewende für den Zeitraum 2000 bis 2025 auf 520 Milliarden Euro – mehr als das Anderthalbfache des diesjährigen Bundeshaushalts. Hauptkostentreiber ist die EEG-Umlage mit 408 Milliarden Euro. Was wäre da einfacher, als die hohen Vergütungen für Altanlagen kurzerhand zu senken?
Unmöglich ist das nicht. „Rückwirkende Eingriffe sind gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht prinzipiell ausgeschlossen“, erläutert Jochen Hell, Experte für Energierecht bei der Kanzlei Dornbach in Saarbrücken. Und es gibt Präzedenzfälle: Das Papier des Bundestages „Rückwirkende Änderung der EEG-Vergütung“ von 2011 etwa ermutigte den damaligen Umwelt- und heutigen Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) zwei Jahre später zu einem ersten Vorstoß. Sein Konzept für eine Strompreisbremse sah einen „EEG-Soli für Betreiber von Bestandsanlagen“ vor – de facto nichts anderes als eine rückwirkende Senkung.
Was sagen die Verfassungshüter?
Nach Protesten ruderte Altmaier zwar zurück – hinterließ aber verunsicherte Investoren. „Bis dahin hielt ich es für völlig ausgeschlossen, dass die Bundesregierung ihr Versprechen bricht“, sagt Klughardt von Voigt & Collegen. „Seitdem bin ich mir nicht mehr ganz so sicher - auch wenn ich es nach wie vor für unwahrscheinlich halte.“
Die rechtlichen Hürden ließen sich vermutlich überwinden – zumindest, wenn der Staat nur Vergütungen kürzt, die noch nicht ausgezahlt wurden. Alles hänge „von der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung und Begründung ab“, heißt es im 2011er-Bundestagsgutachten.
Das entscheidende juristische Kriterium: „Der Gesetzgeber müsste überzeugend begründen, dass ohne die Änderung schwerwiegende Nachteile für die Allgemeinheit drohen“, präzisiert Hell. „Diese Hürde dürfte überwindbar sein, wenn andere Maßnahmen nicht fruchten und die EEG-Umlage – und mit ihr der Strompreis – weiter deutlich steigt.“