Dabei gelangten die Forscher zu der Erkenntnis, dass deutsche Sparer ein anderes Verhalten an den Tag legen, als es in vielen anderen Ländern zu beobachten ist. Das Fazit der Untersuchung zum Konsumklima-Indikator: Die vier Fragen, die zur Berechnung des Indexes herangezogen werden und die EU-weit gleich sind, sind für die Erfassung der Konsumstimmung der Deutschen nur bedingt geeignet. „Da wird zum Beispiel nach der Einschätzung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage gefragt. Die ist aber für den deutschen Verbraucher gar nicht so entscheidend. Wir konnten zeigen, dass die Antworten zur Inflation eine deutlich bessere Grundlage für eine Konsumprognose sind. Die Deutschen schauen sehr viel genauer auf die Inflationsentwicklung und stützen darauf ihre Konsumentscheidungen“, so Schmidt. Zudem ergab schon die Studie von 2010, dass neben der erwarteten Preisentwicklung die geplanten, bedeutenden Anschaffungen den privaten Konsum maßgeblich beeinflussen. In anderen europäischen Ländern spielt hingegen die Konjunktur die entscheidende Rolle für die Konsum- und Sparpläne.
Es klingt ein wenig schizophren, wenn deutsche Sparer einerseits argwöhnisch auf die Entwicklung der Inflation blicken, andererseits gerade in diesem Umfeld „kalter Enteignung“ mehr sparen als zuvor. Allein das Geldvermögen der Deutschen ist laut Postbank 2012 um satte 229 Milliarden Euro gestiegen, davon entstanden 157 Milliarden Euro durch aktives Sparen. Wirtschaftsforscher Schmidt erklärt das mit dem Vorsichtsmotiv: „Man legt hierzulande lieber Geld weg für später, für schlechte Zeiten, für die Kinder oder für das Alter. Der deutsche Sparer ist eher vorsichtig. Ob das Geld höher oder niedrig verzinst wird, ist dann zweitrangig. Die Deutschen sparen erfahrungsgemäß auch bei höheren Renditen nicht wesentlich mehr.“
Vereinfacht ausgedrückt teilt jeder Haushalt sein Einkommen in Konsum und Sparen. Somit führt mehr Konsum zu weniger Sparanstrengungen und umgekehrt. Dass in Deutschland gleichzeitig auch die Konsumausgaben steigen, ist nach Ansicht Schmidts dem robusten Arbeitsmarkt zu verdanken. „Der Konsum in Deutschland nimmt insgesamt zu, weil es mehr Erwerbstätige und relativ hohe Lohnzuwächse gibt. Nicht der einzelne konsumiert also mehr zu Lasten der Ersparnis, sondern die gute Beschäftigungslage sorgt für mehr Konsumenten, die noch dazu mehr verdienen. Auch die Ersparnisse nehmen deshalb insgesamt zu, obwohl die Sparquote seit 2008 kontinuierlich leicht sinkt“, sagt der RWI-Experte.
Nicht nur in Deutschland führt das Vorsichtsmotiv beim Sparen dazu, dass die Sparquote in Abschwungphasen zunimmt. Steigt die Arbeitslosigkeit und nimmt die Jobunsicherheit zu, kauft man sich auch in anderen Ländern eben nicht das neue Auto, sondern legt das Geld auf die Seite, so dass die Sparquote – der Einkommensanteil, der gespart wird - steigt. „Das ist in schlechten Zeiten ein ganz rationales Verhalten. Mit anziehender Konjunktur sinkt die Sparquote wieder. Zwar ist eine Verunsicherung wegen der Eurokrise da, aber zumindest in Deutschland läuft die Wirtschaft ja noch gut, insofern gibt es hierzulande keinen Grund für die Verbraucher, ihre Sparquote hochzufahren“, konstatiert Schmidt.
Dass die Preisentwicklung und die Erwartungen dazu das Spar- und Konsumverhalten in Deutschland in besonderem Maße beeinflussen, liegt dem Forscher zufolge an der Historie und der Vermögensverteilung. „Hinzu kommt, dass die Inflationsangst bei den Leuten recht groß ist. Offenbar ist die Erfahrung, dass man seine Ersparnisse verlieren kann, noch sehr gegenwärtig“, so Schmidt. Den Grund dafür sieht er auch darin, dass vor allem die Älteren über die größeren Vermögen verfügen. „Gerade diese Generation erinnert sich noch an die Hyperinflation nach dem Krieg. Aber es ist vorstellbar, dass in den kommenden Jahrzehnten deutsche Sparer genau wie die Anleger im übrigen Europa diese besondere Angst vor der Inflation verlieren, weil die jüngeren Generationen keine eigenen negativen Erfahrungen mehr damit gemacht haben.“