Staatsanleihen Spanien und Italien als sichere Häfen

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"Die Situation in der Ukraine betrifft Privatanleger zunächst nicht"

So viel Geld brauchen Krisenländer 2014
Jon Serrano aus Spanien könnte schon bald ins hessische Bad Homburg umsiedeln. Wenn sein Praktikum weiterhin so gut läuft, winkt ihm eine Lehre in einem Sanitärbetrieb. Wie Jon geht es vielen jungen Spaniern. Arbeit finden sie leichter im Ausland. Die Lage im eigenen Land entspannt sich dagegen nur langsam. Zwar war die Anzahl der Arbeitssuchenden zuletzt um mehr als 100.000 zurückgegangen, doch seien laut Behörden immer noch 4,7 Millionen Spanier ohne Job. Neben der Situation am Arbeitsmarkt machen auch notleidende Kredite Spaniens Banken weiter zu schaffen: Wie die Zentralbank noch im Herbst mitteilte, belaufen sich die Problemkredite auf wertlose Immobilien mittlerweile auf rund 180 Milliarden Euro. Dennoch will es Spanien ab jetzt alleine schaffen: Regierungschef Marian Rajoy hatte zuletzt noch einmal bekräftigt, dass sein Land keine weiteren EU-Hilfen mehr beantragen werde. Rund 1,3 Billionen Euro hält Spanien derzeit an Verbindlichkeiten in Form von Staatspapieren, ungefähr so viel, wie das Land jährlich erwirtschaftet. Rund 189 Milliarden konnte das Land dabei 2013 von Investoren einsammeln, 230 Milliarden muss es in 2014 refinanzieren. Quelle: dpa
Auch die Ratingagenturen sind von der Reformwilligkeit der Spanier mittlerweile überzeugt und sehen Licht am Ende des Tunnels. Zwar beließen die großen Agenturen mit Baa3 (Moody's) und BBB- (Standard & Poor's) ihr Rating an der unteren Schwelle des Investment-Grades. Weil sich die mittelfristigen Aussichten für die Wirtschaft aber verbessert hätten, korrigierten beide Agenturen ihren Ausblick von „negativ“ auf „stabil“. Dass Investoren langsam aber sicher das Vertrauen in die Krisenstaaten zurückgewinnen, spiegelt sich auch an den gesunkenen Renditen auf Staatsanleihen wieder. Während auf dem Höhepunkt der Angst, im Juli 2012, Anleger für spanische Zehnjahresbonds noch 7,62 Prozent Rendite forderten, genügt ihnen heute die Hälfte. Damit kann sich Spanien gerade günstiger refinanzieren als Anfang 2010. Quelle: dpa
Tausende Pilger aus aller Welt kamen in diesem Jahr nach Rom, um den neuen Papst Franziskus zu sehen. Außer dem Kirchenoberhaupt hat es 2013 noch so manch andere Neuerung in Italien gegeben. Im April etwa löste der Demokrat Enrico Letta den Wirtschaftsprofessor und Interimspremier Mario Monti an der Regierung ab. Vorangegangen war ein zäher Kampf mit dem populistischen „Volk der Freiheit“, Partei des europäischen Dauerquerulanten Silvio Berlusconi. Trotz der politischen Stabilität, sehen die Ratingagenturen Standard & Poor's (S&P) und Moody's Italien weiterhin nur als durchschnittlich gute Anlage (BBB bzw. Baa2), Ausblick: „negativ“. Zu wenig sei bislang bei den Sparanstrengungen rumgekommen, lautet die Kritik. Auch die notleidenden Kredite könnten 2014 ein großes Problem für Italiens Banken werden. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen stünden weiter unter Druck. Eine Entspannung bei den Kreditforderungen der Banken in Höhe von etwa 144,5 Milliarden Euro könnte längere Zeit in Anspruch nehmen. Quelle: REUTERS
Rund 2,3 Billionen Euro schuldet der Stiefelstaat den Gläubigern am Kapitalmarkt – das sind rund 200 Milliarden mehr als die Italiener 2013 erwirtschaftet haben. Doch die hohen Verbindlichkeiten können Investoren nicht abschrecken, wieder mehr in Italien zu investieren: 363 Milliarden Euro konnte die Regierung in Rom 2013 einsammeln, rund 100 Milliarden Euro mehr wird sie 2014 brauchen, um fällige Verbindlichkeiten zu bedienen. Doch auch das sollte gelingen. So stehen die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen derzeit mit 3,9 Prozent so hoch wie im Mai 2010. Höchststände von mehr als sieben Prozent im November 2011 scheinen weit weg. Quelle: dpa
Seit die Finanzkrise Portugal traf, ist die Lissaboner Innenstadt abends oft menschenleer. Viele Geschäfte haben geschlossen, Wohnungen stehen leer. Die Reformen, die das Zehn-Millionen-Einwohner-Land zu schultern hat, verlangen den Bürgern einiges ab. Denn um den Haushalt auf eine schwarze Null zu bringen, gingen unter anderem Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung flöten, Löhne und Renten wurden gekürzt. Seit Mitte 2013 scheinen die Reformen jedoch Wirkung zu zeigen. Der Industrie geht es besser, die Exporte ziehen langsam aber sicher wieder an. Tatsächlich muss es Portugal ab dem Sommer wieder alleine schaffen. Dann nämlich läuft das dreijährige EU-Hilfsprogramm aus, im Rahmen dessen Portugal insgesamt 78 Milliarden Euro erhalten hat. Erst am Freitag hatte die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) ihren Ausblick von langfristig negativ auf einfach negativ geändert. An der eigentlichen Bonitätsbewertung BB (Non-Investment-Grade) hat sich allerdings nichts getan. S&P begründen ihre bleibende Skepsis damit, dass das oberste Gericht im Lande immer noch das Reformpaket von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho kippen könnte. Quelle: dpa
Aller Skepsis zum Trotz sind Portugal-Anleihen bei Investoren wieder gefragt. Die Rendite für zehnjährige Papiere lag zuletzt mit 5,38 Prozent so niedrig wie im Juli 2010. Die Chance ist da, dass Portugal die rund 58 Milliarden Euro einsammeln kann, die 2014 fällig werden. Selbst 2013 konnte das gebeutelte Land etwa 16,6 Milliarden Euro an den Märkten aufnehmen. Insgesamt liegen die portugiesischen Verbindlichkeiten an Investoren mit rund 150 Milliarden Euro etwa 10 Prozent niedriger als das Bruttoinlandsprodukt. Quelle: dpa
Sanfte Töne aus Irlands Hauptstadt Dublin: Im Dezember hatte der EU-Musterschüler offiziell den EU-Rettungsschirm verlassen. Irland war vor drei Jahren das erste Euro-Land, das bei den europäischen Partnern um Notkredite bitten musste – insgesamt 67,5 Milliarden Euro waren seither geflossen. Mit fast 350 Milliarden Euro hatte es sein aufgeblähtes Bankensystem vor dem Untergang retten müssen. Künftig will sich das Land wieder allein über die Kapitalmärkte finanzieren. Die Ratingagentur Moody´s allerdings bewertet Irland immer noch als Ramsch (Ba1). Es bleibe die Sorge, dass die Regierung die zugesagte Summe von 64 Milliarden Euro für die Unterstützung der maroden Banken wird aufstocken müssen. Allerdings hofft man auf der grünen Insel, dass Moody's es eher früher als später den anderen beiden Ratingagenturen, Standard & Poor's und Fitch, gleichtut und Irland wieder Investment-Grade-Status zuspricht. Der Nachfrage nach Irland-Anleihen könnte das einen Schub verleihen: Denn mit einem Junk-Rating hat Irland keinen Zugang zu den Investoren, die nur Investment-Grade-Papiere kaufen dürfen. Quelle: AP

Wenn sich die Krisenländer wieder günstig am Kapitalmarkt finanzieren können, hat die Krim-Krise dann unsere Eurokrise gelöst?

So kann man das nicht sagen. Die Abnehmer der spanischen Anleihen sitzen vor allem in Ländern wie Deutschland und Frankreich. Wir müssen uns vor Augen halten, dass in den vergangenen drei Jahren niemand spanische Anleihen kaufen wollte. Aber zurzeit dominiert die Suche nach Rendite das Geschehen. Dass die Probleme in der Eurozone weiterhin ungelöst sind, scheint unter den aktuellen Bedingungen niemanden zu interessieren. Und weil kurze Laufzeiten kaum noch attraktive Renditen bieten, selbst in Spanien, lassen sich Investoren sogar auf langfristige Papiere ein.

Also ist die nächste Krise vorprogrammiert.

Viele unerfahrene Anleger steigen derzeit ein. Sollte sich die Stimmung in Südeuropa wieder eintrüben, verkaufen diese Investoren ihre Anleihen vielleicht in zwei Jahren wieder mit Verlust, wie sie dies bereits während der letzten Eurokrise getan haben. Spanische und italienische Banken dagegen sind ihre Bestände losgeworden und haben gute Gewinne gemacht.

Was bedeutet das für Privatanleger?

Privatanleger sind von den Entwicklungen in der Ukraine erst einmal nicht direkt betroffen. Solange es zu keinem Krieg kommt, in dem Russland die Ukraine vollständig verwüstet, gibt es keinen Anlass, Bewertungen der eigenen Aktien zu korrigieren. Und dieser Fall ist meiner Ansicht nach unwahrscheinlich, denn Russland hat viel in der Ukraine investiert, etwa in die Gasinfrastruktur. Es dürfte also niemand ein Interesse an einer Eskalation der Lage haben, die dann auch Privatanleger treffen könnte.

Und wenn sich die Situation doch noch verschärft?

Der Bankier Rothschild hat im 19. Jahrhundert formuliert: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“. Auch wenn es zynisch klingt: Sollte es in der Ukraine tatsächlich zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen, könnten Privatanleger vermutlich günstig an den Märkten einsteigen. Ansonsten dominieren die EU-Themen den Markt aktuell viel stärker als Entwicklungen in der Ukraine.

Sie meinen die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, den Leitzins unverändert bei 0,25 Prozent zu belassen.

Diese Entscheidung ist für den Eurokurs viel wichtiger als die Ukraine. Schwellenländer wie Russland rücken in den Hintergrund, wenn wir uns den schwachen Dollar im Vergleich zum Euro ansehen. Das ist es, was in Europa gerade Märkte bewegt.

Aber für Spekulanten sollte es doch Möglichkeiten geben?

Natürlich, wer die entsprechende Expertise mitbringt, sollte ein Auge auf die ukrainische Währung, die Hrywnja, werfen. Nur weil sich die Lage mit Russland etwas beruhigt hat, sind die grundlegenden Probleme in der Ukraine nicht gelöst. Die Währung hat sich trotzdem stabilisiert, ist meiner Ansicht nach stark überbewertet. Will die Ukraine ihre Wirtschaft aber in Schwung bringen, braucht sie eine schwache Währung, der Kurs muss abwerten.

Also auch für Sie ein Signal, die Positionen in ihrem Schwellenländer-Fonds anzupassen?

Nein, unsere Strategie bleibt trotz der politischen Entwicklungen unverändert. So dramatisch die Situation in der Ukraine ist – es gibt weltweit immer wieder Situationen mit ähnlich starkem Einfluss auf die Währungsmärkte. So hat beispielsweise Uganda ein Gesetz verabschiedet, das Homosexuelle kriminalisiert. Dies setzt die lokale Währung vehement unter Druck, die sich zuletzt weltweit am stärksten entwickelt hatte. Als Fondsmanager erlebe ich mit der Finanz- und Eurokrise derzeit mehrere Jahrhundertprobleme gleichzeitig. Die Ukraine ist da nur ein Krisenherd von vielen.

Herr Röhmeyer, herzlichen Dank für das Interview.

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