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Das wertlose Versprechen 100-jähriger Anleihen

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Anleihen mit 100 Jahren Laufzeit erfreuen sich neuer Beliebtheit - gekauft wohl nur von Spekulanten und Vermögensverwaltern, denen es nicht um die Interessen ihrer Kunden geht. Am Ende zahlen die nämlich die Zeche.

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1891 hielt man ewige Staatsanleihen Englands mit einer Verzinsung von 2,5 Prozent für ein solides Investment, schließlich waren diese voll in Gold konvertierbar. Nur eine Generation später war der Goldstandard Geschichte und Wettläufe um Währungsabwertung die Regel. Was als sicheres Investment galt, führte zu einem Totalverlust der Investoren. Nicht viel besser erging es den Käufern der 1946 begebenen ewigen Anleihe des englischen Staates. Ebenfalls mit 2,5 Prozent begeben, kollabierte der Kurs im Zuge der Inflation der 1970er Jahre.

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Die Geschichte ist voll von Beispielen der (fast) völligen Vermögensvernichtung beim Kauf von langlaufenden Anleihen. Eine Anleihe ist nichts anderes als das Versprechen, Geld zu bezahlen. Wenn aber die Regierung die Menge und Qualität des Geldes beliebig manipulieren kann, was ist dann der Wert dieses Versprechens? Null – sollte man zumindest angesichts der aktuellen Politik der Notenbanken meinen.

Aber noch scheint niemand diese Frage zu stellen. Wie sonst ist zu erklären, dass Investoren immer tiefere  Zinsen auf Staatsanleihen akzeptieren? Und wie sonst erklärt sich die Renaissance einer Anleihegattung, von der man eigentlich annehmen sollte, dass sie niemand kaufen würde: die hundertjährigen Anleihen. Nur wenige Länder und Unternehmen haben bisher solche Anleihen ausgegeben, so Mexiko, die Philippinen und der brasilianische Ölkonzern Petrobras.

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Mit Irland und Belgien sind in diesem Jahr erstmals wieder europäische Länder in den Markt eingestiegen und haben im Rahmen einer Privatplatzierung jeweils 100 Millionen Euro mit einer Laufzeit von 100 Jahren aufgenommen. Frankreich begnügt sich noch mit Laufzeiten von 50 Jahren. Auf Italiens 30-jährige Anleihe gab es einen regelrechten Run. Mehr als 25 Milliarden Euro wurden von Investoren angeboten. 2047 wird das Geld dann zurückgezahlt – hoffen die Gläubiger.

Als normaler Investor kann man sich angesichts der fundamentalen Aussichten dieser Länder nur an den Kopf fassen. Wer kauft Anleihen mit einer solch langen Laufzeit zu Minizinsen von Ländern und Staaten, deren Schulden bereits vor Jahren den „point of no return“ überschritten haben?

Der italienische Staat müsste das Defizit vor Zinszahlungen – den sogenannten Primärüberschuss – um rund zwei Prozentpunkte vom BIP verbessern, nur um den Schuldenstand auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren. Frankreich bräuchte eine Verbesserung um 2,5 Prozent vom BIP. Beides ist politisch nicht durchsetzbar, und alleine der Versuch dürfte die Wirtschaft derart schwächen, dass die Schuldenquoten weitaus mehr steigen.

In Irland fehlt nicht mehr viel, um eine Stabilisierung der Schuldenquote des Staates zu erzielen. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Land gesamthaft überschuldet ist: die Schulden von Staat, privaten Haushalten und Unternehmen liegen bei rund 400 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) und damit auf japanischem Niveau. Ohne einen Schuldenschnitt wird auch der vermeintliche Musterschüler der Eurorettungspolitik nicht wieder auf die Beine kommen.

Die Financial Times berichtet, die 100-jährigen Anleihen von Irland und Belgien seien auf Initiative des Käufers zustande gekommen. Die Vermutung geht in die Richtung einer europäischen Versicherung. Diese seien, so die weitere Vermutung der Zeitung, aus regulatorischen Gründen an langlaufenden Anleihen interessiert, weil sie mit Anleihen guter Qualität sonst keine ausreichenden Renditen erzielen. Irland zahlt „immerhin“ 2,35 Prozent auf den 100-jährigen – aber immer noch  weniger als die USA für 30-jährige Anleihen.

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