Stelter strategisch

Eine Zinswende können wir uns nicht leisten

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Der langjährige Boom am Anleihenmarkt soll nach Expertenmeinung langsam zu Ende sein - und damit würden die Zinsen wieder steigen. Doch wie passt das in die heutige Welt des billigen Geldes? Überhaupt nicht.

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Schon vor der Wahl Donald Trumps befanden sich die Zinsen weltweit auf dem Weg nach oben, eine Entwicklung die sich seit der Wahl deutlich beschleunigt hat. Die Märkte erwarten höheres Wachstum und mehr Inflation als Folge der wirtschaftspolitischen Maßnahmen der neuen US-Regierung, Steuersenkungen, Infrastrukturinvestitionen und Protektionismus sollen die von Volkswirten seit Jahren erhoffte Wende bringen: Die Reflationierung der US-Wirtschaft zur Überwindung der Stagnation und zur Entwertung der Schulden.

Der Anstieg der Zinsen hat mittlerweile eine solche Dynamik entfaltet, dass namhafte Experten, wie der Zinsguru der 1970er Jahre Henry Kaufman, das Ende des über 30-jährigen Bullenmarktes in Anleihen ausrufen. Dies sei die Zinswende und wir müssten uns auf eine langjährige Aufwärtsbewegung der Zinsen und damit fallende Anleihekurse einstellen.  Auch die Charttechniker rufen Alarm. Langjährige Trends wären durchbrochen, es drohe eine sich selbst beschleunigende Entwicklung die zu deutlich höheren Zinsen führt.

Normalisierung vom Tief?

Natürlich kann man leicht argumentieren, dass es höchste Zeit ist, dass die Zinsen steigen. Die Finanzmarktkrise ist mehr als sieben Jahre her, die Eurokrise scheint ebenfalls bewältigt. Die Notenbanken sollten nun endlich aus den als Notfallmaßnahmen gedachten Programmen aussteigen und wir wieder zur Normalität zurückkehren. Schließlich waren die Zinsen in den letzten 5000 Jahren noch nie so tief wie heute. Komisch ist nur, dass dieselben Analysten, die noch vor wenigen Wochen ewig tiefe Zinsen verkündeten heute eine Trendwende feststellen. Eigentlich sollten Analysten doch gerade solche Trendwenden vorhersagen, nicht ihnen hinterherlaufen.

Hier steht die Sparwelt Kopf
Sparschwein Quelle: dpa
RaiffeisenbankIn die Schlagzeilen schaffte es zuletzt die bayerische Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee. Diese verlangt von reichen Sparern, die mehr als 100.000 Euro auf Giro- oder Tagesgeldkonten lagern, künftig 0,4 Prozent Strafzinsen. Bankchef Josef Paul sagte am 11. August, er hüte 40 Millionen Euro, die von einem Tag auf den anderen abgehoben werden könnten und die er nicht verwerten könne. „Die liegen bei mir auf dem Zentralbankkonto und verursachen 0,4 Prozent Kosten“, sagte der Bankchef. „Ich kann nicht für jede Million 4000 Euro hinlegen.“ Er ist nicht der Einzige, der so denkt... Quelle: dpa
Deutsche Skatbank Quelle: dpa
Sparkasse Oberhausen Quelle: dpa
Alternative Bank Schweiz Quelle: Handelsblatt
Lombard Odier Quelle: dpa
Euro-Abwertung in der Schweiz Quelle: Getty Images

Dabei waren die bisherigen Begründungen für tiefe Zinsen gar nicht so unfundiert, wie hier vor einigen Wochen diskutiert:

- Die demografische Entwicklung führt zu einem erhöhten Angebot an Sparkapital, weil immer mehr Menschen für das Alter vorsorgen. - An dieser Dynamik hat sich in den letzten Monaten nichts geändert.

- Eine zunehmend ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung führt zu mehr Sparkapital, weil Menschen mit höheren Einkommen und Vermögen mehr sparen als der Durchschnitt der Bevölkerung. - An diesem Faktor hat sich ebenfalls nichts geändert. Wenn, dann führen die Steuersenkungen der neuen US-Regierung zu einer Verstärkung des Trends.

Welche Länder welche Kontogebühren kassieren
EZB Quelle: dpa
frankreich, negativzins Quelle: REUTERS
dänemark, negativzins Quelle: dpa
Italien, negativzins Quelle: dpa
Großbritannien, Negativzins Quelle: dpa
Schweiz, Negativzins Quelle: dpa
Spanien, Negativzinsen Quelle: REUTERS

- Die Schwellenländer versuchen ihre Wirtschaft über eine Stärkung des Exportsektors zu entwickeln. Da Exportüberschüsse immer auch mit einem Kapitalexport einhergehen, investieren diese Länder in den Kapitalmärkten der Industrieländer und vergrößern so zusätzlich das Angebot an Ersparnissen. - Hier könnte es im Zuge des Protektionismus in den USA zu einer Änderung kommen. Das Kapitalangebot wäre dann in der Tat geringer. Doch in welchem Umfang?

- Die Sparer sind risikoaverser geworden und deshalb bereit, ihr Geld auch zu tiefen Zinsen anzulegen, statt in andere, risikoreichere aber potenziell rentierlichere Anlagen auszuweichen. Oder – wie im Falle der Versicherungen -  werden von der Regulierung in diese Anlagen gezwungen. – Kann es sein, dass wir heute risikofreudiger sind, angesichts der Aussichten auf eine Politik à la Trump? Hört man die besorgten Stimmen der Experten bezüglich seines Wahlprogramms, müsste man wohl eher vom umgekehrten ausgehen.

Sinkende Nachfrage

Diesem Angebot an Kapital steht nach Einschätzung der Experten eine sinkende Nachfrage gegenüber:

- So sind in den vergangenen Jahren die Preise von Investitionsgütern deutlich gefallen, was unter anderem auf die digitale Revolution zurückzuführen ist. Deshalb benötigen Unternehmen weniger Kapital, um ihre Investitionen zu finanzieren. – Auch hier hat sich in den vorigen Wochen nichts geändert. Preissteigerungen sind (noch) nicht in Sicht.

- Derweil sind die Investitionen der Staaten deutlich zurückgegangen, was an der schon bestehenden hohen Schuldenlast der Staaten liegt. – Hier liegt die große Änderung gegenüber dem Zeitpunkt vor der Wahl, vorausgesetzt das Programm wird Wirklichkeit. Und selbst wenn Trump wie angekündigt eine Billion US-Dollar ausgibt, dürfte der Effekt über Jahre verteilt sein.

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- Das geringere Wirtschaftswachstum, verursacht durch den Rückgang der Erwerbsbevölkerung und deutlich geringere Produktivitätszuwächse, wirkt zusätzlich dämpfend auf Investitionen. -  Die Entwicklung dieser beiden Faktoren hat sich in den vergangenen Monaten ebenfalls nicht geändert. Wenn, dann dürfte die Politik von Trump diese Faktoren erst über Zeit verändern.

Es gibt folglich wenige Gründe, zu einer anderen Einschätzung zu kommen, als vor einigen Monaten. Das Wirtschaftswachstum mag etwas höher sein, die Inflation ebenfalls. Die Maßnahmen würden zudem vor allem in den USA wirken. Im optimistischsten Fall könnte Trump dort die Reflation gelingen.

Korrektur im Abwärtstrend?

Doch nicht nur die genannten Faktoren sprechen gegen eine Trendwende bei den Zinsen. Es gibt einen viel banaleren Grund, der für eine moderate Zinsentwicklung spricht. Wir können uns in der Weltwirtschaft schlichtweg keine höheren Zinsen leisten. Bekanntlich waren wir noch nie so hoch verschuldet wie heute. Eine beabsichtigte Folge der (Notenbank-)-Politik der letzten Jahre und Jahrzehnte. Wir sind mit maximaler Hebelwirkung unterwegs und es darf nichts schiefgehen. Da das Umfeld sich nicht ändert und die Wachstumsaussichten sich angesichts der fundamentalen Faktoren nicht signifikant verändern lassen, sind steigende Zinsen genau das was schiefgeht.

Gold aus Sternenstaub und Diamanten aus Seife
Gold gehört zu den begehrtesten, weil edlen und raren Elementen. Die Gründe dafür liegen im Kosmos, denn dort entsteht das Edelmetall. Allerdings nicht wie etwa Kohlenstoff oder Eisen in normalen Sternen durch Kernfusion, sondern nur durch extrem energiereichere Vorgänge, etwa die Kollision zweier Neutronensterne. Quelle: dpa
Bei diesen Fusionen verschmilzt neutronenreiches Material der Auswurfmasse, anschließend zerfallen die daraus hervorgegangenen Elemente wieder zu stabilen Kernen wie eben Gold. Bei einem solchen Ereignis, das Astronomen vor einigen Jahren beobachteten, entstand eine Menge Gold, die schätzungsweise zehnmal der Masse unseres Mondes entspricht. Quelle: dpa
Die Weltproduktion an Diamanten reicht längst nicht mehr aus, um den Bedarf zu decken: 80 bis 90 Prozent aller Diamanten werden daher mittlerweile künstlich erzeugt. Sie kommen meist in der Industrie zum Einsatz, Schmuck macht den kleinsten Teil aus. Die 20 Tonnen Naturmaterial stammen vor allem aus zwei Quellen: Zum einen aus den klassischen Minen, bei denen sogenannte Kimberlit-Schlote nahezu senkrecht in die Erde ausgebeutet werden – der Stein trägt die begehrten Diamanten. Quelle: dpa
Die andere Quelle sind sogenannte Diamantseifen, die trotz ihres Namens nichts mit waschaktiven Substanzen zu tun haben. Vielmehr handelt es sich hier um eine besondere Form der Mineralanreicherung. Verwittert der Kimberlit, bleiben die Diamanten als extrem robuste Materialien übrig. An einigen Küsten wie in Namibia passiert dies auch in Strandnähe. Wenn ankommende Wellen Material auf den Strand verfrachten, nimmt das zurückströmende Wasser die leichteren Körner wieder mit, während die harten Brocken, eben die Diamanten, im Sand oder Kies zurückbleiben und sich dort zu Diamantseife anreichern. „Seife“ stammt übrigens aus dem geologischen Sprachgebrauch und bezeichnet jede Art sekundärer Mineralanreicherung in Sedimenten. Quelle: Lempertz, Köln
Ein altes Flussbett bei Ratnapura, südöstlich von Sri Lankas Hauptstadt Colombo, ist das Eldorado für Edelsteinsucher. Seit 2000 Jahren schätzen Glückssucher die Region wegen ihrer relativ leicht zugänglichen Vorkommen an Saphiren, Rubinen und Granaten. Ursprünglich stammen sie aus dem angrenzenden Hochland, wo ihr Ausgangsgestein erodiert und von Niederschlägen in die Flussläufe gespült wurde. Dort lagerten sich die edlen Steine ab und wurden von jüngeren Sedimenten überdeckt. (Foto: dpa)
2016 wurde hier einer der bislang größten Saphire der Welt ausgegraben und der Öffentlichkeit vorgestellt: Er wiegt 1404 Karat und ist schätzungsweise 90 Millionen Euro wert. Bei dem hier abgebildeten Stein handelt es sich um ein anderes Exemplar, das bei einer Versteigerung im Jahr 2008 „nur“ knapp drei Millionen Euro erbrachte. (Foto: dpa)
Bislang besteht die wirtschaftliche Bedeutung des bolivianischen Salar de Uyuni in seinem touristischen Wert. Der riesige Salzsee im Altiplano der Anden lockt jedes Jahr zehntausende Touristen an, die die bizarre Salzpfanne bewundern. Doch der Salar besitzt noch einen weiteren Schatz, und der weckt industrielle Begehrlichkeiten: Er umfasst das weltweit vielleicht größte Vorkommen an Lithium – einem Metall, das etwa für Akkumulatoren von Elektroautos oder Smartphones gebraucht wird. Quelle: dpa

Wann immer die Zinsen in den vergangenen Jahrzehnten angezogen haben, kamen Schuldner unter Druck und die Aktienmärkte auch. So stiegen die Zinsen vor dem Crash 1987, vor der Asien- und der Russlandkrise, selbst vor der Subprime-Krise 2007. Warum sollte es heute anders sein? Wer jetzt denkt, es liegt an einer anderen Politik der Notenbanken, den erinnere ich nur an die Tatsache, dass diese letztlich den Märkten folgen und nicht wie vielfach angenommen die Trends setzen. Sie machen es zwar schlimmer – vor allem im Trend nach unten – doch alleine Schuld sind sie nicht.

Unbestritten ist jedoch, dass die Zinsen immer wieder immer tiefer gesenkt wurden, um die neue Krise zu bekämpfen. So wird es auch bei der Krise sein, die sich durch die höheren Zinsen anbahnt. Mag der Dow Jones auch neue Rekorde feiern, billig ist er schon lange nicht mehr. Natürlich kann man den Markt nicht timen und ich würde auch dringend von einseitigen Wetten abraten. Dennoch spricht mehr denn je für unser ausgewogenes Portfolio aus Cash, Aktien, Immobilien und Gold. Letzteres ist gerade nicht sehr en vogue. Das dürfte sich im nächsten Krisendurchgang auf dem Weg in noch negativere Zinsen wieder ändern.

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